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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Schimpfwörtern anzugreifen. Dieser Muthwillen
gehörte mit zu der Festfreyheit, und blieb |hernach
der sogenannten alten Comödie; so daß Aristopha-
nes auf der Schaubühne, an den festlichen Tagen,
da die Comödien aufgeführt wurden, Dinge sagen
durfte, die er gewiß auf der Strasse, oder an an-
dern Tagen, ohne schweere Strafe nicht würde ge-
sagt haben. Man konnte ihn deshalb nicht belan-
gen, weil ein Gesetz oder eine alte Gewohnheit diese
Freyheit rechtfertigte. Diese Muthmassung wird
noch dadurch bestätiget, daß die Freyheit der alten
Comödie durch ein förmliches Gesetz aufgehoben wor-
den, welches nicht nöthig gewesen wäre, wenn sie
nicht vorher durch ein Gesetz oder etwas eben so
mächtiges, wäre gut geheissen worden.

Erwähntes Gesetz brachte die zweyte Form der Co-
mödie auf, welche die mittlere Comödie genennt wird.
Die nunmehr aristocratisch gewordene Regierung in
Athen verboth, würklich lebende Personen aufzufüh-
ren. Man stellte also wahre Begebenheiten unter
verdekten oder fremden Namen vor, sonst behielt
die Comödie die vorige beissende Art. Sie war also
sehr wenig von der ersten unterschieden, weil die
Handlung und Personen so geschildert wurden, daß
niemand sie verkennen konnte. Aristophanes und
andre, die in der mittlern Comödie geschrieben haben,
wußten also das Gesetz zu hintergehen, und blieben eben
so ausgelassen wie vorher; nur mit dem Unterschied,
daß ihre Personen nicht mehr unter ihren wahren Na-
men erschienen. Da also das Gesetz nicht kräftig
genug war, die Ausgelassenheit der Dichter einzu-
schränken, so wurd endlich durch ein neues Gesetz
die Art der Comödie völlig verändert.

Dieses gab zu der neuen Comödie der Griechen
Gelegenheit. Sie durfte keine würkliche Begeben-
heit mehr zum Grund der Handlung nehmen. Die
Personen und Sachen mußten erdichtet seyn, so wie
sie in der heutigen Comödie sind. Da nun derglei-
chen erdichtete Begebenheiten sehr viel weniger Rei-
zung haben, als das Würkliche, was man selbst er-
lebt hat, so mußten die Dichter den Abgang dieser
Reizung durch die künstlichen Verwiklungen und alle
mechanische Bearbeitung des Plans ersetzen. Da-
durch wurd also die Comödie erst zu einem wahren
Kunstwerk, das nach einem Plan und nach Regeln
mußte bearbeitet werden, Unter den Griechen hat
Menander den größten Ruhm in der neuen Comö-
die erlangt, und wie es scheint, fürtrefliche Mei-
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Com
sterstüke auf die Bühne gebracht. Die Fragmente
davon geben uns einen hohen Begriff von der Für-
treflichkeit dieses Dichters, und lassen uns den Ver-
lust seiner Werke desto lebhafter empfinden.

Es scheinet, daß in dem eigentlichen Griechen-
land nur Athen die rechte Comödie gehabt habe.
Jch besinne mich nicht, irgendwo gelesen zu haben,
wie lange sie gedauret. Die Römer fiengen erst
viel später, nämlich im 514 Jahr der Stadt,
oder in der 135 Olympias an, diese Spiele ein-
zuführen. Sie wurden auch an heiligen Feyertagen
gespielt, und, wie Livius berichtet, als Mittel zur
Versöhnung der erzürnten Götter angesehen (*).(*) Ludi
scenici in-
ter alia coe-
lestis irae
placamina
instituti
dicuntur.
Primi sce-
nici ex
Hetruria
acciti.

