Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch]

Col
suche helfen. Aber in der Ausführung kostet es un-
endliche Sorgfalt.

Der Mensch ist der wichtigste Gegenstand der
Mahlerey; also wird auch vom Colorit der Theil,
der diesen Gegenstand insbesondre betrift, vorzüg-
(*) S.
Fleisch-
farbe.
lich zu studiren seyn. (*) Zum Glüke hat man da
die vollkommensten Muster in der Kunst vor sich.
Titian hat diesen Theil zur höchsten Schönheit und
bis zum Jdeal getrieben; und man kann, ohne die
Sache zu übertreiben, sagen, er habe die Natur
übertroffen. Van Dyk aber hat sie in ihrer Voll-
kommenheit erreicht. Beyde sollen in diesem Stük
die Lehrer des Coloristen seyn.

Wenn man bedenket, daß zu allen, zum Colorit
nöthigen Kenntnissen, wovon hier ein kurzer Abriß
gegeben worden, noch die aus langer Uebung ent-
(*) S.
Farben.
stehende Kenntniß der Farben (*), die man braucht,
ihre Behandlung und Mischung, ihre Dauer und
die durch die Zeit darin verursachte Veränderung,
die Handgriffe des Pensels hinzukommen müssen,
so wird man begreifen, wie schweer es sey, in die-
sem Theil der Kunst groß zu werden. Hier ist die
Maxime des Apelles, nulla dies sine linea, mehr,
als irgendwo nöthig, und nirgend ist die Kunst un-
erschöpflicher, als hier. Mit Vergnügen erinnere
ich mich hier, wie ich den berühmten Ant. Peisne,
einen der besten Coloristen unsrer Zeit, in einem
Alter von etlichen und siebenzig Jahren, so oft mit
dem Fleiß und Eifer eines Jünglings, der noch al-
les zu lernen hat, für einen höhern Grad der Voll-
kommenheit des Colorits habe studiren und arbeiten
gesehen.

Das Colorit kann bey seiner Vollkommenheit ver-
schiedene Charaktere annehmen. Titian, Correggio,
Giorgione,
haben die Schönheit desselben bis zum
Jdealen gebracht. Van Dyk und viele Niederlän-
der, die bekannt genug sind, haben darin das Na-
türliche in der höchsten Vollkommenheit erreicht;
und Rubens hat auch über die Natur etwas von dem
Feuer seines Genies hinzugethan. Jn einigen seiner
besten Stüke gränzet sein Colorit an das | Wun-
derbare. Claude Gillee, Nicolaus Berchem,
Cornel. Poelenburg,
und viele andre Landschaft-
mahler, haben das Liebliche des Colorits vorzüglich
erreicht. Für Rembrandts bezauberndes Colorit
finde ich keinen Namen. Doch macht es eine beson-
dere merkwürdige Art aus. Es giebt auch ein strenges
und ernsthaftes Colorit: gründlich könnte man
[Spaltenumbruch]

Col Com
das nennen, darin wenig ganz helles, unter dem
hellbraunen aber eine angenehme Mischung von blau,
grünlich und hellrothen ist. Zum Muster dieser Gat-
tung könnte man Titians Gemählde von der Sendung
des heil. Geistes in der Kirche Sta. Maria della sa-
lute
in Venedig, das ich aber nur nach einer Copey
beurtheile, anführen.

Eine vollkommenere Claßification des Colorits
würde, wenn es auch nur zur Erleichterung des
Ausdruks der Sprache wäre, nicht überflüßig seyn.
Wo man die Sachen nicht selbst vor Augen haben
kann, da sind die Namen von grossem Nutzen.
Man würde bisweilen dem Mahler gerne sagen,
daß er zu diesem Jnhalt ein Colorit von einer ge-
wissen Art wählen sollte, wenn nur die Art bestimmt
könnte genennt werden. Dieses würde zwar seine
Kunst nicht vermehren; aber wenn er die Kunst
besitzt, so würde er dieselbe bisweilen auf eine vor-
theilhafte Weise bestimmen.

Comisch.
(Schöne Künste.)

