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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Com
Sache selbst wird das, was unmittelbar die Co-
mödie betrift, in dem besondern Artikel darüber;
und das, was das Lächerliche betrift, in dem Arti-
kel Lächerlich und Scherzhaft vorkommen.

Comma.
(Musik.)

Jst ein kleines Jntervall, das zwar in dem Gesang
nicht gebraucht wird, aber bey Betrachtung der Jn-
tervalle verschiedentlich vorkommt, auch nicht immer
einerley Grösse hat. Das gemeine Comma ist der
Unterschied zwischen dem grossen Ton und dem
kleinen , und wird deswegen mit ausgedrukt.
Dieses wird auch das Comma des Dydymus und
das Comma syntonum genennt, und ist dasjenige,
was man insgemein unter dem Wort Comma ver-
steht. Neun solche Jntervalle, oder neun Sayten,
deren jede nur ein Comma höher, als die vorher-
gehende wäre, würden etwas mehr, als den Raum
eines grossen Tones ausmachen. Daher pfleget man
zu sagen, ein Comma sey ohngefähr der achte oder
neunte Theil eines ganzen Tons.

Das Pythagorische Comma, welches auch Comma
ditonicum
genennt wird, ist der Unterschied zwischen
der reinen Octave eines Tons und dem Ton, der
entstehet, wenn man diese Octave durch eine Folge
von 12 reinen Quinten bestimmen wollte. Nämlich
wenn man zu einem Grundton C, für den man die
Zahl 1 setzet, seine reine Quinte G nimmt, so ist
diese 2/3 . Davon wieder die Quinte genommen, giebt
d == oder um eine Octave tiefer D == . Hievon
wieder die Quinte A == . Dessen Quinte e ==
oder eine Octave tiefer E == u. s. f. Setzet
man dieses bis auf zwölf Quinten fort, so wird der
letzte Ton etwas höher als die Octave von C, näm-
lich anstatt . Also sind diese bey-
den Töne um ein Jntervall, das durch
ausgedrukt, und das pythagorische Comma genennt
wird, unterschieden.

Eine dritte Art ist das kleine Comma, das durch
ausgedrukt wird: es ist der Unterschied zwischen
der reinen Octave von C und dem c, welches durch
folgende Stimmung heraus kommt. Von C nehme
man die reine grosse Terz (E), davon wieder die reine
grosse Terz (gis), davon die reine Quinte (dis), da-
von wieder die reine Quinte (b); von diesen noch
einmal die reine Quinte (f) und endlich noch ein-
mal die reine Quinte (c). Dieses so gefundene c
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Com
ist um das kleine Comma niedriger, als das
wahre c, das die Octave von C ist. Dieses Comma
aber wird insgemein Diaschisma, oder das doppelte
Schisma genennt, weil man auch dem halben Com-
ma den Namen Schisma giebt.

Comödie.
(Redende Künste.)

Wenn man weder auf die ursprüngliche Beschaf-
fenheit der griechischen Comödie, noch auf irgend
eine besondere Form der gegenwärtigen sieht, son-
dern den Begriff derselben so allgemein macht, als
er seyn kann, ohne aus seiner besondern Gattung
zu treten; so kann man sagen: die Comödie sey die
Vorstellung einer Handlung, die, sowol durch die
dabey vorkommenden Vorfälle, als durch die Cha-
raktere, Sitten und das Betragen der dabey inter-
eßirten Personen, die Zuschauer auf eine belustigende
und lehrreiche Weise unterhält.
Daß sie, wie
so oft gesagt wird, blos die Absicht habe, die Thor-
heiten der Menschen lächerlich zu machen, ist we-
der von der alten noch von der heutigen Comödie
wahr. Es giebt sehr gute Comödien, die zwar
sehr belustigen, darin aber keine Thorheit, in der
Absicht sie lächerlich zu machen, vorgestellt wird.
Jn vielen Stüken des Plautus liegt das hier und da
vorkommende Lächerliche mehr in den comischen,
bisweilen übertriebenen Einfällen des Dichters, als
in der Sache selbst: und wenn wir alles Belusti-
gende und Ergötzende in den Comödien des Teren-
tius
auszeichnen wollten, so würde sich finden, daß
dieser fürtrefliche Comödienschreiber sehr selten dabey
die Absicht gehabt hat, Thorheiten lächerlich zu ma-
chen. Dieses kann eine der Absichten seyn: und ofte
hat die Comödie die Zuschauer auf Unkosten der Tho-
ren oder andrer Personen, die der Verfasser gehaßt
hat, lachen gemacht; nur geschieht dieses nicht in
jeder guten Comödie.