Sie empfiengen sie von den Etruskern. Bey was
für einer Gelegenheit aber diese sie eingeführt, oder
von welchem Volke sie nach Etrurien gekommen sey,
ist unbekannt. Die ersten Comödiendichter in Rom
waren Livius Andronicus, Nävius und nach ihm
Ennius, welche zugleich Dichter und Schauspieler
waren. Die Form ihrer Comödie ist unbekannt.
Cicero urtheilte, daß die Comödien des Livius nicht
könnten zum zweytenmal gelesen werden (*). Kurz(*) Livia-
nae fabu-
lae non sa-
tis dignae
quae iter-
um le-
gantur.
de Clar.
Orator.

auf den Ennius folgten Plautus und Cäcilius; diese
nahmen ihre Comödien, so wie Terentius, der nach
ihnen gekommen ist, aus den griechischen Dichtern
der neuern Comödie, die sie zum Theil frey über-
setzten. Zu des Augustus Zeiten war Afranius vor-
züglich der Comödie halber berühmt, von dem
aber nichts übrig geblieben. Er unterscheidete
sich vom Terentius darin, daß seine Personen Rö-
mer waren, da jener nur griechische Personen aufge-
führt hat.

Die römische Comödie wurd nach der Verschie-
denheit der Personen, in verschiedene Arten eingetheilt.
Sie hatten Comoedias praetextas, Trabeatas, To-
gatas
und Tabernarias. Die beyden erstern hatten
ihre Namen davon, daß sie Personen, die in den vor-
nehmsten öffentlichen Aemtern stunden, und die
ihrer Kleidung halber Praetextati und Trabeati
hiessen, vorstelleten. Die Togata führte Per-
sonen in der Toga auf, welches die Kleidung der
vornehmen Privatpersonen war. Jn der Taber-
naria
wurden die Personen aus dem gemeinen Hau-
fen genommen. Von dieser Comödie waren wieder
zwey Arten, die Atellana, welche ihren Namen von
der Stadt Atella hatte, und die Palliata von dem
griechischen Mantel, womit die spielenden Personen
gekleidet waren, also genennt.

Von

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Com
Schimpfwoͤrtern anzugreifen. Dieſer Muthwillen
gehoͤrte mit zu der Feſtfreyheit, und blieb |hernach
der ſogenannten alten Comoͤdie; ſo daß Ariſtopha-
nes auf der Schaubuͤhne, an den feſtlichen Tagen,
da die Comoͤdien aufgefuͤhrt wurden, Dinge ſagen
durfte, die er gewiß auf der Straſſe, oder an an-
dern Tagen, ohne ſchweere Strafe nicht wuͤrde ge-
ſagt haben. Man konnte ihn deshalb nicht belan-
gen, weil ein Geſetz oder eine alte Gewohnheit dieſe
Freyheit rechtfertigte. Dieſe Muthmaſſung wird
noch dadurch beſtaͤtiget, daß die Freyheit der alten
Comoͤdie durch ein foͤrmliches Geſetz aufgehoben wor-
den, welches nicht noͤthig geweſen waͤre, wenn ſie
nicht vorher durch ein Geſetz oder etwas eben ſo
maͤchtiges, waͤre gut geheiſſen worden.

Erwaͤhntes Geſetz brachte die zweyte Form der Co-
moͤdie auf, welche die mittlere Comoͤdie genennt wird.
Die nunmehr ariſtocratiſch gewordene Regierung in
Athen verboth, wuͤrklich lebende Perſonen aufzufuͤh-
ren. Man ſtellte alſo wahre Begebenheiten unter
verdekten oder fremden Namen vor, ſonſt behielt
die Comoͤdie die vorige beiſſende Art. Sie war alſo
ſehr wenig von der erſten unterſchieden, weil die
Handlung und Perſonen ſo geſchildert wurden, daß
niemand ſie verkennen konnte. Ariſtophanes und
andre, die in der mittlern Comoͤdie geſchrieben haben,
wußten alſo das Geſetz zu hintergehen, und blieben eben
ſo ausgelaſſen wie vorher; nur mit dem Unterſchied,
daß ihre Perſonen nicht mehr unter ihren wahren Na-
men erſchienen. Da alſo das Geſetz nicht kraͤftig
genug war, die Ausgelaſſenheit der Dichter einzu-
ſchraͤnken, ſo wurd endlich durch ein neues Geſetz
die Art der Comoͤdie voͤllig veraͤndert.