Jn dem eigentlichsten Sinn bedeutet dieses Wort
die Eigenschaft einer Sache, in sofern sie sich auf die
Comödie bezieht, wie in den Ausdrüken, die comi-
sche Schaubühne,
ein comischer Dichter. Daher
versteht man durch comische Charakteren, comische
Situationen,
solche, die sich zur Comödie gut schi-
ken. Die comische Materie ist die, welche sich zur
Comödie schiket, und die itzt, da dieses Schauspiel
so verschiedene Gestalten angenommen hat, in das
niedrige, mittlere und hohe Comische eingetheilt
wird. Das niedrige Comische ist eigentlich das Pos-
sierliche, das durch seine Ungereimtheit lächerlich ist.
Zum mittlern Comischen gehört die Materie, die
durch feinen Witz, so wie er unter Personen von
guter Lebensart im Gang ist, durch Handlungen
und Sitten der feinern Welt, und das, was die
Römer Urbanität nennten, ergötzend und angenehm
wird. Das hohe Comische ist der Jnhalt und Ton
der Comödie, der ans Trauerspiel gränzet, und wo
schon starke und ernsthafte Leidenschaften ins Spiel
kommen. Weil man fast durchgehends der Meinung
ist, daß das wesentliche der Comödie in dem Lustigen
und Lächerlichen bestehe, so hat der Ausdruk comisch
die besondere Bedeutung bekommen, kraft deren es
etwas lustiges und lächerliches bedeutet. Dieses
gehört zur Erklärung des Worts. Jn Ansehung der

Sache

[Spaltenumbruch]

Col
ſuche helfen. Aber in der Ausfuͤhrung koſtet es un-
endliche Sorgfalt.

Der Menſch iſt der wichtigſte Gegenſtand der
Mahlerey; alſo wird auch vom Colorit der Theil,
der dieſen Gegenſtand insbeſondre betrift, vorzuͤg-
(*) S.
Fleiſch-
farbe.
lich zu ſtudiren ſeyn. (*) Zum Gluͤke hat man da
die vollkommenſten Muſter in der Kunſt vor ſich.
Titian hat dieſen Theil zur hoͤchſten Schoͤnheit und
bis zum Jdeal getrieben; und man kann, ohne die
Sache zu uͤbertreiben, ſagen, er habe die Natur
uͤbertroffen. Van Dyk aber hat ſie in ihrer Voll-
kommenheit erreicht. Beyde ſollen in dieſem Stuͤk
die Lehrer des Coloriſten ſeyn.

Wenn man bedenket, daß zu allen, zum Colorit
noͤthigen Kenntniſſen, wovon hier ein kurzer Abriß
gegeben worden, noch die aus langer Uebung ent-
(*) S.
Farben.
ſtehende Kenntniß der Farben (*), die man braucht,
ihre Behandlung und Miſchung, ihre Dauer und
die durch die Zeit darin verurſachte Veraͤnderung,
die Handgriffe des Penſels hinzukommen muͤſſen,
ſo wird man begreifen, wie ſchweer es ſey, in die-
ſem Theil der Kunſt groß zu werden. Hier iſt die
Maxime des Apelles, nulla dies ſine linea, mehr,
als irgendwo noͤthig, und nirgend iſt die Kunſt un-
erſchoͤpflicher, als hier. Mit Vergnuͤgen erinnere
ich mich hier, wie ich den beruͤhmten Ant. Peisne,
einen der beſten Coloriſten unſrer Zeit, in einem
Alter von etlichen und ſiebenzig Jahren, ſo oft mit
dem Fleiß und Eifer eines Juͤnglings, der noch al-
les zu lernen hat, fuͤr einen hoͤhern Grad der Voll-
kommenheit des Colorits habe ſtudiren und arbeiten
geſehen.

