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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Bes
Jnteresse, welches jeder an der Handlung nimmt,
nach den besondern Empfindungen, die jeder dabey
fühlt, nach jedes Stellung und Gebehrdung dabey,
so zu beschreiben hat, daß aus dieser Beschreibung
ein vollkommenes Gemähld entstehe. Dieses ist
eine Hauptsache in der Kunst des epischen Dichters.
Aber auch dem Redner ist sie bey gar viel Gelegen-
heiten nöthig; denn bey Erzählung der geschehe-
nen Sachen geben solche Gemählde bisweilen den
größten Nachdruk und die stärkste Rührung.

Weniger schweer sind die Beschreibungen solcher
Gegenstände, die sich nach und nach entwikeln, wenn
nämlich nicht allzu viel Dinge auf einmal geschehen;
denn in diesem Fall ist die Beschreibung unstreitig
am schweersten; wie z. E. die Beschreibung einer
großen Schlacht, die Beschreibung eines, ein gan-
zes Land verwüstenden, Zufalls, einer Ueberschwem-
mung, einer Pest, eines Erdbebens. An derglei-
chen Beschreibungen können nur Genie der ersten
Größe sich mit Hoffnung eines glüklichen Erfolges
wagen.

Wer diese Materie und die besonderen Kunstgriffe
der Beschreibung ausführlich studieren will, der
wird in Bodmers Werk von den poetischen Ge-
mählden die vornehmsten Theile dieser schweeren
Kunst entwikelt finden. Hier merken wir nur an,
daß die Beschreibung ein und eben derselbigen Sa-
che nach den verschiedenen Absichten des Redners
und des Dichters von ganz verschiedener Beschaf-
fenheit seyn müsse. Will man durch die Beschrei-
bung unterrichten, so muß sie ganz anders seyn,
als wenn man rühren, oder belustigen will. Der
Redner oder Dichter muß sich allemal, so wie der
Mahler, den Zwek des Gemäldes, den bestimmten
Eindruk, den es machen soll, so lebhaft als möglich
vorstellen, damit das Gepräge seiner Beschreibung
dem Charakter der Sachen genau angemessen sey.

Besetzung.
(Musik.)

Durch dieses Wort drükt man die Veranstaltungen
aus, die bey Aufführung einer Musik wegen der
Menge der Jnstrumente und Sänger für jede Stim-
me oder Parthie des Tonstüks gemacht werden.
Man sagt, eine Parthie, z. B. der Baß, sey gut
oder schlecht besetzt, wenn die Anzahl der, den Baß
singenden oder spielenden, Personen hinlänglich, oder
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Bes
nicht hinlänglich ist, oder wenn ihre Fähigkeiten
zum Singen oder Spielen gut oder schlecht sind.

Die Besetzung in Absicht auf die Menge der sin-
genden oder spielenden Personen kann nicht nach
allgemeinen Regeln bestimmt werden: Es kömmt
auf den Ort, wo die Musik aufgeführt wird, und
auf die besondere Beschaffenheit der Tonstüke, an.
Jn einer großen Kirche, oder auf einer großen
Schaubühne können nicht leicht zu viel seyn; man
kann sechszig, hundert und noch mehr Sänger
und Spieler dazu nehmen. Eine genaue Ueberle-
gung aber gehört dazu, das Verhältniß der Jn-
strumente so zu bestimmen, daß jede Parthie des
Tonstüks sich gehörig unterscheide, und keine die
andre verdunkle.

Das wichtigste ist hiebey das Verhältniß der
Bässe gegen die obern Stimmen, damit der Baß
allezeit über alle andre Stimmen herrsche, weil die-
ses seine Natur ist. (*) Jm übrigen muß man(*) S.
Baß.

sich hiebey nach dem richten, was Kenner aus ei-
ner langen Erfahrung für gut finden. Man sehe
also über diese Materie, was Quanz in seiner An-
leitung zur Flöte hierüber angemerkt hat.

Bestätigung.
(Beredsamkeit.)

