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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Arc Arg
gefolget. Dieses Beyspiel kann den Dichtern zu
einer großen Lehre dienen. Wenn sie so viel Macht
haben, Menschen in Verzweiflung zu setzen, war-
um sollten sie dieselbe nicht auch zu ihrer Besserung
anwenden können. Die Lacedämonier haben die
(*) Lace-
daemonii
Libros Ar-
chilochi e
civitate sua
exportare
iusserunt.
Valer.
Max.
Bücher dieses Dichters verboten. (*) Aus einer
Stelle des Valerius Maximus erhellet zugleich, daß
diese Satyren sehr unflätig müssen gewesen seyn.

Das Buch der Epoden des Horaz ist nach dem
Muster der archilochischen Jamben geschrieben. Der
Dichter sagt:

Parios ego primus Iambos,
Ostendi Latio, numeros animosque secutus

(*) Epist.
l.
19, 23.
Archilochi. (*)

Man findet bey Bayle (Archil. Anm. k) daß Lo-
renzo Fabri
angemerkt, Archilochus habe zuerst an
statt des Hexameters, der bis dahin der einzige
übliche Vers gewesen, andre Versarten versucht,
und dadurch den Griechen Gelegenheit gegeben, so
viel verschiedene lyrische Versarten zu erfinden.
Wie wol andere dem Alcmann diese Erfindung zu-
schreiben. S. Versart

Argonautica.

Ein episches Gedicht des Apollonius Rhodius, eines
der sieben Dichter, die an dem Hofe des Ptolemäus
Philadelphus gelebt haben. Es ist größtentheils
in dem wirthschaftlichen Ton geschrieben, welchen
der vertraulichste Umgang solcher Personen, die in
einem Schiff eingeschlossen sind, erfodert. Man
kann mit dem Lichte zufrieden seyn, in welchem jede
Person nach ihrem absonderlichen Charakter erscheint.
Alle diese Charaktere lauffen in einigen allgemeinen
Zügen zusammen. Eine Art von alter Gottselig-
keit oder Ehrfurcht für die Götter, Eifer in ihrem
Dienste, Freundschaft und Gefälligkeit gegen einander.
Jeder Held hat seine Rolle seinem Charakter gemäß,
und alle diese Rollen beziehen sich auf das Schiff und
auf das gesuchte Vlies. Dadurch werden wir im-
mer auf die allgemeine Angelegenheit zurück ge-
führt, und dadurch bekömmt das Werk eine Ein-
heit. Juno hat die Hand in der Unternehmung,
und leitet ihre Fahrt. Die Helden sind, ohne es
selbst zu wissen, ihre Werkzeuge. Jn der Aus-
bildung der belebten und leblosen Stüke hat der
Dichter durch die Auszeichnung sehr genauer Um-
stände ein helles und angenehmes Licht auf sein Ge-
[Spaltenumbruch]

Arg Ari
dicht geworfen. Für Leser, welche die Gestalt des
menschlichen Gemüthes und Verstandes gerne bis
in die entfernteste Zeiten verfolgen, liegt hier eine
reiche Erndte, vornehmlich von Glaubenslehren,
Stiftungen der Tempel, Opfergebräuchen und hei-
ligen Plätzen. Virgil hat mit dem Apollonius ge-
rungen, indem er die Liebe der Dido nach der Liebe
der Medea gebildet hat. Es ist schweer zu behaup-
ten, daß der Römer gesiegt habe. Longinus giebt
der Jlias den Vorzug vor der Argonautika, wie er
ihn diesem Gedichte vor der Odyssea giebt. Er hat
aber kaum etwas mehrers gesagt, als daß die Ar-
gonautika und die Odyssea nicht so brausend seyn,
als die Jlias.

Diese Materie hatten sich auch verschiedene rö-
mische Dichter gewählt, von denen aber nur einer,
nämlich Valerius Flaccus, auf unsre Zeiten gekom-
men ist. Seine Argonautica haben kein großes
Aufsehen gemacht.

Arie.
(Musik.)

Vom italiänischen Aria. Dieses Wort wird so
wol in der Dichtkunst, als in der Musik gebraucht.
Dort bedeutet es eine Strophe oder System von
etlichen kurzen lyrischen Versen, die insgemein aus
zwey Abtheilungen besteht, um von einem einzigen
Sänger abgesungen zu werden. Jn der Musik
aber ist die Arie das Singestük, oder bemeldete
Strophe zum Singen in Noten gesetzt, oder würk-
lich abgesungen.