Das Colorit kann bey ſeiner Vollkommenheit ver-
ſchiedene Charaktere annehmen. Titian, Correggio,
Giorgione,
haben die Schoͤnheit deſſelben bis zum
Jdealen gebracht. Van Dyk und viele Niederlaͤn-
der, die bekannt genug ſind, haben darin das Na-
tuͤrliche in der hoͤchſten Vollkommenheit erreicht;
und Rubens hat auch uͤber die Natur etwas von dem
Feuer ſeines Genies hinzugethan. Jn einigen ſeiner
beſten Stuͤke graͤnzet ſein Colorit an das | Wun-
derbare. Claude Gillee, Nicolaus Berchem,
Cornel. Poelenburg,
und viele andre Landſchaft-
mahler, haben das Liebliche des Colorits vorzuͤglich
erreicht. Fuͤr Rembrandts bezauberndes Colorit
finde ich keinen Namen. Doch macht es eine beſon-
dere merkwuͤrdige Art aus. Es giebt auch ein ſtrenges
und ernſthaftes Colorit: gruͤndlich koͤnnte man
[Spaltenumbruch]

Col Com
das nennen, darin wenig ganz helles, unter dem
hellbraunen aber eine angenehme Miſchung von blau,
gruͤnlich und hellrothen iſt. Zum Muſter dieſer Gat-
tung koͤnnte man Titians Gemaͤhlde von der Sendung
des heil. Geiſtes in der Kirche Sta. Maria della ſa-
lute
in Venedig, das ich aber nur nach einer Copey
beurtheile, anfuͤhren.

Eine vollkommenere Claßification des Colorits
wuͤrde, wenn es auch nur zur Erleichterung des
Ausdruks der Sprache waͤre, nicht uͤberfluͤßig ſeyn.
Wo man die Sachen nicht ſelbſt vor Augen haben
kann, da ſind die Namen von groſſem Nutzen.
Man wuͤrde bisweilen dem Mahler gerne ſagen,
daß er zu dieſem Jnhalt ein Colorit von einer ge-
wiſſen Art waͤhlen ſollte, wenn nur die Art beſtimmt
koͤnnte genennt werden. Dieſes wuͤrde zwar ſeine
Kunſt nicht vermehren; aber wenn er die Kunſt
beſitzt, ſo wuͤrde er dieſelbe bisweilen auf eine vor-
theilhafte Weiſe beſtimmen.

Comiſch.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Jn dem eigentlichſten Sinn bedeutet dieſes Wort
die Eigenſchaft einer Sache, in ſofern ſie ſich auf die
Comoͤdie bezieht, wie in den Ausdruͤken, die comi-
ſche Schaubuͤhne,
ein comiſcher Dichter. Daher
verſteht man durch comiſche Charakteren, comiſche
Situationen,
ſolche, die ſich zur Comoͤdie gut ſchi-
ken. Die comiſche Materie iſt die, welche ſich zur
Comoͤdie ſchiket, und die itzt, da dieſes Schauſpiel
ſo verſchiedene Geſtalten angenommen hat, in das
niedrige, mittlere und hohe Comiſche eingetheilt
wird. Das niedrige Comiſche iſt eigentlich das Poſ-
ſierliche, das durch ſeine Ungereimtheit laͤcherlich iſt.
Zum mittlern Comiſchen gehoͤrt die Materie, die
durch feinen Witz, ſo wie er unter Perſonen von
guter Lebensart im Gang iſt, durch Handlungen
und Sitten der feinern Welt, und das, was die
Roͤmer Urbanitaͤt nennten, ergoͤtzend und angenehm
wird. Das hohe Comiſche iſt der Jnhalt und Ton
der Comoͤdie, der ans Trauerſpiel graͤnzet, und wo
ſchon ſtarke und ernſthafte Leidenſchaften ins Spiel
kommen. Weil man faſt durchgehends der Meinung
iſt, daß das weſentliche der Comoͤdie in dem Luſtigen
und Laͤcherlichen beſtehe, ſo hat der Ausdruk comiſch
die beſondere Bedeutung bekommen, kraft deren es
etwas luſtiges und laͤcherliches bedeutet. Dieſes
gehoͤrt zur Erklaͤrung des Worts. Jn Anſehung der

