Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dahinflog, strebte Galinda's kleine Elfengestalt nicht, wettlaufend ihrem Gespielen vorauskommen zu wollen; denn Mutter Lora's Märchenbilder umgaukelten noch die Phantasie beider Kinder, daß sie sich die Hände reichten und mit scheuen Blicken vor den Gestalten, welche unter dem kristallenen Eise zu ihren Füßen heraufnickten und winkten, windschnell davon liefen.

Bertold wunderte sich, woher diese Erinnerungen aus seiner Knabenzeit jetzt in diesem stillen Stübchen ihm beifielen. -- Es mag wohl daher kommen, daß ich um Galinda's willen hergerudert bin, dachte der Jüngling, sich ermannend, als Lora wieder eintrat und auf glänzenden Zinngeschirren Milch, Butter, Käse, Brod und Obst ihm vorsetzte.

Du mußt schon so vorlieb nehmen, mein Bertoldje; denn ich weiß wohl, daß dir Unrast die Zeit zu lang würde, bis ich dir einen fetten Aal oder Bars backen könnt'! -- Aber jetzt lange zu und laß mich sehen, ob es dir noch so gut bei mir schmeckt, wie sonst, wenn du mit dem wilden Dinge, der Galinda, dich herum gejagt hattest. -- Wie geht's ihr denn? Hab' ich sie doch seit Jahr und Tag nicht gesehen. Warum besucht sie mich nicht mehr? Sie weiß doch, daß die alte Mutter Lora die Wirthschaft auf Piet's Eiland nicht verlassen kann. Ist die Galinda noch immer so trotzköpfig und flink vorweg? Aber schön muß sie geworden sein mit ihren langen, schwarzen Ringelhaaren und großen, schwarzen Augen, womit sie einen so verblirt

dahinflog, strebte Galinda's kleine Elfengestalt nicht, wettlaufend ihrem Gespielen vorauskommen zu wollen; denn Mutter Lora's Märchenbilder umgaukelten noch die Phantasie beider Kinder, daß sie sich die Hände reichten und mit scheuen Blicken vor den Gestalten, welche unter dem kristallenen Eise zu ihren Füßen heraufnickten und winkten, windschnell davon liefen.

Bertold wunderte sich, woher diese Erinnerungen aus seiner Knabenzeit jetzt in diesem stillen Stübchen ihm beifielen. — Es mag wohl daher kommen, daß ich um Galinda's willen hergerudert bin, dachte der Jüngling, sich ermannend, als Lora wieder eintrat und auf glänzenden Zinngeschirren Milch, Butter, Käse, Brod und Obst ihm vorsetzte.

Du mußt schon so vorlieb nehmen, mein Bertoldje; denn ich weiß wohl, daß dir Unrast die Zeit zu lang würde, bis ich dir einen fetten Aal oder Bars backen könnt'! — Aber jetzt lange zu und laß mich sehen, ob es dir noch so gut bei mir schmeckt, wie sonst, wenn du mit dem wilden Dinge, der Galinda, dich herum gejagt hattest. — Wie geht's ihr denn? Hab' ich sie doch seit Jahr und Tag nicht gesehen. Warum besucht sie mich nicht mehr? Sie weiß doch, daß die alte Mutter Lora die Wirthschaft auf Piet's Eiland nicht verlassen kann. Ist die Galinda noch immer so trotzköpfig und flink vorweg? Aber schön muß sie geworden sein mit ihren langen, schwarzen Ringelhaaren und großen, schwarzen Augen, womit sie einen so verblirt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0017"/>
dahinflog, strebte Galinda's kleine Elfengestalt                nicht, wettlaufend ihrem Gespielen vorauskommen zu wollen; denn Mutter Lora's                Märchenbilder umgaukelten noch die Phantasie beider Kinder, daß sie sich die Hände                reichten und mit scheuen Blicken vor den Gestalten, welche unter dem kristallenen                Eise zu ihren Füßen heraufnickten und winkten, windschnell davon liefen.</p><lb/>
        <p>Bertold wunderte sich, woher diese Erinnerungen aus seiner Knabenzeit jetzt in diesem                stillen Stübchen ihm beifielen. &#x2014; Es mag wohl daher kommen, daß ich um Galinda's                willen hergerudert bin, dachte der Jüngling, sich ermannend, als Lora wieder eintrat                und auf glänzenden Zinngeschirren Milch, Butter, Käse, Brod und Obst ihm                vorsetzte.</p><lb/>
        <p>Du mußt schon so vorlieb nehmen, mein Bertoldje; denn ich weiß wohl, daß dir Unrast                die Zeit zu lang würde, bis ich dir einen fetten Aal oder Bars backen könnt'! &#x2014; Aber                jetzt lange zu und laß mich sehen, ob es dir noch so gut bei mir schmeckt, wie sonst,                wenn du mit dem wilden Dinge, der Galinda, dich herum gejagt hattest. &#x2014; Wie geht's                ihr denn? Hab' ich sie doch seit Jahr und Tag nicht gesehen. Warum besucht sie mich                nicht mehr? Sie weiß doch, daß die alte Mutter Lora die Wirthschaft auf Piet's Eiland                nicht verlassen kann. Ist die Galinda noch immer so trotzköpfig und flink vorweg?                Aber schön muß sie geworden sein mit ihren langen, schwarzen Ringelhaaren und großen,                schwarzen Augen, womit sie einen so verblirt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] dahinflog, strebte Galinda's kleine Elfengestalt nicht, wettlaufend ihrem Gespielen vorauskommen zu wollen; denn Mutter Lora's Märchenbilder umgaukelten noch die Phantasie beider Kinder, daß sie sich die Hände reichten und mit scheuen Blicken vor den Gestalten, welche unter dem kristallenen Eise zu ihren Füßen heraufnickten und winkten, windschnell davon liefen. Bertold wunderte sich, woher diese Erinnerungen aus seiner Knabenzeit jetzt in diesem stillen Stübchen ihm beifielen. — Es mag wohl daher kommen, daß ich um Galinda's willen hergerudert bin, dachte der Jüngling, sich ermannend, als Lora wieder eintrat und auf glänzenden Zinngeschirren Milch, Butter, Käse, Brod und Obst ihm vorsetzte. Du mußt schon so vorlieb nehmen, mein Bertoldje; denn ich weiß wohl, daß dir Unrast die Zeit zu lang würde, bis ich dir einen fetten Aal oder Bars backen könnt'! — Aber jetzt lange zu und laß mich sehen, ob es dir noch so gut bei mir schmeckt, wie sonst, wenn du mit dem wilden Dinge, der Galinda, dich herum gejagt hattest. — Wie geht's ihr denn? Hab' ich sie doch seit Jahr und Tag nicht gesehen. Warum besucht sie mich nicht mehr? Sie weiß doch, daß die alte Mutter Lora die Wirthschaft auf Piet's Eiland nicht verlassen kann. Ist die Galinda noch immer so trotzköpfig und flink vorweg? Aber schön muß sie geworden sein mit ihren langen, schwarzen Ringelhaaren und großen, schwarzen Augen, womit sie einen so verblirt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/17
Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/17>, abgerufen am 04.10.2024.