Dieſes gab zu der neuen Comoͤdie der Griechen
Gelegenheit. Sie durfte keine wuͤrkliche Begeben-
heit mehr zum Grund der Handlung nehmen. Die
Perſonen und Sachen mußten erdichtet ſeyn, ſo wie
ſie in der heutigen Comoͤdie ſind. Da nun derglei-
chen erdichtete Begebenheiten ſehr viel weniger Rei-
zung haben, als das Wuͤrkliche, was man ſelbſt er-
lebt hat, ſo mußten die Dichter den Abgang dieſer
Reizung durch die kuͤnſtlichen Verwiklungen und alle
mechaniſche Bearbeitung des Plans erſetzen. Da-
durch wurd alſo die Comoͤdie erſt zu einem wahren
Kunſtwerk, das nach einem Plan und nach Regeln
mußte bearbeitet werden, Unter den Griechen hat
Menander den groͤßten Ruhm in der neuen Comoͤ-
die erlangt, und wie es ſcheint, fuͤrtrefliche Mei-
[Spaltenumbruch]

Com
ſterſtuͤke auf die Buͤhne gebracht. Die Fragmente
davon geben uns einen hohen Begriff von der Fuͤr-
treflichkeit dieſes Dichters, und laſſen uns den Ver-
luſt ſeiner Werke deſto lebhafter empfinden.

Es ſcheinet, daß in dem eigentlichen Griechen-
land nur Athen die rechte Comoͤdie gehabt habe.
Jch beſinne mich nicht, irgendwo geleſen zu haben,
wie lange ſie gedauret. Die Roͤmer fiengen erſt
viel ſpaͤter, naͤmlich im 514 Jahr der Stadt,
oder in der 135 Olympias an, dieſe Spiele ein-
zufuͤhren. Sie wurden auch an heiligen Feyertagen
geſpielt, und, wie Livius berichtet, als Mittel zur
Verſoͤhnung der erzuͤrnten Goͤtter angeſehen (*).(*) Ludi
ſcenici in-
ter alia coe-
leſtis irae
placamina
inſtituti
dicuntur.
Primi ſce-
nici ex
Hetruria
acciti.

Sie empfiengen ſie von den Etruskern. Bey was
fuͤr einer Gelegenheit aber dieſe ſie eingefuͤhrt, oder
von welchem Volke ſie nach Etrurien gekommen ſey,
iſt unbekannt. Die erſten Comoͤdiendichter in Rom
waren Livius Andronicus, Naͤvius und nach ihm
Ennius, welche zugleich Dichter und Schauſpieler
waren. Die Form ihrer Comoͤdie iſt unbekannt.
Cicero urtheilte, daß die Comoͤdien des Livius nicht
koͤnnten zum zweytenmal geleſen werden (*). Kurz(*) Livia-
nae fabu-
lae non ſa-
tis dignae
quae iter-
um le-
gantur.
de Clar.
Orator.

auf den Ennius folgten Plautus und Caͤcilius; dieſe
nahmen ihre Comoͤdien, ſo wie Terentius, der nach
ihnen gekommen iſt, aus den griechiſchen Dichtern
der neuern Comoͤdie, die ſie zum Theil frey uͤber-
ſetzten. Zu des Auguſtus Zeiten war Afranius vor-
zuͤglich der Comoͤdie halber beruͤhmt, von dem
aber nichts uͤbrig geblieben. Er unterſcheidete
ſich vom Terentius darin, daß ſeine Perſonen Roͤ-
mer waren, da jener nur griechiſche Perſonen aufge-
fuͤhrt hat.

Die roͤmiſche Comoͤdie wurd nach der Verſchie-
denheit der Perſonen, in verſchiedene Arten eingetheilt.
Sie hatten Comoedias praetextas, Trabeatas, To-
gatas
und Tabernarias. Die beyden erſtern hatten
ihre Namen davon, daß ſie Perſonen, die in den vor-
nehmſten oͤffentlichen Aemtern ſtunden, und die
ihrer Kleidung halber Praetextati und Trabeati
hieſſen, vorſtelleten. Die Togata fuͤhrte Per-
ſonen in der Toga auf, welches die Kleidung der
vornehmen Privatperſonen war. Jn der Taber-
naria
wurden die Perſonen aus dem gemeinen Hau-
fen genommen. Von dieſer Comoͤdie waren wieder
zwey Arten, die Atellana, welche ihren Namen von
der Stadt Atella hatte, und die Palliata von dem
griechiſchen Mantel, womit die ſpielenden Perſonen
gekleidet waren, alſo genennt.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/234>, abgerufen am 25.04.2024.