Sache
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0224" n="212"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Col</hi></fw><lb/>
&#x017F;uche helfen. Aber in der Ausfu&#x0364;hrung ko&#x017F;tet es un-<lb/>
endliche Sorgfalt.</p><lb/>
          <p>Der Men&#x017F;ch i&#x017F;t der wichtig&#x017F;te Gegen&#x017F;tand der<lb/>
Mahlerey; al&#x017F;o wird auch vom Colorit der Theil,<lb/>
der die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand insbe&#x017F;ondre betrift, vorzu&#x0364;g-<lb/><note place="left">(*) S.<lb/>
Flei&#x017F;ch-<lb/>
farbe.</note>lich zu &#x017F;tudiren &#x017F;eyn. (*) Zum Glu&#x0364;ke hat man da<lb/>
die vollkommen&#x017F;ten Mu&#x017F;ter in der Kun&#x017F;t vor &#x017F;ich.<lb/><hi rendition="#fr">Titian</hi> hat die&#x017F;en Theil zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten Scho&#x0364;nheit und<lb/>
bis zum Jdeal getrieben; und man kann, ohne die<lb/>
Sache zu u&#x0364;bertreiben, &#x017F;agen, er habe die Natur<lb/>
u&#x0364;bertroffen. <hi rendition="#fr">Van Dyk</hi> aber hat &#x017F;ie in ihrer Voll-<lb/>
kommenheit erreicht. Beyde &#x017F;ollen in die&#x017F;em Stu&#x0364;k<lb/>
die Lehrer des Colori&#x017F;ten &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Wenn man bedenket, daß zu allen, zum Colorit<lb/>
no&#x0364;thigen Kenntni&#x017F;&#x017F;en, wovon hier ein kurzer Abriß<lb/>
gegeben worden, noch die aus langer Uebung ent-<lb/><note place="left">(*) S.<lb/>
Farben.</note>&#x017F;tehende Kenntniß der <hi rendition="#fr">Farben</hi> (*), die man braucht,<lb/>
ihre Behandlung und Mi&#x017F;chung, ihre Dauer und<lb/>
die durch die Zeit darin verur&#x017F;achte Vera&#x0364;nderung,<lb/>
die Handgriffe des Pen&#x017F;els hinzukommen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;o wird man begreifen, wie &#x017F;chweer es &#x017F;ey, in die-<lb/>
&#x017F;em Theil der Kun&#x017F;t groß zu werden. Hier i&#x017F;t die<lb/>
Maxime des <hi rendition="#fr">Apelles,</hi> <hi rendition="#aq">nulla dies &#x017F;ine linea,</hi> mehr,<lb/>
als irgendwo no&#x0364;thig, und nirgend i&#x017F;t die Kun&#x017F;t un-<lb/>
er&#x017F;cho&#x0364;pflicher, als hier. Mit Vergnu&#x0364;gen erinnere<lb/>
ich mich hier, wie ich den beru&#x0364;hmten <hi rendition="#fr">Ant. Peisne,</hi><lb/>
einen der be&#x017F;ten Colori&#x017F;ten un&#x017F;rer Zeit, in einem<lb/>
Alter von etlichen und &#x017F;iebenzig Jahren, &#x017F;o oft mit<lb/>
dem Fleiß und Eifer eines Ju&#x0364;nglings, der noch al-<lb/>
les zu lernen hat, fu&#x0364;r einen ho&#x0364;hern Grad der Voll-<lb/>
kommenheit des Colorits habe &#x017F;tudiren und arbeiten<lb/>
ge&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Das Colorit kann bey &#x017F;einer Vollkommenheit ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Charaktere annehmen. <hi rendition="#fr">Titian, Correggio,<lb/>
Giorgione,</hi> haben die Scho&#x0364;nheit de&#x017F;&#x017F;elben bis zum<lb/>
Jdealen gebracht. <hi rendition="#fr">Van Dyk</hi> und viele Niederla&#x0364;n-<lb/>
der, die bekannt genug &#x017F;ind, haben darin das Na-<lb/>
tu&#x0364;rliche in der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Vollkommenheit erreicht;<lb/>
