hat; so mag es etwa zur Zeit einer großen Theurung gewesen seyn.
Da von den Comödien, die vor Plautus Zeiten auf die römische Bühne gekommen sind, nichts mehr vorhanden ist, so läßt sich nicht sagen, in welchem Zustand er dieses Schauspiehl gefunden, und was man ihm darin zu verdanken habe. Allem Anse- hen nach hat er, wie in neuern Zeiten Moliere, die römische Comödie auf einmal zu einem Grad der Vollkommenheit erhoben, wovon man vor seiner Zeit sehr entfernt war. Einige Alten sagen, er habe hundert und dreyßig Comödien geschrieben. Es mag sich aber damit verhalten, wie mit dem alten deutschen Possenreißer Eulenspiegel, dem man alle gemein bekannten poßirlichen Einfälle, deren Ur- heber nicht bekannt waren, zuschrieb. Denn schon zu des Barro Zeiten waren, wie wir aus dem A. Gellius sehen, in der plautinischen Sammlung, so viel schlechte Stüke, daß dieser scharfsinnige Kunst- richter davon nur ein und zwanzig, die er für ächt hielt, auszeichnete. Diese wurden die Varronischen genennt, und sind vermuthlich, wenigstens größ- tentheils, die welche wir noch izt haben. Dieser Dichter hat sich sehr lang auf der Schaubühne er- halten; denn die Frau Dacier ziehet aus einer Stelle des Arnobius den Schluß, daß seine Stüke noch un- ter dem Kayser Diocletian, und also beynahe 500 Jahre nach des Dichters Tode, gespiehlt worden.
Seine meisten Stüke sind freye Uebersezungen, oder Nachahmungen griechischer Stüke, deren Ver- fasser er insgemein in Prologen nennt. Wenn man dieses bey Gelegenheit des ungünstigen Urtheils, das Quintilian über den Plautus äußert, in Erwägung nihmt; so muß man auf den Gedanken kommen, daß die Originale, nach denen dieser gearbeitet hat, höchst fürtreflich gewesen sind, da in den Nachah- mungen noch so viel Schönes angetroffen wird.
Man kann überhaupt sagen, daß alles, was die comische Bühne lustig, lebhast, angenehm und auch lehrreich macht, beym Plautus reichlich angetroffen werde, ob er gleich auch viel wichtige Fehler hat. Personen von höchst poßirlichen Charakteren, über die auch der ernsthafteste Mensch lachen muß; andre, von niederträchtiger Gemüthsart, die zwar unsern Un- willen erweken, aber denn auch wieder dadurch, daß sie nach Verdienst gehöhnt und verspottet und über- haupt in ihrer schändlichen Blöße dargestellt wenden, Vergnügen machen; Jünglinge, die sich bald aus [Spaltenumbruch]
Pla
Leichtsinn und Unbesonnenheit, bald aus Lüderlichkeit in schweere Verlegenheiten stürzen, darin sie entweder zu ihrer Besserung zu Schanden werden, oder dar- aus sie durch die Verschlagenheit und die Ränke eines abgefeimten Buben, auch wol bisweilen durch die Vernunft eines ehrlichen und verständigen Knechts, gerissen werden. Aber zu einem recht angenehmen Contrast findet man bisweilen neben einem Narren einen sehr verständigen, geraden und rechtschaffenen Mann; neben einer leichtfertigen Dirne, ein Mäd- chen von sehr schäzbarem, interessanten und liebens- würdigen Charakter. An sehr comischen Vorfällen, seltsamen Verwiklungen, lächerlichen Jrrungen, an sehr listigen und zum Theile höchst poßirlichen Jntri- guen und unerwarteten Aufschließungen, ist er durch- aus reich.
Seinen immer lustigen Stoff behandelt Plautus in mancherley Absicht, wie ein großer Meister, der zwar nicht fein, oder nach Kunstregeln, aber desto glüklicher in seiner angebohrnen Laune arbeitet, und, wenn er auch oft sich als einen Poßenreißer zeiget, bisweilen auch als ein nachdenkender, sehr verstän- diger, ernsthafter und patriotischer Bürger erscheinet, der seine Zuhörer zwar meistentheils blos belustiget, bey Gelegenheit aber ihnen bald ernsthaft, bald beißend große Wahrheiten sagt. Sein Ausdruk ist durchgehends den Sachen höchst angemessen: im Lustigen ungemein launisch, und mit so viel Origi- naleinfällen durchflochten, daß man fast unaufhör- lich dadurch überrascht wird. Was kann lustiger seyn, als folgendes, aus dem Prolog des Poenulus.