Manchmal, werden die Empfindungen (in ei-
nem musicalischen Drama) so stark, und die
Gemüthsbewegung wird so groß, daß wir eher
nicht zufrieden sind, bis wir uns derselben gänz-
lich entladen, und das Herz recht weitläuftig aus-
geschüttet haben. Dieses geschieht nun in einer
Arie. Der Poet nimmt dazu ein lyrisches Sylben-
maaß; allein unter vielen Gedanken und Worten,
liest er nur einige wenige, und zwar diejenigen
aus, welche den Affekt gleichsam in einem kurzen
Jnbegriff schildern, oder doch dem Musicus zu
dessen völliger Darstellung Anlaß und Gelegenheit
geben.
(*) Diese wenige Worte enthalten die ganze(*) Krause
von der
musikali-
schen Poe-
sie. S. 129.

Theorie der Arie.

Weil sie für einen förmlichen, mit allen Verzie-
rungen der Musik geschmükten Gesang verfertiget
wird, so ist offenbar, daß ihr Jnhalt eine Ergies-

sung
K 3

[Spaltenumbruch]

Arc Arg
gefolget. Dieſes Beyſpiel kann den Dichtern zu
einer großen Lehre dienen. Wenn ſie ſo viel Macht
haben, Menſchen in Verzweiflung zu ſetzen, war-
um ſollten ſie dieſelbe nicht auch zu ihrer Beſſerung
anwenden koͤnnen. Die Lacedaͤmonier haben die
(*) Lace-
daemonii
Libros Ar-
chilochi e
civitate ſua
exportare
iuſſerunt.
Valer.
Max.
Buͤcher dieſes Dichters verboten. (*) Aus einer
Stelle des Valerius Maximus erhellet zugleich, daß
dieſe Satyren ſehr unflaͤtig muͤſſen geweſen ſeyn.

Das Buch der Epoden des Horaz iſt nach dem
Muſter der archilochiſchen Jamben geſchrieben. Der
Dichter ſagt:

Parios ego primus Iambos,
Oſtendi Latio, numeros animosque ſecutus

(*) Epiſt.
l.
19, 23.
Archilochi. (*)

Man findet bey Bayle (Archil. Anm. k) daß Lo-
renzo Fabri
angemerkt, Archilochus habe zuerſt an
ſtatt des Hexameters, der bis dahin der einzige
uͤbliche Vers geweſen, andre Versarten verſucht,
und dadurch den Griechen Gelegenheit gegeben, ſo
viel verſchiedene lyriſche Versarten zu erfinden.
Wie wol andere dem Alcmann dieſe Erfindung zu-
ſchreiben. S. Versart

Argonautica.

Ein epiſches Gedicht des Apollonius Rhodius, eines
der ſieben Dichter, die an dem Hofe des Ptolemaͤus
Philadelphus gelebt haben. Es iſt groͤßtentheils
in dem wirthſchaftlichen Ton geſchrieben, welchen
der vertraulichſte Umgang ſolcher Perſonen, die in
einem Schiff eingeſchloſſen ſind, erfodert. Man
kann mit dem Lichte zufrieden ſeyn, in welchem jede
Perſon nach ihrem abſonderlichen Charakter erſcheint.
Alle dieſe Charaktere lauffen in einigen allgemeinen
Zuͤgen zuſammen. Eine Art von alter Gottſelig-
keit oder Ehrfurcht fuͤr die Goͤtter, Eifer in ihrem
Dienſte, Freundſchaft und Gefaͤlligkeit gegen einander.
Jeder Held hat ſeine Rolle ſeinem Charakter gemaͤß,
und alle dieſe Rollen beziehen ſich auf das Schiff und
auf das geſuchte Vlies. Dadurch werden wir im-
mer auf die allgemeine Angelegenheit zuruͤck ge-
fuͤhrt, und dadurch bekoͤmmt das Werk eine Ein-
heit. Juno hat die Hand in der Unternehmung,
und leitet ihre Fahrt. Die Helden ſind, ohne es
ſelbſt zu wiſſen, ihre Werkzeuge. Jn der Aus-
bildung der belebten und lebloſen Stuͤke hat der
Dichter durch die Auszeichnung ſehr genauer Um-
ſtaͤnde ein helles und angenehmes Licht auf ſein Ge-
[Spaltenumbruch]