Ein Haupttheil einer lehrenden Rede, in welchem
der Hauptsatz derselben, als ungezweifelt dargestellt
wird. Die Absicht jeder Rede von dieser Art geht
allemal dahin, daß das Urtheil des Zuhörers fest-
gesezt werde. Das Urtheil betrift entweder die
Würklichkeit einer Sache, oder ihre Beschaffenheit.
Es giebt also zwey Arten von Hauptsätzen in un-
tersuchenden Reden. Entweder wird darin die
Würklichkeit einer Sache behauptet oder geleugnet;
oder es wird von einer Sache, deren Würklichkeit
ausgemacht ist, eine gewisse Beschaffenheit behaup-
tet, oder diese wird ihr abgesprochen. Jn bey-
den Fällen müssen Gründe angeführt, Gegengründe
widerlegt, und Zweifel gehoben werden, dadurch
wird nämlich der Hauptsatz des Redners bestätiget,
und deswegen heißt der Theil der Rede, worin die-
ses geschieht, die Bestätigung.

Sie ist demnach der vornehmste Theil solcher Re-
den, der, worauf alles ankommt. Zur Bestätigung
gehören die Beweise, die Widerlegung der Gegen-
beweise und Hebung der Zweifel. Von jedem
Stük wird in einem besondern Artikel gesprochen.

Bewe-
U 2

[Spaltenumbruch]

Beſ
Jntereſſe, welches jeder an der Handlung nimmt,
nach den beſondern Empfindungen, die jeder dabey
fuͤhlt, nach jedes Stellung und Gebehrdung dabey,
ſo zu beſchreiben hat, daß aus dieſer Beſchreibung
ein vollkommenes Gemaͤhld entſtehe. Dieſes iſt
eine Hauptſache in der Kunſt des epiſchen Dichters.
Aber auch dem Redner iſt ſie bey gar viel Gelegen-
heiten noͤthig; denn bey Erzaͤhlung der geſchehe-
nen Sachen geben ſolche Gemaͤhlde bisweilen den
groͤßten Nachdruk und die ſtaͤrkſte Ruͤhrung.

Weniger ſchweer ſind die Beſchreibungen ſolcher
Gegenſtaͤnde, die ſich nach und nach entwikeln, wenn
naͤmlich nicht allzu viel Dinge auf einmal geſchehen;
denn in dieſem Fall iſt die Beſchreibung unſtreitig
am ſchweerſten; wie z. E. die Beſchreibung einer
großen Schlacht, die Beſchreibung eines, ein gan-
zes Land verwuͤſtenden, Zufalls, einer Ueberſchwem-
mung, einer Peſt, eines Erdbebens. An derglei-
chen Beſchreibungen koͤnnen nur Genie der erſten
Groͤße ſich mit Hoffnung eines gluͤklichen Erfolges
wagen.

Wer dieſe Materie und die beſonderen Kunſtgriffe
der Beſchreibung ausfuͤhrlich ſtudieren will, der
wird in Bodmers Werk von den poetiſchen Ge-
maͤhlden die vornehmſten Theile dieſer ſchweeren
Kunſt entwikelt finden. Hier merken wir nur an,
daß die Beſchreibung ein und eben derſelbigen Sa-
che nach den verſchiedenen Abſichten des Redners
und des Dichters von ganz verſchiedener Beſchaf-
fenheit ſeyn muͤſſe. Will man durch die Beſchrei-
bung unterrichten, ſo muß ſie ganz anders ſeyn,
als wenn man ruͤhren, oder beluſtigen will. Der
Redner oder Dichter muß ſich allemal, ſo wie der
Mahler, den Zwek des Gemaͤldes, den beſtimmten
Eindruk, den es machen ſoll, ſo lebhaft als moͤglich
vorſtellen, damit das Gepraͤge ſeiner Beſchreibung
dem Charakter der Sachen genau angemeſſen ſey.

Beſetzung.
(Muſik.)

Durch dieſes Wort druͤkt man die Veranſtaltungen
aus, die bey Auffuͤhrung einer Muſik wegen der
Menge der Jnſtrumente und Saͤnger fuͤr jede Stim-
me oder Parthie des Tonſtuͤks gemacht werden.
Man ſagt, eine Parthie, z. B. der Baß, ſey gut
oder ſchlecht beſetzt, wenn die Anzahl der, den Baß
ſingenden oder ſpielenden, Perſonen hinlaͤnglich, oder
[Spaltenumbruch]

Beſ
nicht hinlaͤnglich iſt, oder wenn ihre Faͤhigkeiten
zum Singen oder Spielen gut oder ſchlecht ſind.

