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Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1776.

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Von der Geisterwelt.
schwindet er ganz und gar, als ob er nicht da ge-
wesen wäre. Daß es also geschehe, darüber habe
ich mich öfters verwundert, weil so etwas in der
Welt sich nicht eräugnen kann; es wurde aber ge-
sagt, daß mit dem Geist in dem Menschen ein
Gleiches geschehe, der, wenn er sich von dem an-
dern abwendet, nicht mehr unter dessen Augen ist.
Daß der Geist seine herrschende Liebe sey, erhellet
auch daraus, daß ein jeder Geist alles, was mit
seiner Liebe übereinkommt, ergreift und sichs zu-
eignet, hingegen alles, was nicht mit ihr über-
einkommt, wegwirft und von sich entfernet; ei-
nes jeden Liebe ist wie ein schwammigt und löche-
richtes Holz, das solche Feuchtigkeiten in sich schlu-
cket, die zu seinem Wachsthum zuträglich sind,
die andern aber von sich stößt; sie ist auch wie
die Thiere von allerley Arten, die ihr Futter ken-
nen, und dasjenige begehren, was mit ihrer Na-
tur zusammenstimmet, hingegen aber das verab-
scheuen, was ihr zuwider ist; denn eine jede Liebe
will von ihres Gleichen genähret seyn, die böse
Liebe von den Falschheiten, und die gute Liebe von
den Wahrheiten: es ist mir etlichemal zu sehen
gegeben worden, daß einige einfältige Gute die
Bösen im Wahren und Guten unterrichten woll-
ten, daß aber diese Bösen schon von weiten für
den Unterricht ausrissen, und sobald sie zu ihres
Gleichen kamen, das ihrer Liebe gemäße Falsche mit
grosser Wollust ergriffen: wie auch, daß die guten
Geister unter einander von dem Wahren redeten,
welches die Guten, so gegenwärtig waren, mit Ver-

langen

Von der Geiſterwelt.
ſchwindet er ganz und gar, als ob er nicht da ge-
weſen waͤre. Daß es alſo geſchehe, daruͤber habe
ich mich oͤfters verwundert, weil ſo etwas in der
Welt ſich nicht eraͤugnen kann; es wurde aber ge-
ſagt, daß mit dem Geiſt in dem Menſchen ein
Gleiches geſchehe, der, wenn er ſich von dem an-
dern abwendet, nicht mehr unter deſſen Augen iſt.
Daß der Geiſt ſeine herrſchende Liebe ſey, erhellet
auch daraus, daß ein jeder Geiſt alles, was mit
ſeiner Liebe uͤbereinkommt, ergreift und ſichs zu-
eignet, hingegen alles, was nicht mit ihr uͤber-
einkommt, wegwirft und von ſich entfernet; ei-
nes jeden Liebe iſt wie ein ſchwammigt und loͤche-
richtes Holz, das ſolche Feuchtigkeiten in ſich ſchlu-
cket, die zu ſeinem Wachsthum zutraͤglich ſind,
die andern aber von ſich ſtoͤßt; ſie iſt auch wie
die Thiere von allerley Arten, die ihr Futter ken-
nen, und dasjenige begehren, was mit ihrer Na-
tur zuſammenſtimmet, hingegen aber das verab-
ſcheuen, was ihr zuwider iſt; denn eine jede Liebe
will von ihres Gleichen genaͤhret ſeyn, die boͤſe
Liebe von den Falſchheiten, und die gute Liebe von
den Wahrheiten: es iſt mir etlichemal zu ſehen
gegeben worden, daß einige einfaͤltige Gute die
Boͤſen im Wahren und Guten unterrichten woll-
ten, daß aber dieſe Boͤſen ſchon von weiten fuͤr
den Unterricht ausriſſen, und ſobald ſie zu ihres
Gleichen kamen, das ihrer Liebe gemaͤße Falſche mit
groſſer Wolluſt ergriffen: wie auch, daß die guten
Geiſter unter einander von dem Wahren redeten,
welches die Guten, ſo gegenwaͤrtig waren, mit Ver-

langen
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[250/0249] Von der Geiſterwelt. ſchwindet er ganz und gar, als ob er nicht da ge- weſen waͤre. Daß es alſo geſchehe, daruͤber habe ich mich oͤfters verwundert, weil ſo etwas in der Welt ſich nicht eraͤugnen kann; es wurde aber ge- ſagt, daß mit dem Geiſt in dem Menſchen ein Gleiches geſchehe, der, wenn er ſich von dem an- dern abwendet, nicht mehr unter deſſen Augen iſt. Daß der Geiſt ſeine herrſchende Liebe ſey, erhellet auch daraus, daß ein jeder Geiſt alles, was mit ſeiner Liebe uͤbereinkommt, ergreift und ſichs zu- eignet, hingegen alles, was nicht mit ihr uͤber- einkommt, wegwirft und von ſich entfernet; ei- nes jeden Liebe iſt wie ein ſchwammigt und loͤche- richtes Holz, das ſolche Feuchtigkeiten in ſich ſchlu- cket, die zu ſeinem Wachsthum zutraͤglich ſind, die andern aber von ſich ſtoͤßt; ſie iſt auch wie die Thiere von allerley Arten, die ihr Futter ken- nen, und dasjenige begehren, was mit ihrer Na- tur zuſammenſtimmet, hingegen aber das verab- ſcheuen, was ihr zuwider iſt; denn eine jede Liebe will von ihres Gleichen genaͤhret ſeyn, die boͤſe Liebe von den Falſchheiten, und die gute Liebe von den Wahrheiten: es iſt mir etlichemal zu ſehen gegeben worden, daß einige einfaͤltige Gute die Boͤſen im Wahren und Guten unterrichten woll- ten, daß aber dieſe Boͤſen ſchon von weiten fuͤr den Unterricht ausriſſen, und ſobald ſie zu ihres Gleichen kamen, das ihrer Liebe gemaͤße Falſche mit groſſer Wolluſt ergriffen: wie auch, daß die guten Geiſter unter einander von dem Wahren redeten, welches die Guten, ſo gegenwaͤrtig waren, mit Ver- langen

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Zitationshilfe: Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1776, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften02_1776/249>, abgerufen am 07.05.2024.