und <hi rendition="#fr">Rubens</hi> hat auch u&#x0364;ber die Natur etwas von dem<lb/>
Feuer &#x017F;eines Genies hinzugethan. Jn einigen &#x017F;einer<lb/>
be&#x017F;ten Stu&#x0364;ke gra&#x0364;nzet &#x017F;ein Colorit an das | Wun-<lb/>
derbare. <hi rendition="#fr">Claude Gillee, Nicolaus Berchem,<lb/>
Cornel. Poelenburg,</hi> und viele andre Land&#x017F;chaft-<lb/>
mahler, haben das Liebliche des Colorits vorzu&#x0364;glich<lb/>
erreicht. Fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Rembrandts</hi> bezauberndes Colorit<lb/>
finde ich keinen Namen. Doch macht es eine be&#x017F;on-<lb/>
dere merkwu&#x0364;rdige Art aus. Es giebt auch ein &#x017F;trenges<lb/>
und ern&#x017F;thaftes Colorit: gru&#x0364;ndlich ko&#x0364;nnte man<lb/><cb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Col Com</hi></fw><lb/>
das nennen, darin wenig ganz helles, unter dem<lb/>
hellbraunen aber eine angenehme Mi&#x017F;chung von blau,<lb/>
gru&#x0364;nlich und hellrothen i&#x017F;t. Zum Mu&#x017F;ter die&#x017F;er Gat-<lb/>
tung ko&#x0364;nnte man Titians Gema&#x0364;hlde von der Sendung<lb/>
des heil. Gei&#x017F;tes in der Kirche <hi rendition="#aq">Sta. Maria della &#x017F;a-<lb/>
lute</hi> in Venedig, das ich aber nur nach einer Copey<lb/>
beurtheile, anfu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>Eine vollkommenere Claßification des Colorits<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn es auch nur zur Erleichterung des<lb/>
Ausdruks der Sprache wa&#x0364;re, nicht u&#x0364;berflu&#x0364;ßig &#x017F;eyn.<lb/>
Wo man die Sachen nicht &#x017F;elb&#x017F;t vor Augen haben<lb/>
kann, da &#x017F;ind die Namen von gro&#x017F;&#x017F;em Nutzen.<lb/>
Man wu&#x0364;rde bisweilen dem Mahler gerne &#x017F;agen,<lb/>
daß er zu die&#x017F;em Jnhalt ein Colorit von einer ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Art wa&#x0364;hlen &#x017F;ollte, wenn nur die Art be&#x017F;timmt<lb/>
ko&#x0364;nnte genennt werden. Die&#x017F;es wu&#x0364;rde zwar &#x017F;eine<lb/>
Kun&#x017F;t nicht vermehren; aber wenn er die Kun&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;itzt, &#x017F;o wu&#x0364;rde er die&#x017F;elbe bisweilen auf eine vor-<lb/>
theilhafte Wei&#x017F;e be&#x017F;timmen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Comi&#x017F;ch.</hi><lb/>
(Scho&#x0364;ne Ku&#x0364;n&#x017F;te.)</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>n dem eigentlich&#x017F;ten Sinn bedeutet die&#x017F;es Wort<lb/>
die Eigen&#x017F;chaft einer Sache, in &#x017F;ofern &#x017F;ie &#x017F;ich auf die<lb/>
Como&#x0364;die bezieht, wie in den Ausdru&#x0364;ken, die <hi rendition="#fr">comi-<lb/>
&#x017F;che Schaubu&#x0364;hne,</hi> ein <hi rendition="#fr">comi&#x017F;cher Dichter.</hi> Daher<lb/>
ver&#x017F;teht man durch <hi rendition="#fr">comi&#x017F;che Charakteren, comi&#x017F;che<lb/>
Situationen,</hi> &#x017F;olche, die &#x017F;ich zur Como&#x0364;die gut &#x017F;chi-<lb/>
ken. Die comi&#x017F;che Materie i&#x017F;t die, welche &#x017F;ich zur<lb/>
Como&#x0364;die &#x017F;chiket, und die itzt, da die&#x017F;es Schau&#x017F;piel<lb/>
