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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Com Con

Von dem ersten Anfang der neuen Comödie wis-
sen wir wenig zuverläßiges. Wir vermuthen, daß
entweder in Jtalien sich etwas von der römischen
Comödie durch alle Jahrhunderte der mittlern Zei-
ten, erhalten habe, und daß nachher, da der Ge-
schmak wieder anfieng etwas empor zu kommen, die
Comödie wieder nach und nach sich der alten Form
genähert habe. Es kann aber auch wol seyn, daß
sie bey einigen neuen Völkern ohne Nachahmung,
ohngefähr so entstanden ist, wie ehemals in Grie-
chenland. Es verlohnt sich auch kaum der Mühe,
in der Untersuchung über den Ursprung und den Fort-
gang der Comödie unter den neuern Völkern, über
das XVI. Jahrhundert hinauf zu steigen, da man
weiß, daß die Schaubühne dieses Jahrhunderts
nichts, als elende und ganz unförmliche Possenspiele
gezeiget hat. Jndessen verdienet doch angemerkt zu
werden, daß schon unter dem Pabst Leo X. der be-
rühmte Machiavel ein Paar Comödien verfertiget
hat, in denen der Geist des Terentius nicht ganz
vermißt wird, und daß sogar eine noch ältere fran-
zösische Comödie, von der Gattung des niedrig
Comischen, l'Avocat Patelin genannt, sich noch bis
auf diesen Tag auf der französischen Schaubühne
erhält. Erst mit dem XVII. Jahrhundert bekam
die Comödie wieder eine erträgliche Gestalt; wiewol
anfänglich die größte Schönheit desselben in listigen
Ränken, seltsamen Zufällen, Verkleidungen und
Verkennung der Personen, und in nächtlichen Aben-
theuern gesucht wurd. Jn dieser Art haben sich
vorzüglich die spanischen Dichter hervorgethan.

Endlich kam um die Mitte des vorigen Jahrhun-
derts die Comödie in einer bessern, und der Würde
dieses Schauspiels anständigern, Gestalt hervor.
Jn Frankreich brachte Moliere Stüke auf die Bühne,
davon verschiedene werden gespielt werden, so lange
die comische Schaubühne selbst bestehen wird. Das
gegenwärtige Jahrhundert hat die Comödien von
ernsthaftem, zärtlichen und ins Traurige fallenden
Jnhalt hervorgebracht. Aber auch in den höhern Co-
mischen scheint man noch nicht überall das Vorurtheil,
daß die Comödie ein Possenspiel sey, abgelegt zu haben,
da man noch immer| in den ernsthaftesten Stüken lustige
Bediente und näkische Cammermädchen antrift.

Concert.
(Musik.)

Dieses Wort hat zweyerley Bedeutung. Es be-
zeichnet eine Versammlung von Tonkünstlern, die
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Con
zusammen eine Musik aufführen; und bedeutet auch
eine besondere Gattung des Tonstüks. Jm ersten
Sinn sagt man: Es ist heute Concert bey Hofe;
ein wöchentliches Concert.
Jm andern Sinn wird
das Wort genommen, wenn man sagt: Er hat ein
Violin- oder Flötenconcert, gemacht.
Jn fol-
genden Anmerkungen wird das Wort in dieser zwey-
ten Bedeutung genommen.

Die Concerte sind von zweyerley Gattung; die
von den Jtaliänern durch die Namen Concerto grosso
und Concerto di Camera, unterschieden werden.
Das erste hat mehrere Hauptstimmen, damit ver-
schiedene Jnstrumente mit einander gleichsam strei-
ten; und eben daher, (nämlich von dem Wort con-
certare
) hat diese Art der Musik ihren Namen. Jn
solchen Stüken ist eine beständige Abwechslung der
Jnstrumente, da bald dieses, bald ein anders den
Hauptgesang oder die Hauptstimme führt, bald alle
zusammen eintreten. Die Hauptstimmen wechseln
so gegen einander ab, daß das, was das eine Jn-
strument gespielt hat, von einem andern nach der
ihm eigenen Art, bald freyer, bald genauer nach-
geahmet wird. Zu Verfertigung solcher Concerte
also hat der Tonsetzer alle Künste des Contrapunkts (*)(*) S.
Contra-
punkt.

nöthig; und da überhaupt die Arbeit mühsam und
weitläuftig ist, so findet sich selten ein Tonsetzer, der
sich damit abgiebt; daher solche Concerte, besonders
in Deutschland, ungewöhnlich sind.