Silete et tacete et animum advortite. Audire jubet ves Imperator histricus: Bonoque ut animo fedeant in subselliis Et qui esurientes et qui saturi venerint.
Jm ernsthaften ist er gesezt, kurz und nachdrüklich; obgleich ganz in dem natürlichsten Ton des gemeinen Umganges. Beyläufig bringet er sehr gute, bis- weilen ganz fürtrefliche und einen scharfen Beob- achter der Menschen und der Sitten anzeigende Denksprüche an. Diese nehmen ofte die Form sehr ernsthafter Lehren, nicht blos für das Privatleben, sondern auch für die allgemeinen öffentlichen Sit- ten an. Was kann einer tugendhaften Frau anstän- diger seyn, als folgende Gesinnungen.
Non ego illam mihi dotem duco esse quae dos dicitur Sed pudicitiam et pudorem et sedatum cupidinem,
Deum
[Spaltenumbruch]
Pla
hat; ſo mag es etwa zur Zeit einer großen Theurung geweſen ſeyn.
Da von den Comoͤdien, die vor Plautus Zeiten auf die roͤmiſche Buͤhne gekommen ſind, nichts mehr vorhanden iſt, ſo laͤßt ſich nicht ſagen, in welchem Zuſtand er dieſes Schauſpiehl gefunden, und was man ihm darin zu verdanken habe. Allem Anſe- hen nach hat er, wie in neuern Zeiten Moliere, die roͤmiſche Comoͤdie auf einmal zu einem Grad der Vollkommenheit erhoben, wovon man vor ſeiner Zeit ſehr entfernt war. Einige Alten ſagen, er habe hundert und dreyßig Comoͤdien geſchrieben. Es mag ſich aber damit verhalten, wie mit dem alten deutſchen Poſſenreißer Eulenſpiegel, dem man alle gemein bekannten poßirlichen Einfaͤlle, deren Ur- heber nicht bekannt waren, zuſchrieb. Denn ſchon zu des Barro Zeiten waren, wie wir aus dem A. Gellius ſehen, in der plautiniſchen Sammlung, ſo viel ſchlechte Stuͤke, daß dieſer ſcharfſinnige Kunſt- richter davon nur ein und zwanzig, die er fuͤr aͤcht hielt, auszeichnete. Dieſe wurden die Varroniſchen genennt, und ſind vermuthlich, wenigſtens groͤß- tentheils, die welche wir noch izt haben. Dieſer Dichter hat ſich ſehr lang auf der Schaubuͤhne er- halten; denn die Frau Dacier ziehet aus einer Stelle des Arnobius den Schluß, daß ſeine Stuͤke noch un- ter dem Kayſer Diocletian, und alſo beynahe 500 Jahre nach des Dichters Tode, geſpiehlt worden.
Seine meiſten Stuͤke ſind freye Ueberſezungen, oder Nachahmungen griechiſcher Stuͤke, deren Ver- faſſer er insgemein in Prologen nennt. Wenn man dieſes bey Gelegenheit des unguͤnſtigen Urtheils, das Quintilian uͤber den Plautus aͤußert, in Erwaͤgung nihmt; ſo muß man auf den Gedanken kommen, daß die Originale, nach denen dieſer gearbeitet hat, hoͤchſt fuͤrtreflich geweſen ſind, da in den Nachah- mungen noch ſo viel Schoͤnes angetroffen wird.
Man kann uͤberhaupt ſagen, daß alles, was die comiſche Buͤhne luſtig, lebhaſt, angenehm und auch lehrreich macht, beym Plautus reichlich angetroffen werde, ob er gleich auch viel wichtige Fehler hat. Perſonen von hoͤchſt poßirlichen Charakteren, uͤber die auch der ernſthafteſte Menſch lachen muß; andre, von niedertraͤchtiger Gemuͤthsart, die zwar unſern Un- willen erweken, aber denn auch wieder dadurch, daß ſie nach Verdienſt gehoͤhnt und verſpottet und uͤber- haupt in ihrer ſchaͤndlichen Bloͤße dargeſtellt wenden, Vergnuͤgen machen; Juͤnglinge, die ſich bald aus [Spaltenumbruch]
Pla
Leichtſinn und Unbeſonnenheit, bald aus Luͤderlichkeit in ſchweere Verlegenheiten ſtuͤrzen, darin ſie entweder zu ihrer Beſſerung zu Schanden werden, oder dar- aus ſie durch die Verſchlagenheit und die Raͤnke eines abgefeimten Buben, auch wol bisweilen durch die Vernunft eines ehrlichen und verſtaͤndigen Knechts, geriſſen werden. Aber zu einem recht angenehmen Contraſt findet man bisweilen neben einem Narren einen ſehr verſtaͤndigen, geraden und rechtſchaffenen Mann; neben einer leichtfertigen Dirne, ein Maͤd- chen von ſehr ſchaͤzbarem, intereſſanten und liebens- wuͤrdigen Charakter. An ſehr comiſchen Vorfaͤllen, ſeltſamen Verwiklungen, laͤcherlichen Jrrungen, an ſehr liſtigen und zum Theile hoͤchſt poßirlichen Jntri- guen und unerwarteten Aufſchließungen, iſt er durch- aus reich.
