Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Ede Eig es überaus selten ist, daß ein deutscher Patriot ohneroth zu werden, Leute von feinem Geschmak un- ter den Zuschauern erbliket; so sehr ofte fallen sowol die Dichter, als die Schauspieler in das gemeine, und wol gar in das pöbelhafte; oder auch in das verstiegene und in das kindische. Wir haben also sehr grosse Ursache, die alten und die besten der neuern Ausländer noch nicht von der Hand zu legen, sondern sie so lange zu Mustern zu nehmen, bis un- ser Geschmak eine reifere Ausbildung wird bekom- men haben. Eigenthümliche Farbe. (Mahlerey.) Mit diesem Worte bezeichnen wir das, was man Eben so groß wird die Mannigfaltigkeit der ei- Eig Lampe, oder einer Wachskerze, oder das blaueLicht des Himmels. Denn das ursprüngliche Licht, welches auf den Körper fällt, hat schon eine herr- schende Farbe, und ist entweder weiß, gelb, roth, blau oder von andrer Art, und muß demnach noth- wendig der Farbe des Körpers ein anderes Anse- hen geben. Drittens wird die eigenthümliche Farbe des Kör- Die Farbe eines jeden im Gemählde vorkommen- Diese Wissenschaft betrift zwey Hauptpunkte, die begreife.
[Spaltenumbruch] Ede Eig es uͤberaus ſelten iſt, daß ein deutſcher Patriot ohneroth zu werden, Leute von feinem Geſchmak un- ter den Zuſchauern erbliket; ſo ſehr ofte fallen ſowol die Dichter, als die Schauſpieler in das gemeine, und wol gar in das poͤbelhafte; oder auch in das verſtiegene und in das kindiſche. Wir haben alſo ſehr groſſe Urſache, die alten und die beſten der neuern Auslaͤnder noch nicht von der Hand zu legen, ſondern ſie ſo lange zu Muſtern zu nehmen, bis un- ſer Geſchmak eine reifere Ausbildung wird bekom- men haben. Eigenthuͤmliche Farbe. (Mahlerey.) Mit dieſem Worte bezeichnen wir das, was man Eben ſo groß wird die Mannigfaltigkeit der ei- Eig Lampe, oder einer Wachskerze, oder das blaueLicht des Himmels. Denn das urſpruͤngliche Licht, welches auf den Koͤrper faͤllt, hat ſchon eine herr- ſchende Farbe, und iſt entweder weiß, gelb, roth, blau oder von andrer Art, und muß demnach noth- wendig der Farbe des Koͤrpers ein anderes Anſe- hen geben. Drittens wird die eigenthuͤmliche Farbe des Koͤr- Die Farbe eines jeden im Gemaͤhlde vorkommen- Dieſe Wiſſenſchaft betrift zwey Hauptpunkte, die begreife.
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Ede Eig
Eig
es uͤberaus ſelten iſt, daß ein deutſcher Patriot ohne
roth zu werden, Leute von feinem Geſchmak un-
ter den Zuſchauern erbliket; ſo ſehr ofte fallen ſowol
die Dichter, als die Schauſpieler in das gemeine,
und wol gar in das poͤbelhafte; oder auch in das
verſtiegene und in das kindiſche. Wir haben alſo
ſehr groſſe Urſache, die alten und die beſten der
neuern Auslaͤnder noch nicht von der Hand zu legen,
ſondern ſie ſo lange zu Muſtern zu nehmen, bis un-
ſer Geſchmak eine reifere Ausbildung wird bekom-
men haben.
Eigenthuͤmliche Farbe.
(Mahlerey.)
Mit dieſem Worte bezeichnen wir das, was man
ſonſt Localfarbe nennt, naͤmlich die natuͤrliche Farbe
eines Koͤrpers, z. E. die rothe Farbe eines Kleides
von Scharlach, in ſo fern ſie durch den Ort, wo
der Koͤrper ſteht, in ihrer Art eingeſchraͤnkt wird.