-- Non satis est risu diducere rictum
Auditoris: & est quaedam tamen hic quoque Virtus.
(*)
(*) Hor.
serm. I.
10.

Jede auf der Schaubühne vorgestellte Handlung,
die Personen von Verstand und Geschmak angenehm
unterhält, ohne sie in starke ernsthafte Leidenschaf-
ten zu setzen, und das Gemüth durch heftige Em-
pfindungen hinzureissen, ist eine gute Comödie. Je
feiner und geistreicher aber, und je lehrreicher zu-
gleich dieses geschieht, desto grösser ist der Werth der-
selben für Zuschauer von feinem Geschmak.

Will
D d 3

[Spaltenumbruch]

Com
Sache ſelbſt wird das, was unmittelbar die Co-
moͤdie betrift, in dem beſondern Artikel daruͤber;
und das, was das Laͤcherliche betrift, in dem Arti-
kel Laͤcherlich und Scherzhaft vorkommen.

Comma.
(Muſik.)

Jſt ein kleines Jntervall, das zwar in dem Geſang
nicht gebraucht wird, aber bey Betrachtung der Jn-
tervalle verſchiedentlich vorkommt, auch nicht immer
einerley Groͤſſe hat. Das gemeine Comma iſt der
Unterſchied zwiſchen dem groſſen Ton und dem
kleinen , und wird deswegen mit ausgedrukt.
Dieſes wird auch das Comma des Dydymus und
das Comma ſyntonum genennt, und iſt dasjenige,
was man insgemein unter dem Wort Comma ver-
ſteht. Neun ſolche Jntervalle, oder neun Sayten,
deren jede nur ein Comma hoͤher, als die vorher-
gehende waͤre, wuͤrden etwas mehr, als den Raum
eines groſſen Tones ausmachen. Daher pfleget man
zu ſagen, ein Comma ſey ohngefaͤhr der achte oder
neunte Theil eines ganzen Tons.

Das Pythagoriſche Comma, welches auch Comma
ditonicum
genennt wird, iſt der Unterſchied zwiſchen
der reinen Octave eines Tons und dem Ton, der
entſtehet, wenn man dieſe Octave durch eine Folge
von 12 reinen Quinten beſtimmen wollte. Naͤmlich
wenn man zu einem Grundton C, fuͤr den man die
Zahl 1 ſetzet, ſeine reine Quinte G nimmt, ſo iſt
dieſe ⅔. Davon wieder die Quinte genommen, giebt
d == oder um eine Octave tiefer D == . Hievon
wieder die Quinte A == . Deſſen Quinte e ==
oder eine Octave tiefer E == u. ſ. f. Setzet
man dieſes bis auf zwoͤlf Quinten fort, ſo wird der
letzte Ton etwas hoͤher als die Octave von C, naͤm-
lich anſtatt . Alſo ſind dieſe bey-
den Toͤne um ein Jntervall, das durch
ausgedrukt, und das pythagoriſche Comma genennt
wird, unterſchieden.

Eine dritte Art iſt das kleine Comma, das durch
ausgedrukt wird: es iſt der Unterſchied zwiſchen
der reinen Octave von C und dem c, welches durch
folgende Stimmung heraus kommt. Von C nehme
man die reine groſſe Terz (E), davon wieder die reine
groſſe Terz (gis), davon die reine Quinte (dis), da-
von wieder die reine Quinte (b); von dieſen noch
einmal die reine Quinte (f) und endlich noch ein-
mal die reine Quinte (c). Dieſes ſo gefundene c
[Spaltenumbruch]

Com
iſt um das kleine Comma niedriger, als das
wahre c, das die Octave von C iſt. Dieſes Comma
aber wird insgemein Diaſchisma, oder das doppelte
Schisma genennt, weil man auch dem halben Com-
ma den Namen Schisma giebt.

Comoͤdie.
(Redende Kuͤnſte.)

