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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
schen und Waaren. Ein besonders angenehmes
Schauspiel für mich war es, viel gemeines Landvolk
aus den umliegenden Gegenden hier zu sehen, jedes in
seiner eigenen Kleidungstracht und seiner von andern
verschiedenen Bildung und Gestalt: Savoyarden,
Walliser, Deutsche und Welsche, Berner und Frey-
burger, alle nahe Nachbarn, aber in allen Stücken so
von einander verschieden, als wenn es Menschen von
verschiedenen weit von einander entlegenen Ländern wä-
ren. Von diesen sind die Deutschen, Berner und
Freyburger an Gestalt und Bildung die ansehnlich-
sten, und ihre Kleidung kündiget Leute von gutem
Wohlstand an. Hingegen hat das höchst elende An-
sehen der Savoyarden, die mit ganzen Schiffsladun-
gen leichter, aus Tannenholz verfertigter, großer und
kleiner Kisten hieher kommen, mir Ekel und sogar
Entsetzen verursachet. Diese elenden Geschöpfe, be-
sonders die Weiber, sind mit so schmuzigen und so gar
keine bestimmte Form an sich habenden Lappen behan-
gen, an Gestalt und von Gesicht so häßlich, daß man
in der That Mühe hat, die edle menschliche Gestalt an
ihnen zu entdecken.

Man kann hier auf das deutlichste sehen, was für
Einfluß eine gute und reichliche Nahrung, Freyheit
und Wohlstand auf die Bildung des menschlichen Kör-
pers haben. Diese elenden Geschöpfe bewohnen eine
Vevay gerade gegenüber an dem mittäglichen Ufer
des Sees liegende wilde Gegend in den Bergen. Zu
ihrer Nahrung wächst da nichts als Castanien; und
andern Verdienst haben sie auch nicht, als daß sie
Holzkohlen brennen, und aus den Tannen, womit
ihre Berge bewachsen sind, Kisten von jeder Größe

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gethanen Reiſe.
ſchen und Waaren. Ein beſonders angenehmes
Schauſpiel fuͤr mich war es, viel gemeines Landvolk
aus den umliegenden Gegenden hier zu ſehen, jedes in
ſeiner eigenen Kleidungstracht und ſeiner von andern
verſchiedenen Bildung und Geſtalt: Savoyarden,
Walliſer, Deutſche und Welſche, Berner und Frey-
burger, alle nahe Nachbarn, aber in allen Stuͤcken ſo
von einander verſchieden, als wenn es Menſchen von
verſchiedenen weit von einander entlegenen Laͤndern waͤ-
ren. Von dieſen ſind die Deutſchen, Berner und
Freyburger an Geſtalt und Bildung die anſehnlich-
ſten, und ihre Kleidung kuͤndiget Leute von gutem
Wohlſtand an. Hingegen hat das hoͤchſt elende An-
ſehen der Savoyarden, die mit ganzen Schiffsladun-
gen leichter, aus Tannenholz verfertigter, großer und
kleiner Kiſten hieher kommen, mir Ekel und ſogar
Entſetzen verurſachet. Dieſe elenden Geſchoͤpfe, be-
ſonders die Weiber, ſind mit ſo ſchmuzigen und ſo gar
keine beſtimmte Form an ſich habenden Lappen behan-
gen, an Geſtalt und von Geſicht ſo haͤßlich, daß man
in der That Muͤhe hat, die edle menſchliche Geſtalt an
ihnen zu entdecken.

Man kann hier auf das deutlichſte ſehen, was fuͤr
Einfluß eine gute und reichliche Nahrung, Freyheit
und Wohlſtand auf die Bildung des menſchlichen Koͤr-
pers haben. Dieſe elenden Geſchoͤpfe bewohnen eine
Vevay gerade gegenuͤber an dem mittaͤglichen Ufer
des Sees liegende wilde Gegend in den Bergen. Zu
ihrer Nahrung waͤchſt da nichts als Caſtanien; und
andern Verdienſt haben ſie auch nicht, als daß ſie
Holzkohlen brennen, und aus den Tannen, womit
ihre Berge bewachſen ſind, Kiſten von jeder Groͤße

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[55/0073] gethanen Reiſe. ſchen und Waaren. Ein beſonders angenehmes Schauſpiel fuͤr mich war es, viel gemeines Landvolk aus den umliegenden Gegenden hier zu ſehen, jedes in ſeiner eigenen Kleidungstracht und ſeiner von andern verſchiedenen Bildung und Geſtalt: Savoyarden, Walliſer, Deutſche und Welſche, Berner und Frey- burger, alle nahe Nachbarn, aber in allen Stuͤcken ſo von einander verſchieden, als wenn es Menſchen von verſchiedenen weit von einander entlegenen Laͤndern waͤ- ren. Von dieſen ſind die Deutſchen, Berner und Freyburger an Geſtalt und Bildung die anſehnlich- ſten, und ihre Kleidung kuͤndiget Leute von gutem Wohlſtand an. Hingegen hat das hoͤchſt elende An- ſehen der Savoyarden, die mit ganzen Schiffsladun- gen leichter, aus Tannenholz verfertigter, großer und kleiner Kiſten hieher kommen, mir Ekel und ſogar Entſetzen verurſachet. Dieſe elenden Geſchoͤpfe, be- ſonders die Weiber, ſind mit ſo ſchmuzigen und ſo gar keine beſtimmte Form an ſich habenden Lappen behan- gen, an Geſtalt und von Geſicht ſo haͤßlich, daß man in der That Muͤhe hat, die edle menſchliche Geſtalt an ihnen zu entdecken. Man kann hier auf das deutlichſte ſehen, was fuͤr Einfluß eine gute und reichliche Nahrung, Freyheit und Wohlſtand auf die Bildung des menſchlichen Koͤr- pers haben. Dieſe elenden Geſchoͤpfe bewohnen eine Vevay gerade gegenuͤber an dem mittaͤglichen Ufer des Sees liegende wilde Gegend in den Bergen. Zu ihrer Nahrung waͤchſt da nichts als Caſtanien; und andern Verdienſt haben ſie auch nicht, als daß ſie Holzkohlen brennen, und aus den Tannen, womit ihre Berge bewachſen ſind, Kiſten von jeder Groͤße ver- D 4

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/73>, abgerufen am 23.11.2024.