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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
seinen Schriften: aber noch mehr rühret im Umgang
sein freundschaftliches, herzliches und redliches Wesen,
das ihn zu einem der besten Menschen macht, in des-
sen Seele Liebe zur Wahrheit, zur Tugend und allem
Guten herrschende Neigungen sind. Seine Gemah-
linn ist in allen Stücken seiner würdig.

Hr. Bonnet machte mir unter andern Vergnü-Hr. Offraine.
gen auch dieses, daß er den berühmten Offraine, ei-
nen der ersten Schauspieler unsrer Zeit, der sich jetzt
eben in seiner Vaterstadt Geneve aufhielt, zu uns
einladete. Dieser fürtreffliche Schauspieler machte
uns das Vergnügen, einige der ausgesuchtesten Sce-
nen des französischen Theaters zu spielen. Seine
größte Stärke ist in dem hohen Komischen, darin er
unstreitig alle jetzt lebende französische Schauspieler
übertrifft. Aber auch verschiedene tragische Scenen
macht er mit großer Wahrheit und Nachdruck. Er
schien mir in verschiedenen Stücken den berühmten Le
Kain
weit zu übertreffen.

Unter die mancherley Vergnügungen, die ich hierFernex.
genoß, rechne ich auch eine kleine Spazierfahrt, die
ich mit Hr. Bonnet allein nach Fernex machte. Die-
ser durch seinen jetzigen Besitzer Voltaire berühmt ge-Voltaire.
wordene Ort liegt etwa eine halbe Stunde oberhalb Gen-
thod,
auf einer Anhöhe, von der man eine weite Aus-
sicht über die umliegenden Gegenden und den auf der
Gränze zwischen Frankreich und der Schweiz liegen-
den Berg Jura hat. Ehedem war es ein schlechtes
Dorf, jetzt aber ist es durch den alten Dichter so er-
weitert und verschönert, daß es ein ganz angenehmer
Ort geworden. Er hat eine sehr beträchtliche Anzahl
Häuser, sowohl zur Landwirthschaft, als blos zur

Woh-

gethanen Reiſe.
ſeinen Schriften: aber noch mehr ruͤhret im Umgang
ſein freundſchaftliches, herzliches und redliches Weſen,
das ihn zu einem der beſten Menſchen macht, in deſ-
ſen Seele Liebe zur Wahrheit, zur Tugend und allem
Guten herrſchende Neigungen ſind. Seine Gemah-
linn iſt in allen Stuͤcken ſeiner wuͤrdig.

Hr. Bonnet machte mir unter andern Vergnuͤ-Hr. Offraine.
gen auch dieſes, daß er den beruͤhmten Offraine, ei-
nen der erſten Schauſpieler unſrer Zeit, der ſich jetzt
eben in ſeiner Vaterſtadt Geneve aufhielt, zu uns
einladete. Dieſer fuͤrtreffliche Schauſpieler machte
uns das Vergnuͤgen, einige der ausgeſuchteſten Sce-
nen des franzoͤſiſchen Theaters zu ſpielen. Seine
groͤßte Staͤrke iſt in dem hohen Komiſchen, darin er
unſtreitig alle jetzt lebende franzoͤſiſche Schauſpieler
uͤbertrifft. Aber auch verſchiedene tragiſche Scenen
macht er mit großer Wahrheit und Nachdruck. Er
ſchien mir in verſchiedenen Stuͤcken den beruͤhmten Le
Kain
weit zu uͤbertreffen.

Unter die mancherley Vergnuͤgungen, die ich hierFernex.
genoß, rechne ich auch eine kleine Spazierfahrt, die
ich mit Hr. Bonnet allein nach Fernex machte. Die-
ſer durch ſeinen jetzigen Beſitzer Voltaire beruͤhmt ge-Voltaire.
wordene Ort liegt etwa eine halbe Stunde oberhalb Gen-
thod,
auf einer Anhoͤhe, von der man eine weite Aus-
ſicht uͤber die umliegenden Gegenden und den auf der
Graͤnze zwiſchen Frankreich und der Schweiz liegen-
den Berg Jura hat. Ehedem war es ein ſchlechtes
Dorf, jetzt aber iſt es durch den alten Dichter ſo er-
weitert und verſchoͤnert, daß es ein ganz angenehmer
Ort geworden. Er hat eine ſehr betraͤchtliche Anzahl
Haͤuſer, ſowohl zur Landwirthſchaft, als blos zur

Woh-
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[63/0081] gethanen Reiſe. ſeinen Schriften: aber noch mehr ruͤhret im Umgang ſein freundſchaftliches, herzliches und redliches Weſen, das ihn zu einem der beſten Menſchen macht, in deſ- ſen Seele Liebe zur Wahrheit, zur Tugend und allem Guten herrſchende Neigungen ſind. Seine Gemah- linn iſt in allen Stuͤcken ſeiner wuͤrdig. Hr. Bonnet machte mir unter andern Vergnuͤ- gen auch dieſes, daß er den beruͤhmten Offraine, ei- nen der erſten Schauſpieler unſrer Zeit, der ſich jetzt eben in ſeiner Vaterſtadt Geneve aufhielt, zu uns einladete. Dieſer fuͤrtreffliche Schauſpieler machte uns das Vergnuͤgen, einige der ausgeſuchteſten Sce- nen des franzoͤſiſchen Theaters zu ſpielen. Seine groͤßte Staͤrke iſt in dem hohen Komiſchen, darin er unſtreitig alle jetzt lebende franzoͤſiſche Schauſpieler uͤbertrifft. Aber auch verſchiedene tragiſche Scenen macht er mit großer Wahrheit und Nachdruck. Er ſchien mir in verſchiedenen Stuͤcken den beruͤhmten Le Kain weit zu uͤbertreffen. Hr. Offraine. Unter die mancherley Vergnuͤgungen, die ich hier genoß, rechne ich auch eine kleine Spazierfahrt, die ich mit Hr. Bonnet allein nach Fernex machte. Die- ſer durch ſeinen jetzigen Beſitzer Voltaire beruͤhmt ge- wordene Ort liegt etwa eine halbe Stunde oberhalb Gen- thod, auf einer Anhoͤhe, von der man eine weite Aus- ſicht uͤber die umliegenden Gegenden und den auf der Graͤnze zwiſchen Frankreich und der Schweiz liegen- den Berg Jura hat. Ehedem war es ein ſchlechtes Dorf, jetzt aber iſt es durch den alten Dichter ſo er- weitert und verſchoͤnert, daß es ein ganz angenehmer Ort geworden. Er hat eine ſehr betraͤchtliche Anzahl Haͤuſer, ſowohl zur Landwirthſchaft, als blos zur Woh- Fernex. Voltaire.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/81>, abgerufen am 23.11.2024.