Wenn man weder auf die urſpruͤngliche Beſchaf-
fenheit der griechiſchen Comoͤdie, noch auf irgend
eine beſondere Form der gegenwaͤrtigen ſieht, ſon-
dern den Begriff derſelben ſo allgemein macht, als
er ſeyn kann, ohne aus ſeiner beſondern Gattung
zu treten; ſo kann man ſagen: die Comoͤdie ſey die
Vorſtellung einer Handlung, die, ſowol durch die
dabey vorkommenden Vorfaͤlle, als durch die Cha-
raktere, Sitten und das Betragen der dabey inter-
eßirten Perſonen, die Zuſchauer auf eine beluſtigende
und lehrreiche Weiſe unterhaͤlt.
Daß ſie, wie
ſo oft geſagt wird, blos die Abſicht habe, die Thor-
heiten der Menſchen laͤcherlich zu machen, iſt we-
der von der alten noch von der heutigen Comoͤdie
wahr. Es giebt ſehr gute Comoͤdien, die zwar
ſehr beluſtigen, darin aber keine Thorheit, in der
Abſicht ſie laͤcherlich zu machen, vorgeſtellt wird.
Jn vielen Stuͤken des Plautus liegt das hier und da
vorkommende Laͤcherliche mehr in den comiſchen,
bisweilen uͤbertriebenen Einfaͤllen des Dichters, als
in der Sache ſelbſt: und wenn wir alles Beluſti-
gende und Ergoͤtzende in den Comoͤdien des Teren-
tius
auszeichnen wollten, ſo wuͤrde ſich finden, daß
dieſer fuͤrtrefliche Comoͤdienſchreiber ſehr ſelten dabey
die Abſicht gehabt hat, Thorheiten laͤcherlich zu ma-
chen. Dieſes kann eine der Abſichten ſeyn: und ofte
hat die Comoͤdie die Zuſchauer auf Unkoſten der Tho-
ren oder andrer Perſonen, die der Verfaſſer gehaßt
hat, lachen gemacht; nur geſchieht dieſes nicht in
jeder guten Comoͤdie.

Non ſatis eſt riſu diducere rictum
Auditoris: & eſt quaedam tamen hic quoque Virtus.
(*)
(*) Hor.
ſerm. I.
10.

Jede auf der Schaubuͤhne vorgeſtellte Handlung,
die Perſonen von Verſtand und Geſchmak angenehm
unterhaͤlt, ohne ſie in ſtarke ernſthafte Leidenſchaf-
ten zu ſetzen, und das Gemuͤth durch heftige Em-
pfindungen hinzureiſſen, iſt eine gute Comoͤdie. Je
feiner und geiſtreicher aber, und je lehrreicher zu-
gleich dieſes geſchieht, deſto groͤſſer iſt der Werth der-
ſelben fuͤr Zuſchauer von feinem Geſchmak.