&#x017F;o ver&#x017F;chiedene Ge&#x017F;talten angenommen hat, in das<lb/>
niedrige, mittlere und hohe Comi&#x017F;che eingetheilt<lb/>
wird. Das <hi rendition="#fr">niedrige Comi&#x017F;che</hi> i&#x017F;t eigentlich das Po&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ierliche, das durch &#x017F;eine Ungereimtheit la&#x0364;cherlich i&#x017F;t.<lb/>
Zum <hi rendition="#fr">mittlern Comi&#x017F;chen</hi> geho&#x0364;rt die Materie, die<lb/>
durch feinen Witz, &#x017F;o wie er unter Per&#x017F;onen von<lb/>
guter Lebensart im Gang i&#x017F;t, durch Handlungen<lb/>
und Sitten der feinern Welt, und das, was die<lb/>
Ro&#x0364;mer <hi rendition="#fr">Urbanita&#x0364;t</hi> nennten, ergo&#x0364;tzend und angenehm<lb/>
wird. Das <hi rendition="#fr">hohe Comi&#x017F;che</hi> i&#x017F;t der Jnhalt und Ton<lb/>
der Como&#x0364;die, der ans Trauer&#x017F;piel gra&#x0364;nzet, und wo<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;tarke und ern&#x017F;thafte Leiden&#x017F;chaften ins Spiel<lb/>
kommen. Weil man fa&#x017F;t durchgehends der Meinung<lb/>
i&#x017F;t, daß das we&#x017F;entliche der Como&#x0364;die in dem Lu&#x017F;tigen<lb/>
und La&#x0364;cherlichen be&#x017F;tehe, &#x017F;o hat der Ausdruk <hi rendition="#fr">comi&#x017F;ch</hi><lb/>
die be&#x017F;ondere Bedeutung bekommen, kraft deren es<lb/>
etwas lu&#x017F;tiges und la&#x0364;cherliches bedeutet. Die&#x017F;es<lb/>
geho&#x0364;rt zur Erkla&#x0364;rung des Worts. Jn An&#x017F;ehung der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sache</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0224] Col Col Com ſuche helfen. Aber in der Ausfuͤhrung koſtet es un- endliche Sorgfalt. Der Menſch iſt der wichtigſte Gegenſtand der Mahlerey; alſo wird auch vom Colorit der Theil, der dieſen Gegenſtand insbeſondre betrift, vorzuͤg- lich zu ſtudiren ſeyn. (*) Zum Gluͤke hat man da die vollkommenſten Muſter in der Kunſt vor ſich. Titian hat dieſen Theil zur hoͤchſten Schoͤnheit und bis zum Jdeal getrieben; und man kann, ohne die Sache zu uͤbertreiben, ſagen, er habe die Natur uͤbertroffen. Van Dyk aber hat ſie in ihrer Voll- kommenheit erreicht. Beyde ſollen in dieſem Stuͤk die Lehrer des Coloriſten ſeyn. (*) S. Fleiſch- farbe. Wenn man bedenket, daß zu allen, zum Colorit noͤthigen Kenntniſſen, wovon hier ein kurzer Abriß gegeben worden, noch die aus langer Uebung ent- ſtehende Kenntniß der Farben (*), die man braucht, ihre Behandlung und Miſchung, ihre Dauer und die durch die Zeit darin verurſachte Veraͤnderung, die Handgriffe des Penſels hinzukommen muͤſſen, ſo wird man begreifen, wie ſchweer es ſey, in die- ſem Theil der Kunſt groß zu werden. Hier iſt die Maxime des Apelles, nulla dies ſine linea, mehr, als irgendwo noͤthig, und nirgend iſt die Kunſt un- erſchoͤpflicher, als hier. Mit Vergnuͤgen erinnere ich mich hier, wie ich den beruͤhmten Ant. Peisne, einen der beſten Coloriſten unſrer Zeit, in einem Alter von etlichen und ſiebenzig Jahren, ſo oft mit dem Fleiß und Eifer eines Juͤnglings, der noch al- les zu lernen hat, fuͤr einen hoͤhern Grad der Voll- kommenheit des Colorits habe ſtudiren und arbeiten geſehen. (*) S. Farben. Das Colorit kann