Arg Ari
dicht geworfen. Fuͤr Leſer, welche die Geſtalt des
menſchlichen Gemuͤthes und Verſtandes gerne bis
in die entfernteſte Zeiten verfolgen, liegt hier eine
reiche Erndte, vornehmlich von Glaubenslehren,
Stiftungen der Tempel, Opfergebraͤuchen und hei-
ligen Plaͤtzen. Virgil hat mit dem Apollonius ge-
rungen, indem er die Liebe der Dido nach der Liebe
der Medea gebildet hat. Es iſt ſchweer zu behaup-
ten, daß der Roͤmer geſiegt habe. Longinus giebt
der Jlias den Vorzug vor der Argonautika, wie er
ihn dieſem Gedichte vor der Odyſſea giebt. Er hat
aber kaum etwas mehrers geſagt, als daß die Ar-
gonautika und die Odyſſea nicht ſo brauſend ſeyn,
als die Jlias.

Dieſe Materie hatten ſich auch verſchiedene roͤ-
miſche Dichter gewaͤhlt, von denen aber nur einer,
naͤmlich Valerius Flaccus, auf unſre Zeiten gekom-
men iſt. Seine Argonautica haben kein großes
Aufſehen gemacht.

Arie.
(Muſik.)

Vom italiaͤniſchen Aria. Dieſes Wort wird ſo
wol in der Dichtkunſt, als in der Muſik gebraucht.
Dort bedeutet es eine Strophe oder Syſtem von
etlichen kurzen lyriſchen Verſen, die insgemein aus
zwey Abtheilungen beſteht, um von einem einzigen
Saͤnger abgeſungen zu werden. Jn der Muſik
aber iſt die Arie das Singeſtuͤk, oder bemeldete
Strophe zum Singen in Noten geſetzt, oder wuͤrk-
lich abgeſungen.

Manchmal, werden die Empfindungen (in ei-
nem muſicaliſchen Drama) ſo ſtark, und die
Gemuͤthsbewegung wird ſo groß, daß wir eher
nicht zufrieden ſind, bis wir uns derſelben gaͤnz-
lich entladen, und das Herz recht weitlaͤuftig aus-
geſchuͤttet haben. Dieſes geſchieht nun in einer
Arie. Der Poet nimmt dazu ein lyriſches Sylben-
maaß; allein unter vielen Gedanken und Worten,
lieſt er nur einige wenige, und zwar diejenigen
aus, welche den Affekt gleichſam in einem kurzen
Jnbegriff ſchildern, oder doch dem Muſicus zu
deſſen voͤlliger Darſtellung Anlaß und Gelegenheit
geben.
(*) Dieſe wenige Worte enthalten die ganze(*) Krauſe
von der
muſikali-
ſchen Poe-
ſie. S. 129.

Theorie der Arie.

Weil ſie fuͤr einen foͤrmlichen, mit allen Verzie-
rungen der Muſik geſchmuͤkten Geſang verfertiget
wird, ſo iſt offenbar, daß ihr Jnhalt eine Ergieſ-