Will
D d 3
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[213/0225] Com Com Sache ſelbſt wird das, was unmittelbar die Co- moͤdie betrift, in dem beſondern Artikel daruͤber; und das, was das Laͤcherliche betrift, in dem Arti- kel Laͤcherlich und Scherzhaft vorkommen. Comma. (Muſik.) Jſt ein kleines Jntervall, das zwar in dem Geſang nicht gebraucht wird, aber bey Betrachtung der Jn- tervalle verſchiedentlich vorkommt, auch nicht immer einerley Groͤſſe hat. Das gemeine Comma iſt der Unterſchied zwiſchen dem groſſen Ton [FORMEL] und dem kleinen [FORMEL], und wird deswegen mit [FORMEL] ausgedrukt. Dieſes wird auch das Comma des Dydymus und das Comma ſyntonum genennt, und iſt dasjenige, was man insgemein unter dem Wort Comma ver- ſteht. Neun ſolche Jntervalle, oder neun Sayten, deren jede nur ein Comma hoͤher, als die vorher- gehende waͤre, wuͤrden etwas mehr, als den Raum eines groſſen Tones ausmachen. Daher pfleget man zu ſagen, ein Comma ſey ohngefaͤhr der achte oder neunte Theil eines ganzen Tons. Das Pythagoriſche Comma, welches auch Comma ditonicum genennt wird, iſt der Unterſchied zwiſchen der reinen Octave eines Tons und dem Ton, der entſtehet, wenn man dieſe Octave durch eine Folge von 12 reinen Quinten beſtimmen wollte. Naͤmlich wenn man zu einem Grundton C, fuͤr den man die Zahl 1 ſetzet, ſeine reine Quinte G nimmt, ſo iſt dieſe ⅔. Davon wieder die Quinte genommen, giebt d == [FORMEL] oder um eine Octave tiefer D == [FORMEL]. Hievon wieder die Quinte A == [FORMEL]. Deſſen Quinte e == [FORMEL] oder eine Octave tiefer E == [FORMEL] u. ſ. f. Setzet man dieſes bis auf zwoͤlf Quinten fort, ſo wird der letzte Ton etwas hoͤher als die Octave von C, naͤm- lich [FORMEL] anſtatt [FORMEL]. Alſo ſind dieſe bey- den Toͤne um ein Jntervall, das durch [FORMEL] ausgedrukt, und das pythagoriſche Comma genennt wird, unterſchieden. Eine dritte Art iſt das kleine Comma, das durch [FORMEL] ausgedrukt wird: es iſt der Unterſchied zwiſchen der reinen Octave von C und dem c, welches durch folgende Stimmung heraus kommt. Von C nehme man die reine groſſe Terz (E), davon wieder die reine groſſe Terz (gis), davon die reine Quinte (dis), da- von wieder die reine Quinte (b); von dieſen noch einmal die reine Quinte (f) und endlich noch ein- mal die reine Quinte (c). Dieſes ſo gefundene c iſt um das kleine Comma [FORMEL] niedriger, als das wahre c, das die Octave von C iſt. Dieſes Comma aber wird insgemein Diaſchisma, oder das doppelte Schisma genennt, weil man auch dem halben Com- ma den Namen Schisma giebt. Comoͤdie. (Redende Kuͤnſte.) Wenn man weder auf die urſpruͤngliche Beſchaf- fenheit der griechiſchen Comoͤdie, noch auf irgend eine beſondere Form der gegenwaͤrtigen ſieht, ſon- dern den Begriff derſelben ſo allgemein macht, als er ſeyn kann, ohne aus ſeiner beſondern Gattung zu treten; ſo kann man ſagen: die Comoͤdie ſey die Vorſtellung einer Handlung, die, ſowol durch die dabey vorkommenden Vorfaͤlle, als durch die Cha- raktere, Sitten und das Betragen der dabey inter- eßirten Perſonen, die Zuſchauer auf eine beluſtigende und lehrreiche Weiſe unterhaͤlt. Daß ſie, wie ſo oft geſagt wird, blos die Abſicht habe, die Thor- heiten der Menſchen laͤcherlich zu machen, iſt we- der von der alten noch von der heutigen Comoͤdie wahr. Es giebt ſehr gute Comoͤdien, die zwar ſehr beluſtigen, darin aber keine Thorheit, in der Abſicht ſie laͤcherlich zu machen, vorgeſtellt wird. Jn vielen Stuͤken des Plautus liegt das hier und da vorkommende Laͤcherliche mehr in den comiſchen, bisweilen uͤbertriebenen Einfaͤllen des Dichters, als in der Sache ſelbſt: und wenn wir alles Beluſti- gende und Ergoͤtzende in den Comoͤdien des Teren- tius auszeichnen wollten, ſo wuͤrde ſich finden, daß dieſer fuͤrtrefliche Comoͤdienſchreiber ſehr ſelten dabey die Abſicht gehabt hat, Thorheiten laͤcherlich zu ma- chen. Dieſes kann eine der Abſichten ſeyn: und ofte hat die Comoͤdie die Zuſchauer auf Unkoſten der Tho- ren oder andrer Perſonen, die der Verfaſſer gehaßt hat, lachen gemacht; nur geſchieht dieſes nicht in jeder guten Comoͤdie. — Non ſatis eſt riſu diducere rictum Auditoris: & eſt quaedam tamen hic quoque Virtus. (*) Jede auf der Schaubuͤhne vorgeſtellte Handlung, die Perſonen von Verſtand und Geſchmak angenehm unterhaͤlt, ohne ſie in ſtarke ernſthafte Leidenſchaf- ten zu ſetzen, und das Gemuͤth durch heftige Em- pfindungen hinzureiſſen, iſt eine gute Comoͤdie. Je feiner und geiſtreicher aber, und je lehrreicher zu- gleich dieſes geſchieht, deſto groͤſſer iſt der Werth der- ſelben fuͤr Zuſchauer von feinem Geſchmak. Will D d 3

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/225>, abgerufen am 29.03.2024.