bey ſeiner Vollkommenheit ver- ſchiedene Charaktere annehmen. Titian, Correggio, Giorgione, haben die Schoͤnheit deſſelben bis zum Jdealen gebracht. Van Dyk und viele Niederlaͤn- der, die bekannt genug ſind, haben darin das Na- tuͤrliche in der hoͤchſten Vollkommenheit erreicht; und Rubens hat auch uͤber die Natur etwas von dem Feuer ſeines Genies hinzugethan. Jn einigen ſeiner beſten Stuͤke graͤnzet ſein Colorit an das | Wun- derbare. Claude Gillee, Nicolaus Berchem, Cornel. Poelenburg, und viele andre Landſchaft- mahler, haben das Liebliche des Colorits vorzuͤglich erreicht. Fuͤr Rembrandts bezauberndes Colorit finde ich keinen Namen. Doch macht es eine beſon- dere merkwuͤrdige Art aus. Es giebt auch ein ſtrenges und ernſthaftes Colorit: gruͤndlich koͤnnte man das nennen, darin wenig ganz helles, unter dem hellbraunen aber eine angenehme Miſchung von blau, gruͤnlich und hellrothen iſt. Zum Muſter dieſer Gat- tung koͤnnte man Titians Gemaͤhlde von der Sendung des heil. Geiſtes in der Kirche Sta. Maria della ſa- lute in Venedig, das ich aber nur nach einer Copey beurtheile, anfuͤhren. Eine vollkommenere Claßification des Colorits wuͤrde, wenn es auch nur zur Erleichterung des Ausdruks der Sprache waͤre, nicht uͤberfluͤßig ſeyn. Wo man die Sachen nicht ſelbſt vor Augen haben kann, da ſind die Namen von groſſem Nutzen. Man wuͤrde bisweilen dem Mahler gerne ſagen, daß er zu dieſem Jnhalt ein Colorit von einer ge- wiſſen Art waͤhlen ſollte, wenn nur die Art beſtimmt koͤnnte genennt werden. Dieſes wuͤrde zwar ſeine Kunſt nicht vermehren; aber wenn er die Kunſt beſitzt, ſo wuͤrde er dieſelbe bisweilen auf eine vor- theilhafte Weiſe beſtimmen. Comiſch. (Schoͤne Kuͤnſte.) Jn dem eigentlichſten Sinn bedeutet dieſes Wort die Eigenſchaft einer Sache, in ſofern ſie ſich auf die Comoͤdie bezieht, wie in den Ausdruͤken, die comi- ſche Schaubuͤhne, ein comiſcher Dichter. Daher verſteht man durch comiſche Charakteren, comiſche Situationen, ſolche, die ſich zur Comoͤdie gut ſchi- ken. Die comiſche Materie iſt die, welche ſich zur Comoͤdie ſchiket, und die itzt, da dieſes Schauſpiel ſo verſchiedene Geſtalten angenommen hat, in das niedrige, mittlere und hohe Comiſche eingetheilt wird. Das niedrige Comiſche iſt eigentlich das Poſ- ſierliche, das durch ſeine Ungereimtheit laͤcherlich iſt. Zum mittlern Comiſchen gehoͤrt die Materie, die durch feinen Witz, ſo wie er unter Perſonen von guter Lebensart im Gang iſt, durch Handlungen und Sitten der feinern Welt, und das, was die Roͤmer Urbanitaͤt nennten, ergoͤtzend und angenehm wird. Das hohe Comiſche iſt der Jnhalt und Ton der Comoͤdie, der ans Trauerſpiel graͤnzet, und wo ſchon ſtarke und ernſthafte Leidenſchaften ins Spiel kommen. Weil man faſt durchgehends der Meinung iſt, daß das weſentliche der Comoͤdie in dem Luſtigen und Laͤcherlichen beſtehe, ſo hat der Ausdruk comiſch die beſondere Bedeutung bekommen, kraft deren es etwas luſtiges und laͤcherliches bedeutet. Dieſes gehoͤrt zur Erklaͤrung des Worts. Jn Anſehung der Sache

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/224
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/224>, abgerufen am 19.04.2024.