Seinen immer luſtigen Stoff behandelt Plautus in mancherley Abſicht, wie ein großer Meiſter, der zwar nicht fein, oder nach Kunſtregeln, aber deſto gluͤklicher in ſeiner angebohrnen Laune arbeitet, und, wenn er auch oft ſich als einen Poßenreißer zeiget, bisweilen auch als ein nachdenkender, ſehr verſtaͤn- diger, ernſthafter und patriotiſcher Buͤrger erſcheinet, der ſeine Zuhoͤrer zwar meiſtentheils blos beluſtiget, bey Gelegenheit aber ihnen bald ernſthaft, bald beißend große Wahrheiten ſagt. Sein Ausdruk iſt durchgehends den Sachen hoͤchſt angemeſſen: im Luſtigen ungemein launiſch, und mit ſo viel Origi- naleinfaͤllen durchflochten, daß man faſt unaufhoͤr- lich dadurch uͤberraſcht wird. Was kann luſtiger ſeyn, als folgendes, aus dem Prolog des Poenulus.
Silete et tacete et animum advortite. Audire jubet ves Imperator hiſtricus: Bonoque ut animo fedeant in ſubſelliis Et qui eſurientes et qui ſaturi venerint.
Jm ernſthaften iſt er geſezt, kurz und nachdruͤklich; obgleich ganz in dem natuͤrlichſten Ton des gemeinen Umganges. Beylaͤufig bringet er ſehr gute, bis- weilen ganz fuͤrtrefliche und einen ſcharfen Beob- achter der Menſchen und der Sitten anzeigende Denkſpruͤche an. Dieſe nehmen ofte die Form ſehr ernſthafter Lehren, nicht blos fuͤr das Privatleben, ſondern auch fuͤr die allgemeinen oͤffentlichen Sit- ten an. Was kann einer tugendhaften Frau anſtaͤn- diger ſeyn, als folgende Geſinnungen.
Non ego illam mihi dotem duco eſſe quæ dos dicitur Sed pudicitiam et pudorem et ſedatum cupidinem,
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[908[890]/0326]
Pla
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hat; ſo mag es etwa zur Zeit einer großen Theurung
geweſen ſeyn.
Da von den Comoͤdien, die vor Plautus Zeiten
auf die roͤmiſche Buͤhne gekommen ſind, nichts mehr
vorhanden iſt, ſo laͤßt ſich nicht ſagen, in welchem
Zuſtand er dieſes Schauſpiehl gefunden, und was
man ihm darin zu verdanken habe. Allem Anſe-
hen nach hat er, wie in neuern Zeiten Moliere, die
roͤmiſche Comoͤdie auf einmal zu einem Grad der
Vollkommenheit erhoben, wovon man vor ſeiner
Zeit ſehr entfernt war. Einige Alten ſagen, er
habe hundert und dreyßig Comoͤdien geſchrieben.
Es mag ſich aber damit verhalten, wie mit dem
alten deutſchen Poſſenreißer Eulenſpiegel, dem man
alle gemein bekannten poßirlichen Einfaͤlle, deren Ur-
heber nicht bekannt waren, zuſchrieb. Denn ſchon
zu des Barro Zeiten waren, wie wir aus dem A.
Gellius ſehen, in der plautiniſchen Sammlung, ſo
viel ſchlechte Stuͤke, daß dieſer ſcharfſinnige Kunſt-
richter davon nur ein und zwanzig, die er fuͤr aͤcht
hielt, auszeichnete. Dieſe wurden die Varroniſchen
genennt, und ſind vermuthlich, wenigſtens groͤß-
tentheils, die welche wir noch izt haben. Dieſer
Dichter hat ſich ſehr lang auf der Schaubuͤhne er-
halten; denn die Frau Dacier ziehet aus einer Stelle
des Arnobius den Schluß, daß ſeine Stuͤke noch un-
ter dem Kayſer Diocletian, und alſo beynahe 500
Jahre nach des Dichters Tode, geſpiehlt worden.