ſung
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[77/0089] Arc Arg Arg Ari gefolget. Dieſes Beyſpiel kann den Dichtern zu einer großen Lehre dienen. Wenn ſie ſo viel Macht haben, Menſchen in Verzweiflung zu ſetzen, war- um ſollten ſie dieſelbe nicht auch zu ihrer Beſſerung anwenden koͤnnen. Die Lacedaͤmonier haben die Buͤcher dieſes Dichters verboten. (*) Aus einer Stelle des Valerius Maximus erhellet zugleich, daß dieſe Satyren ſehr unflaͤtig muͤſſen geweſen ſeyn. (*) Lace- daemonii Libros Ar- chilochi e civitate ſua exportare iuſſerunt. Valer. Max. Das Buch der Epoden des Horaz iſt nach dem Muſter der archilochiſchen Jamben geſchrieben. Der Dichter ſagt: Parios ego primus Iambos, Oſtendi Latio, numeros animosque ſecutus Archilochi. (*) Man findet bey Bayle (Archil. Anm. k) daß Lo- renzo Fabri angemerkt, Archilochus habe zuerſt an ſtatt des Hexameters, der bis dahin der einzige uͤbliche Vers geweſen, andre Versarten verſucht, und dadurch den Griechen Gelegenheit gegeben, ſo viel verſchiedene lyriſche Versarten zu erfinden. Wie wol andere dem Alcmann dieſe Erfindung zu- ſchreiben. S. Versart Argonautica. Ein epiſches Gedicht des Apollonius Rhodius, eines der ſieben Dichter, die an dem Hofe des Ptolemaͤus Philadelphus gelebt haben. Es iſt groͤßtentheils in dem wirthſchaftlichen Ton geſchrieben, welchen der vertraulichſte Umgang ſolcher Perſonen, die in einem Schiff eingeſchloſſen ſind, erfodert. Man kann mit dem Lichte zufrieden ſeyn, in welchem jede Perſon nach ihrem abſonderlichen Charakter erſcheint. Alle dieſe Charaktere lauffen in einigen allgemeinen Zuͤgen zuſammen. Eine Art von alter Gottſelig- keit oder Ehrfurcht fuͤr die Goͤtter, Eifer in ihrem Dienſte, Freundſchaft und Gefaͤlligkeit gegen einander. Jeder Held hat ſeine Rolle ſeinem Charakter gemaͤß, und alle dieſe Rollen beziehen ſich auf das Schiff und auf das geſuchte Vlies. Dadurch werden wir im- mer auf die allgemeine Angelegenheit zuruͤck ge- fuͤhrt, und dadurch bekoͤmmt das Werk eine Ein- heit. Juno hat die Hand in der Unternehmung, und leitet ihre Fahrt. Die Helden ſind, ohne es ſelbſt zu wiſſen, ihre Werkzeuge. Jn der Aus- bildung der belebten und lebloſen Stuͤke hat der Dichter durch die Auszeichnung ſehr genauer Um- ſtaͤnde ein helles und angenehmes Licht auf ſein Ge- dicht geworfen. Fuͤr Leſer, welche die Geſtalt des menſchlichen Gemuͤthes und Verſtandes gerne bis in die entfernteſte Zeiten verfolgen, liegt hier eine reiche Erndte, vornehmlich von Glaubenslehren, Stiftungen der Tempel, Opfergebraͤuchen und hei- ligen Plaͤtzen. Virgil hat mit dem Apollonius ge- rungen, indem er die Liebe der Dido nach der Liebe der Medea gebildet hat. Es iſt ſchweer zu behaup- ten, daß der Roͤmer geſiegt habe. Longinus giebt der Jlias den Vorzug vor der Argonautika, wie er ihn dieſem Gedichte vor der Odyſſea giebt. Er hat aber kaum etwas mehrers geſagt, als daß die Ar- gonautika und die Odyſſea nicht ſo brauſend ſeyn, als die Jlias. Dieſe Materie hatten ſich auch verſchiedene roͤ- miſche Dichter gewaͤhlt, von denen aber nur einer, naͤmlich Valerius Flaccus, auf unſre Zeiten gekom- men iſt. Seine Argonautica haben kein großes Aufſehen gemacht. Arie. (Muſik.) Vom italiaͤniſchen Aria. Dieſes Wort wird ſo wol in der Dichtkunſt, als in der Muſik gebraucht. Dort bedeutet es eine Strophe oder Syſtem von etlichen kurzen lyriſchen Verſen, die insgemein aus zwey Abtheilungen beſteht, um von einem einzigen Saͤnger abgeſungen zu werden. Jn der Muſik aber iſt die Arie das Singeſtuͤk, oder bemeldete Strophe zum Singen in Noten geſetzt, oder wuͤrk- lich abgeſungen. Manchmal, werden die Empfindungen (in ei- nem muſicaliſchen Drama) ſo ſtark, und die Gemuͤthsbewegung wird ſo groß, daß wir eher nicht zufrieden ſind, bis wir uns derſelben gaͤnz- lich entladen, und das Herz recht weitlaͤuftig aus- geſchuͤttet haben. Dieſes geſchieht nun in einer Arie. Der Poet nimmt dazu ein lyriſches Sylben- maaß; allein unter vielen Gedanken und Worten, lieſt er nur einige wenige, und zwar diejenigen aus, welche den Affekt gleichſam in einem kurzen Jnbegriff ſchildern, oder doch dem Muſicus zu deſſen voͤlliger Darſtellung Anlaß und Gelegenheit geben. (*) Dieſe wenige Worte enthalten die ganze Theorie der Arie. (*) Krauſe von der muſikali- ſchen Poe- ſie. S. 129. Weil ſie fuͤr einen foͤrmlichen, mit allen Verzie- rungen der Muſik geſchmuͤkten Geſang verfertiget wird, ſo iſt offenbar, daß ihr Jnhalt eine Ergieſ- ſung K 3

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/89>, abgerufen am 24.04.2024.