Wenn man die Wiſſenſchaft der Localfarben recht
verſtehen will, ſo bedenke man zuvoderſt, daß die
Farbe eines jeden Koͤrpers nichts anders ſey, als
ein auf ihn fallendes und von ihm ins Auge prallen-
des Licht. Dieſes kann von unendlich verſchiedener
Art ſeyn, ſowol in Anſehung der Staͤrke, als in
Anſehung ſeiner uͤbrigen Eigenſchaften. Wenn das
helleſte Sonnenlicht auf einen Koͤrper faͤllt, ſo giebt
es ihm eine andre Farbe, als wenn es ſchwaͤcher iſt,
und jeder Grad der Staͤrke dieſes Sonnenlichtes
bringt im Koͤrper eine andere Farbe hervor, ob ſie
gleich von derſelben Art bleibt. Daſſelbe Stuͤk
Scharlach hat eine andre Farbe, wenn die Sonne
ſehr hell darauf ſcheiner, als wenn ſie ſchwach ſchei-
net; und in dieſem Fall wieder eine andre, als wenn
das bloſſe Tageslicht darauf faͤllt; und auch in die-
ſem wieder eine andre, wenn der Tag heller iſt, als
wenn er dunkel iſt, anders wenn das hellere oder
dunklere Tageslicht unmittelbar darauf faͤllt, oder
es erſt durch vielerley Abprellungen trift. Dennoch
wird es immer Scharlach genennt, weil es nicht
moͤglich waͤre, dieſe unzaͤhligen Grade der Schar-
lachfarbe mit ſo viel verſchiedenen Namen zu be-
nennen.
Eben ſo groß wird die Mannigfaltigkeit der ei-
genthuͤmlichen Farbe des Koͤrpers durch die ver-
ſchiedene Arten ſowol des urſpruͤnglichen, als des
zuruͤk geworfenen Lichts. Das Sonnenlicht giebt
dem Koͤrper eine andre Farbe, als das Licht einer
Lampe, oder einer Wachskerze, oder das blaue
Licht des Himmels. Denn das urſpruͤngliche Licht,
welches auf den Koͤrper faͤllt, hat ſchon eine herr-
ſchende Farbe, und iſt entweder weiß, gelb, roth,
blau oder von andrer Art, und muß demnach noth-
wendig der Farbe des Koͤrpers ein anderes Anſe-
hen geben.
Drittens wird die eigenthuͤmliche Farbe des Koͤr-
pers durch die Vermiſchung mehrerer Arten des
Lichts wieder neu eingeſchraͤnkt. Es kann roͤthli-
ches und blauliches Licht zugleich auf den Koͤrper
fallen. Die Vermiſchung beyder bringt eine abge-
aͤnderte Farbe hervor. Endlich aͤndert ſich die Farbe
auch nach Beſchaffenheit des Raums, der zwiſchen
dem Aug und dem Koͤrper iſt. Das Licht der auf-
oder untergehenden Sonne iſt ganz anders, als das
Licht der hohen Mittagsſonne, weil es durch eine
mehr mit Duͤnſten angefuͤllte Luft geht; und das
Licht des Koͤrpers, das durch ein gefaͤrbtes Glas in
die Augen faͤllt, iſt ganz anders, als wenn es blos
durch die Luft geht; in der Luft anders, wenn ſie
rein als wenn ſie voll Duͤnſte iſt, anders wenn der
Koͤrper entfernt, als wenn er nahe iſt.
Die Farbe eines jeden im Gemaͤhlde vorkommen-
den Koͤrpers, in ſo fern ſie durch alle dieſe Umſtaͤnde
eingeſchraͤnkt wird, iſt das, was die Mahler die
Localfarbe, und wir die eigenthuͤmliche Farbe deſſelben
nennen. Die eigenthuͤmlichen Farben aller einzeln
Gegenſtaͤnden eines Gemaͤhldes, in eine einzige Haupt-
erleuchtung geſchikt verbunden, machen die Harmonie
der Farben aus. Mithin kann dieſe, und folglich
die Einheit in der Farbe und die allgemeine Hal-
tung, ohne die Wiſſenſchaft der Localfarben nicht
erreicht werden.
Dieſe Wiſſenſchaft betrift zwey Hauptpunkte, die
eigenthuͤmliche Farbe jedes einzeln Gegenſtandes muß
wahrhaft, oder natuͤrlich ſeyn; zugleich aber muß
ſie eine gute Wuͤrkung zur Haltung des Ganzen
thun. Jener Punkt betrift die Wiſſenſchaft, die fuͤr
einen Gegenſtand gewaͤhlte Farbe, nach Beſchaffenheit
des Lichts und der Erleuchtung zu beſtimmen. Wenn
man z. B. angenommen hat, daß eine Figur des
Gemaͤhldes einen Purpurmantel zur Bekleidung ha-
ben ſoll, ſo iſt zu uͤberlegen, welcher Grad der
Purpurfarbe ſowol an hellen, als an dunkeln Stel-
len genommen werden ſoll. Man ſieht, daß dieſe
Frage die ganze Farbenmiſchung, die Wiſſenſchaft
der Wiederſcheine und der Schattirungen in ſich
begreife.
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