Das gemeine Cammerconcert kommt desto häu-
figer vor, weil jeder Virtuos glaubt, durch ein sol-
ches Concert die beste Gelegenheit zu haben, seine
Geschiklichkeit zu zeigen. Ein solches Concert ist also
für ein besonderes Jnstrument, das Clavier, die
Violine, die Flöte, die Baßgeige, die Gambe u. s. f.
gemacht, welches die Hauptstimme des Tonstüks
führet. Die Einrichtung desselben ist, nach dem,
was itzt gewöhnlich ist, folgende. Es besteht aus
drey Haupttheilen, davon der erste ein Allegro, der
zweyte ein Adagio oder Andante, und der dritte wie-
der ein Allegro oder Presto ist. Der erste Theil ist
insgemein der längste, der letzte der kürzeste, und
man kann sich von der Grösse eines solchen Ton-
stüks aus dem ohngefehren Zeitmaasse, das Quantz
dafür angiebt, einen Begriff machen. Nach seiner
Bemerkung hat das Concert die beste Grösse, wenn
der erste Theil etwa fünf Minuten lang, der andre
fünf bis sechs, und der dritte drey bis vier Minu-

ten,
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Com Con

Von dem erſten Anfang der neuen Comoͤdie wiſ-
ſen wir wenig zuverlaͤßiges. Wir vermuthen, daß
entweder in Jtalien ſich etwas von der roͤmiſchen
Comoͤdie durch alle Jahrhunderte der mittlern Zei-
ten, erhalten habe, und daß nachher, da der Ge-
ſchmak wieder anfieng etwas empor zu kommen, die
Comoͤdie wieder nach und nach ſich der alten Form
genaͤhert habe. Es kann aber auch wol ſeyn, daß
ſie bey einigen neuen Voͤlkern ohne Nachahmung,
ohngefaͤhr ſo entſtanden iſt, wie ehemals in Grie-
chenland. Es verlohnt ſich auch kaum der Muͤhe,
in der Unterſuchung uͤber den Urſprung und den Fort-
gang der Comoͤdie unter den neuern Voͤlkern, uͤber
das XVI. Jahrhundert hinauf zu ſteigen, da man
weiß, daß die Schaubuͤhne dieſes Jahrhunderts
nichts, als elende und ganz unfoͤrmliche Poſſenſpiele
gezeiget hat. Jndeſſen verdienet doch angemerkt zu
werden, daß ſchon unter dem Pabſt Leo X. der be-
ruͤhmte Machiavel ein Paar Comoͤdien verfertiget
hat, in denen der Geiſt des Terentius nicht ganz
vermißt wird, und daß ſogar eine noch aͤltere fran-
zoͤſiſche Comoͤdie, von der Gattung des niedrig
Comiſchen, l’Avocat Patelin genannt, ſich noch bis
auf dieſen Tag auf der franzoͤſiſchen Schaubuͤhne
erhaͤlt. Erſt mit dem XVII. Jahrhundert bekam
die Comoͤdie wieder eine ertraͤgliche Geſtalt; wiewol
anfaͤnglich die groͤßte Schoͤnheit deſſelben in liſtigen
Raͤnken, ſeltſamen Zufaͤllen, Verkleidungen und
Verkennung der Perſonen, und in naͤchtlichen Aben-
theuern geſucht wurd. Jn dieſer Art haben ſich
vorzuͤglich die ſpaniſchen Dichter hervorgethan.

Endlich kam um die Mitte des vorigen Jahrhun-
derts die Comoͤdie in einer beſſern, und der Wuͤrde
dieſes Schauſpiels anſtaͤndigern, Geſtalt hervor.
Jn Frankreich brachte Moliere Stuͤke auf die Buͤhne,
davon verſchiedene werden geſpielt werden, ſo lange
die comiſche Schaubuͤhne ſelbſt beſtehen wird. Das
gegenwaͤrtige Jahrhundert hat die Comoͤdien von
ernſthaftem, zaͤrtlichen und ins Traurige fallenden
Jnhalt hervorgebracht. Aber auch in den hoͤhern Co-
miſchen ſcheint man noch nicht uͤberall das Vorurtheil,
daß die Comoͤdie ein Poſſenſpiel ſey, abgelegt zu haben,
da man noch immer| in den ernſthafteſten Stuͤken luſtige
Bediente und naͤkiſche Cammermaͤdchen antrift.

Concert.
(Muſik.)

Dieſes Wort hat zweyerley Bedeutung. Es be-
zeichnet eine Verſammlung von Tonkuͤnſtlern, die
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Con
zuſammen eine Muſik auffuͤhren; und bedeutet auch
eine beſondere Gattung des Tonſtuͤks. Jm erſten
Sinn ſagt man: Es iſt heute Concert bey Hofe;
ein woͤchentliches Concert.
Jm andern Sinn wird
das Wort genommen, wenn man ſagt: Er hat ein
Violin- oder Floͤtenconcert, gemacht.
Jn fol-
genden Anmerkungen wird das Wort in dieſer zwey-
ten Bedeutung genommen.