Die Beſetzung in Abſicht auf die Menge der ſin-
genden oder ſpielenden Perſonen kann nicht nach
allgemeinen Regeln beſtimmt werden: Es koͤmmt
auf den Ort, wo die Muſik aufgefuͤhrt wird, und
auf die beſondere Beſchaffenheit der Tonſtuͤke, an.
Jn einer großen Kirche, oder auf einer großen
Schaubuͤhne koͤnnen nicht leicht zu viel ſeyn; man
kann ſechszig, hundert und noch mehr Saͤnger
und Spieler dazu nehmen. Eine genaue Ueberle-
gung aber gehoͤrt dazu, das Verhaͤltniß der Jn-
ſtrumente ſo zu beſtimmen, daß jede Parthie des
Tonſtuͤks ſich gehoͤrig unterſcheide, und keine die
andre verdunkle.

Das wichtigſte iſt hiebey das Verhaͤltniß der
Baͤſſe gegen die obern Stimmen, damit der Baß
allezeit uͤber alle andre Stimmen herrſche, weil die-
ſes ſeine Natur iſt. (*) Jm uͤbrigen muß man(*) S.
Baß.

ſich hiebey nach dem richten, was Kenner aus ei-
ner langen Erfahrung fuͤr gut finden. Man ſehe
alſo uͤber dieſe Materie, was Quanz in ſeiner An-
leitung zur Floͤte hieruͤber angemerkt hat.

Beſtaͤtigung.
(Beredſamkeit.)

Ein Haupttheil einer lehrenden Rede, in welchem
der Hauptſatz derſelben, als ungezweifelt dargeſtellt
wird. Die Abſicht jeder Rede von dieſer Art geht
allemal dahin, daß das Urtheil des Zuhoͤrers feſt-
geſezt werde. Das Urtheil betrift entweder die
Wuͤrklichkeit einer Sache, oder ihre Beſchaffenheit.
Es giebt alſo zwey Arten von Hauptſaͤtzen in un-
terſuchenden Reden. Entweder wird darin die
Wuͤrklichkeit einer Sache behauptet oder geleugnet;
oder es wird von einer Sache, deren Wuͤrklichkeit
ausgemacht iſt, eine gewiſſe Beſchaffenheit behaup-
tet, oder dieſe wird ihr abgeſprochen. Jn bey-
den Faͤllen muͤſſen Gruͤnde angefuͤhrt, Gegengruͤnde
widerlegt, und Zweifel gehoben werden, dadurch
wird naͤmlich der Hauptſatz des Redners beſtaͤtiget,
und deswegen heißt der Theil der Rede, worin die-
ſes geſchieht, die Beſtaͤtigung.

Sie iſt demnach der vornehmſte Theil ſolcher Re-
den, der, worauf alles ankommt. Zur Beſtaͤtigung
gehoͤren die Beweiſe, die Widerlegung der Gegen-
beweiſe und Hebung der Zweifel. Von jedem
Stuͤk wird in einem beſondern Artikel geſprochen.