Seine meiſten Stuͤke ſind freye Ueberſezungen,
oder Nachahmungen griechiſcher Stuͤke, deren Ver-
faſſer er insgemein in Prologen nennt. Wenn man
dieſes bey Gelegenheit des unguͤnſtigen Urtheils, das
Quintilian uͤber den Plautus aͤußert, in Erwaͤgung
nihmt; ſo muß man auf den Gedanken kommen,
daß die Originale, nach denen dieſer gearbeitet hat,
hoͤchſt fuͤrtreflich geweſen ſind, da in den Nachah-
mungen noch ſo viel Schoͤnes angetroffen wird.
Man kann uͤberhaupt ſagen, daß alles, was die
comiſche Buͤhne luſtig, lebhaſt, angenehm und auch
lehrreich macht, beym Plautus reichlich angetroffen
werde, ob er gleich auch viel wichtige Fehler hat.
Perſonen von hoͤchſt poßirlichen Charakteren, uͤber
die auch der ernſthafteſte Menſch lachen muß; andre,
von niedertraͤchtiger Gemuͤthsart, die zwar unſern Un-
willen erweken, aber denn auch wieder dadurch, daß
ſie nach Verdienſt gehoͤhnt und verſpottet und uͤber-
haupt in ihrer ſchaͤndlichen Bloͤße dargeſtellt wenden,
Vergnuͤgen machen; Juͤnglinge, die ſich bald aus
Leichtſinn und Unbeſonnenheit, bald aus Luͤderlichkeit
in ſchweere Verlegenheiten ſtuͤrzen, darin ſie entweder
zu ihrer Beſſerung zu Schanden werden, oder dar-
aus ſie durch die Verſchlagenheit und die Raͤnke
eines abgefeimten Buben, auch wol bisweilen durch
die Vernunft eines ehrlichen und verſtaͤndigen Knechts,
geriſſen werden. Aber zu einem recht angenehmen
Contraſt findet man bisweilen neben einem Narren
einen ſehr verſtaͤndigen, geraden und rechtſchaffenen
Mann; neben einer leichtfertigen Dirne, ein Maͤd-
chen von ſehr ſchaͤzbarem, intereſſanten und liebens-
wuͤrdigen Charakter. An ſehr comiſchen Vorfaͤllen,
ſeltſamen Verwiklungen, laͤcherlichen Jrrungen, an
ſehr liſtigen und zum Theile hoͤchſt poßirlichen Jntri-
guen und unerwarteten Aufſchließungen, iſt er durch-
aus reich.
Seinen immer luſtigen Stoff behandelt Plautus
in mancherley Abſicht, wie ein großer Meiſter, der
zwar nicht fein, oder nach Kunſtregeln, aber deſto
gluͤklicher in ſeiner angebohrnen Laune arbeitet, und,
wenn er auch oft ſich als einen Poßenreißer zeiget,
bisweilen auch als ein nachdenkender, ſehr verſtaͤn-
diger, ernſthafter und patriotiſcher Buͤrger erſcheinet,
der ſeine Zuhoͤrer zwar meiſtentheils blos beluſtiget,
bey Gelegenheit aber ihnen bald ernſthaft, bald
beißend große Wahrheiten ſagt. Sein Ausdruk iſt
durchgehends den Sachen hoͤchſt angemeſſen: im
Luſtigen ungemein launiſch, und mit ſo viel Origi-
naleinfaͤllen durchflochten, daß man faſt unaufhoͤr-
lich dadurch uͤberraſcht wird. Was kann luſtiger ſeyn,
als folgendes, aus dem Prolog des Poenulus.
Silete et tacete et animum advortite.
Audire jubet ves Imperator hiſtricus:
Bonoque ut animo fedeant in ſubſelliis
Et qui eſurientes et qui ſaturi venerint.
Jm ernſthaften iſt er geſezt, kurz und nachdruͤklich;
obgleich ganz in dem natuͤrlichſten Ton des gemeinen
Umganges. Beylaͤufig bringet er ſehr gute, bis-
weilen ganz fuͤrtrefliche und einen ſcharfen Beob-
achter der Menſchen und der Sitten anzeigende
Denkſpruͤche an. Dieſe nehmen ofte die Form ſehr
ernſthafter Lehren, nicht blos fuͤr das Privatleben,
ſondern auch fuͤr die allgemeinen oͤffentlichen Sit-
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diger ſeyn, als folgende Geſinnungen.
Non ego illam mihi dotem duco eſſe quæ dos dicitur
Sed pudicitiam et pudorem et ſedatum cupidinem,
Deum
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 908[890]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/326>, abgerufen am 26.11.2024.
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