Die Concerte ſind von zweyerley Gattung; die
von den Jtaliaͤnern durch die Namen Concerto groſſo
und Concerto di Camera, unterſchieden werden.
Das erſte hat mehrere Hauptſtimmen, damit ver-
ſchiedene Jnſtrumente mit einander gleichſam ſtrei-
ten; und eben daher, (naͤmlich von dem Wort con-
certare
) hat dieſe Art der Muſik ihren Namen. Jn
ſolchen Stuͤken iſt eine beſtaͤndige Abwechslung der
Jnſtrumente, da bald dieſes, bald ein anders den
Hauptgeſang oder die Hauptſtimme fuͤhrt, bald alle
zuſammen eintreten. Die Hauptſtimmen wechſeln
ſo gegen einander ab, daß das, was das eine Jn-
ſtrument geſpielt hat, von einem andern nach der
ihm eigenen Art, bald freyer, bald genauer nach-
geahmet wird. Zu Verfertigung ſolcher Concerte
alſo hat der Tonſetzer alle Kuͤnſte des Contrapunkts (*)(*) S.
Contra-
punkt.

noͤthig; und da uͤberhaupt die Arbeit muͤhſam und
weitlaͤuftig iſt, ſo findet ſich ſelten ein Tonſetzer, der
ſich damit abgiebt; daher ſolche Concerte, beſonders
in Deutſchland, ungewoͤhnlich ſind.

Das gemeine Cammerconcert kommt deſto haͤu-
figer vor, weil jeder Virtuos glaubt, durch ein ſol-
ches Concert die beſte Gelegenheit zu haben, ſeine
Geſchiklichkeit zu zeigen. Ein ſolches Concert iſt alſo
fuͤr ein beſonderes Jnſtrument, das Clavier, die
Violine, die Floͤte, die Baßgeige, die Gambe u. ſ. f.
gemacht, welches die Hauptſtimme des Tonſtuͤks
fuͤhret. Die Einrichtung deſſelben iſt, nach dem,
was itzt gewoͤhnlich iſt, folgende. Es beſteht aus
drey Haupttheilen, davon der erſte ein Allegro, der
zweyte ein Adagio oder Andante, und der dritte wie-
der ein Allegro oder Preſto iſt. Der erſte Theil iſt
insgemein der laͤngſte, der letzte der kuͤrzeſte, und
man kann ſich von der Groͤſſe eines ſolchen Ton-
ſtuͤks aus dem ohngefehren Zeitmaaſſe, das Quantz
dafuͤr angiebt, einen Begriff machen. Nach ſeiner
Bemerkung hat das Concert die beſte Groͤſſe, wenn
der erſte Theil etwa fuͤnf Minuten lang, der andre
fuͤnf bis ſechs, und der dritte drey bis vier Minu-