Bewe-
U 2
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[155/0167] Beſ Beſ Jntereſſe, welches jeder an der Handlung nimmt, nach den beſondern Empfindungen, die jeder dabey fuͤhlt, nach jedes Stellung und Gebehrdung dabey, ſo zu beſchreiben hat, daß aus dieſer Beſchreibung ein vollkommenes Gemaͤhld entſtehe. Dieſes iſt eine Hauptſache in der Kunſt des epiſchen Dichters. Aber auch dem Redner iſt ſie bey gar viel Gelegen- heiten noͤthig; denn bey Erzaͤhlung der geſchehe- nen Sachen geben ſolche Gemaͤhlde bisweilen den groͤßten Nachdruk und die ſtaͤrkſte Ruͤhrung. Weniger ſchweer ſind die Beſchreibungen ſolcher Gegenſtaͤnde, die ſich nach und nach entwikeln, wenn naͤmlich nicht allzu viel Dinge auf einmal geſchehen; denn in dieſem Fall iſt die Beſchreibung unſtreitig am ſchweerſten; wie z. E. die Beſchreibung einer großen Schlacht, die Beſchreibung eines, ein gan- zes Land verwuͤſtenden, Zufalls, einer Ueberſchwem- mung, einer Peſt, eines Erdbebens. An derglei- chen Beſchreibungen koͤnnen nur Genie der erſten Groͤße ſich mit Hoffnung eines gluͤklichen Erfolges wagen. Wer dieſe Materie und die beſonderen Kunſtgriffe der Beſchreibung ausfuͤhrlich ſtudieren will, der wird in Bodmers Werk von den poetiſchen Ge- maͤhlden die vornehmſten Theile dieſer ſchweeren Kunſt entwikelt finden. Hier merken wir nur an, daß die Beſchreibung ein und eben derſelbigen Sa- che nach den verſchiedenen Abſichten des Redners und des Dichters von ganz verſchiedener Beſchaf- fenheit ſeyn muͤſſe. Will man durch die Beſchrei- bung unterrichten, ſo muß ſie ganz anders ſeyn, als wenn man ruͤhren, oder beluſtigen will. Der Redner oder Dichter muß ſich allemal, ſo wie der Mahler, den Zwek des Gemaͤldes, den beſtimmten Eindruk, den es machen ſoll, ſo lebhaft als moͤglich vorſtellen, damit das Gepraͤge ſeiner Beſchreibung dem Charakter der Sachen genau angemeſſen ſey. Beſetzung. (Muſik.) Durch dieſes Wort druͤkt man die Veranſtaltungen aus, die bey Auffuͤhrung einer Muſik wegen der Menge der Jnſtrumente und Saͤnger fuͤr jede Stim- me oder Parthie des Tonſtuͤks gemacht werden. Man ſagt, eine Parthie, z. B. der Baß, ſey gut oder ſchlecht beſetzt, wenn die Anzahl der, den Baß ſingenden oder ſpielenden, Perſonen hinlaͤnglich, oder nicht hinlaͤnglich iſt, oder wenn ihre Faͤhigkeiten zum Singen oder Spielen gut oder ſchlecht ſind. Die Beſetzung in Abſicht auf die Menge der ſin- genden oder ſpielenden Perſonen kann nicht nach allgemeinen Regeln beſtimmt werden: Es koͤmmt auf den Ort, wo die Muſik aufgefuͤhrt wird, und auf die beſondere Beſchaffenheit der Tonſtuͤke, an. Jn einer großen Kirche, oder auf einer großen Schaubuͤhne koͤnnen nicht leicht zu viel ſeyn; man kann ſechszig, hundert und noch mehr Saͤnger und Spieler dazu nehmen. Eine genaue Ueberle- gung aber gehoͤrt dazu, das Verhaͤltniß der Jn- ſtrumente ſo zu beſtimmen, daß jede Parthie des Tonſtuͤks ſich gehoͤrig unterſcheide, und keine die andre verdunkle. Das wichtigſte iſt hiebey das Verhaͤltniß der Baͤſſe gegen die obern Stimmen, damit der Baß allezeit uͤber alle andre Stimmen herrſche, weil die- ſes ſeine Natur iſt. (*) Jm uͤbrigen muß man ſich hiebey nach dem richten, was Kenner aus ei- ner langen Erfahrung fuͤr gut finden. Man ſehe alſo uͤber dieſe Materie, was Quanz in ſeiner An- leitung zur Floͤte hieruͤber angemerkt hat. (*) S. Baß. Beſtaͤtigung. (Beredſamkeit.) Ein Haupttheil einer lehrenden Rede, in welchem der Hauptſatz derſelben, als ungezweifelt dargeſtellt wird. Die Abſicht jeder Rede von dieſer Art geht allemal dahin, daß das Urtheil des Zuhoͤrers feſt- geſezt werde. Das Urtheil betrift entweder die Wuͤrklichkeit einer Sache, oder ihre Beſchaffenheit. Es giebt alſo zwey Arten von Hauptſaͤtzen in un- terſuchenden Reden. Entweder wird darin die Wuͤrklichkeit einer Sache behauptet oder geleugnet; oder es wird von einer Sache, deren Wuͤrklichkeit ausgemacht iſt, eine gewiſſe Beſchaffenheit behaup- tet, oder dieſe wird ihr abgeſprochen. Jn bey- den Faͤllen muͤſſen Gruͤnde angefuͤhrt, Gegengruͤnde widerlegt, und Zweifel gehoben werden, dadurch wird naͤmlich der Hauptſatz des Redners beſtaͤtiget, und deswegen heißt der Theil der Rede, worin die- ſes geſchieht, die Beſtaͤtigung. Sie iſt demnach der vornehmſte Theil ſolcher Re- den, der, worauf alles ankommt. Zur Beſtaͤtigung gehoͤren die Beweiſe, die Widerlegung der Gegen- beweiſe und Hebung der Zweifel. Von jedem Stuͤk wird in einem beſondern Artikel geſprochen. Bewe- U 2

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/167>, abgerufen am 26.04.2024.