ten,
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[223/0235] Com Con Con Von dem erſten Anfang der neuen Comoͤdie wiſ- ſen wir wenig zuverlaͤßiges. Wir vermuthen, daß entweder in Jtalien ſich etwas von der roͤmiſchen Comoͤdie durch alle Jahrhunderte der mittlern Zei- ten, erhalten habe, und daß nachher, da der Ge- ſchmak wieder anfieng etwas empor zu kommen, die Comoͤdie wieder nach und nach ſich der alten Form genaͤhert habe. Es kann aber auch wol ſeyn, daß ſie bey einigen neuen Voͤlkern ohne Nachahmung, ohngefaͤhr ſo entſtanden iſt, wie ehemals in Grie- chenland. Es verlohnt ſich auch kaum der Muͤhe, in der Unterſuchung uͤber den Urſprung und den Fort- gang der Comoͤdie unter den neuern Voͤlkern, uͤber das XVI. Jahrhundert hinauf zu ſteigen, da man weiß, daß die Schaubuͤhne dieſes Jahrhunderts nichts, als elende und ganz unfoͤrmliche Poſſenſpiele gezeiget hat. Jndeſſen verdienet doch angemerkt zu werden, daß ſchon unter dem Pabſt Leo X. der be- ruͤhmte Machiavel ein Paar Comoͤdien verfertiget hat, in denen der Geiſt des Terentius nicht ganz vermißt wird, und daß ſogar eine noch aͤltere fran- zoͤſiſche Comoͤdie, von der Gattung des niedrig Comiſchen, l’Avocat Patelin genannt, ſich noch bis auf dieſen Tag auf der franzoͤſiſchen Schaubuͤhne erhaͤlt. Erſt mit dem XVII. Jahrhundert bekam die Comoͤdie wieder eine ertraͤgliche Geſtalt; wiewol anfaͤnglich die groͤßte Schoͤnheit deſſelben in liſtigen Raͤnken, ſeltſamen Zufaͤllen, Verkleidungen und Verkennung der Perſonen, und in naͤchtlichen Aben- theuern geſucht wurd. Jn dieſer Art haben ſich vorzuͤglich die ſpaniſchen Dichter hervorgethan. Endlich kam um die Mitte des vorigen Jahrhun- derts die Comoͤdie in einer beſſern, und der Wuͤrde dieſes Schauſpiels anſtaͤndigern, Geſtalt hervor. Jn Frankreich brachte Moliere Stuͤke auf die Buͤhne, davon verſchiedene werden geſpielt werden, ſo lange die comiſche Schaubuͤhne ſelbſt beſtehen wird. Das gegenwaͤrtige Jahrhundert hat die Comoͤdien von ernſthaftem, zaͤrtlichen und ins Traurige fallenden Jnhalt hervorgebracht. Aber auch in den hoͤhern Co- miſchen ſcheint man noch nicht uͤberall das Vorurtheil, daß die Comoͤdie ein Poſſenſpiel ſey, abgelegt zu haben, da man noch immer| in den ernſthafteſten Stuͤken luſtige Bediente und naͤkiſche Cammermaͤdchen antrift. Concert. (Muſik.) Dieſes Wort hat zweyerley Bedeutung. Es be- zeichnet eine Verſammlung von Tonkuͤnſtlern, die zuſammen eine Muſik auffuͤhren; und bedeutet auch eine beſondere Gattung des Tonſtuͤks. Jm erſten Sinn ſagt man: Es iſt heute Concert bey Hofe; ein woͤchentliches Concert. Jm andern Sinn wird das Wort genommen, wenn man ſagt: Er hat ein Violin- oder Floͤtenconcert, gemacht. Jn fol- genden Anmerkungen wird das Wort in dieſer zwey- ten Bedeutung genommen. Die Concerte ſind von zweyerley Gattung; die von den Jtaliaͤnern durch die Namen Concerto groſſo und Concerto di Camera, unterſchieden werden. Das erſte hat mehrere Hauptſtimmen, damit ver- ſchiedene Jnſtrumente mit einander gleichſam ſtrei- ten; und eben daher, (naͤmlich von dem Wort con- certare) hat dieſe Art der Muſik ihren Namen. Jn ſolchen Stuͤken iſt eine beſtaͤndige Abwechslung der Jnſtrumente, da bald dieſes, bald ein anders den Hauptgeſang oder die Hauptſtimme fuͤhrt, bald alle zuſammen eintreten. Die Hauptſtimmen wechſeln ſo gegen einander ab, daß das, was das eine Jn- ſtrument geſpielt hat, von einem andern nach der ihm eigenen Art, bald freyer, bald genauer nach- geahmet wird. Zu Verfertigung ſolcher Concerte alſo hat der Tonſetzer alle Kuͤnſte des Contrapunkts (*) noͤthig; und da uͤberhaupt die Arbeit muͤhſam und weitlaͤuftig iſt, ſo findet ſich ſelten ein Tonſetzer, der ſich damit abgiebt; daher ſolche Concerte, beſonders in Deutſchland, ungewoͤhnlich ſind. (*) S. Contra- punkt. Das gemeine Cammerconcert kommt deſto haͤu- figer vor, weil jeder Virtuos glaubt, durch ein ſol- ches Concert die beſte Gelegenheit zu haben, ſeine Geſchiklichkeit zu zeigen. Ein ſolches Concert iſt alſo fuͤr ein beſonderes Jnſtrument, das Clavier, die Violine, die Floͤte, die Baßgeige, die Gambe u. ſ. f. gemacht, welches die Hauptſtimme des Tonſtuͤks fuͤhret. Die Einrichtung deſſelben iſt, nach dem, was itzt gewoͤhnlich iſt, folgende. Es beſteht aus drey Haupttheilen, davon der erſte ein Allegro, der zweyte ein Adagio oder Andante, und der dritte wie- der ein Allegro oder Preſto iſt. Der erſte Theil iſt insgemein der laͤngſte, der letzte der kuͤrzeſte, und man kann ſich von der Groͤſſe eines ſolchen Ton- ſtuͤks aus dem ohngefehren Zeitmaaſſe, das Quantz dafuͤr angiebt, einen Begriff machen. Nach ſeiner Bemerkung hat das Concert die beſte Groͤſſe, wenn der erſte Theil etwa fuͤnf Minuten lang, der andre fuͤnf bis ſechs, und der dritte drey bis vier Minu- ten,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/235>, abgerufen am 24.04.2024.