Grund die Stadt Vevay gebaut ist. Die Berge, welche den hintern Grund desselben ausmachen, wer- den an der Nordseite etwas niedriger, und dort geht von dem See aus der Weg nach dem Canton Frey- burg hinüber.
Durch diese Lage ist also die Stadt von allen Sei- ten mit hohen Bergen umgeben, welche die Winde abhalten. Nur gegen Mittag, wo der See liegt, ist es offen. Daher kommt es ohne Zweifel, daß die Winter hier gelinder sind, als in den herumliegenden Gegenden. Das von der Stadt an gegen die Berge sich allmählig erhöhende Land ist sowohl auf den ver- schiedenen Hügeln, als den dazwischen liegenden Tie- fen, sehr fruchtbar, mithin in schöne Gärten, Wie- sen, Weinberge und Acker eingetheilt, und mit einer Menge artiger Lusthäuser und anderer einzeler Wohn- häuser besetzt. Hinter diesen aber sieht man an den Hö- hen und Bergen ganze Dörfer, so daß die Aussicht von dem Ufer des Sees in dieses Amphitheater eine große Mannigfaltigkeit von Gegenständen zeiget. Gerade gegen der Stadt über sieht man an dem jenseitigen Ufer des Sees die hohen, sehr steilen und wilden Berge, die theils in Savoyen, theils im Gebiete der Republik Wallis liegen. Nach der südwestlichen Gegend aber hat man eine freye Aussicht über den See herunter, die so weit geht, als das Auge reichen kann.
Die Stadt selbst besteht aus wenigen langen und nicht breiten Straßen. Die Häuser aber sind durch- gehends wohl gebaut, und kündigen einen beträchtli- chen Wohlstand der Einwohner an. Diese selbst scheinen ein freyes, vergnügtes, seinen Wohlstand fühlendes, dabey angenehmes und gefälliges Volk zu
seyn.
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gethanen Reiſe.
Grund die Stadt Vevay gebaut iſt. Die Berge, welche den hintern Grund deſſelben ausmachen, wer- den an der Nordſeite etwas niedriger, und dort geht von dem See aus der Weg nach dem Canton Frey- burg hinuͤber.
Durch dieſe Lage iſt alſo die Stadt von allen Sei- ten mit hohen Bergen umgeben, welche die Winde abhalten. Nur gegen Mittag, wo der See liegt, iſt es offen. Daher kommt es ohne Zweifel, daß die Winter hier gelinder ſind, als in den herumliegenden Gegenden. Das von der Stadt an gegen die Berge ſich allmaͤhlig erhoͤhende Land iſt ſowohl auf den ver- ſchiedenen Huͤgeln, als den dazwiſchen liegenden Tie- fen, ſehr fruchtbar, mithin in ſchoͤne Gaͤrten, Wie- ſen, Weinberge und Acker eingetheilt, und mit einer Menge artiger Luſthaͤuſer und anderer einzeler Wohn- haͤuſer beſetzt. Hinter dieſen aber ſieht man an den Hoͤ- hen und Bergen ganze Doͤrfer, ſo daß die Ausſicht von dem Ufer des Sees in dieſes Amphitheater eine große Mannigfaltigkeit von Gegenſtaͤnden zeiget. Gerade gegen der Stadt uͤber ſieht man an dem jenſeitigen Ufer des Sees die hohen, ſehr ſteilen und wilden Berge, die theils in Savoyen, theils im Gebiete der Republik Wallis liegen. Nach der ſuͤdweſtlichen Gegend aber hat man eine freye Ausſicht uͤber den See herunter, die ſo weit geht, als das Auge reichen kann.
Die Stadt ſelbſt beſteht aus wenigen langen und nicht breiten Straßen. Die Haͤuſer aber ſind durch- gehends wohl gebaut, und kuͤndigen einen betraͤchtli- chen Wohlſtand der Einwohner an. Dieſe ſelbſt ſcheinen ein freyes, vergnuͤgtes, ſeinen Wohlſtand fuͤhlendes, dabey angenehmes und gefaͤlliges Volk zu
ſeyn.
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gethanen Reiſe.
Grund die Stadt Vevay gebaut iſt. Die Berge,
welche den hintern Grund deſſelben ausmachen, wer-
den an der Nordſeite etwas niedriger, und dort geht
von dem See aus der Weg nach dem Canton Frey-
burg hinuͤber.
Durch dieſe Lage iſt alſo die Stadt von allen Sei-
ten mit hohen Bergen umgeben, welche die Winde
abhalten. Nur gegen Mittag, wo der See liegt,
iſt es offen. Daher kommt es ohne Zweifel, daß die
Winter hier gelinder ſind, als in den herumliegenden
Gegenden. Das von der Stadt an gegen die Berge
ſich allmaͤhlig erhoͤhende Land iſt ſowohl auf den ver-
ſchiedenen Huͤgeln, als den dazwiſchen liegenden Tie-
fen, ſehr fruchtbar, mithin in ſchoͤne Gaͤrten, Wie-
ſen, Weinberge und Acker eingetheilt, und mit einer
Menge artiger Luſthaͤuſer und anderer einzeler Wohn-
haͤuſer beſetzt. Hinter dieſen aber ſieht man an den Hoͤ-
hen und Bergen ganze Doͤrfer, ſo daß die Ausſicht von
dem Ufer des Sees in dieſes Amphitheater eine große
Mannigfaltigkeit von Gegenſtaͤnden zeiget. Gerade
gegen der Stadt uͤber ſieht man an dem jenſeitigen Ufer
des Sees die hohen, ſehr ſteilen und wilden Berge, die
theils in Savoyen, theils im Gebiete der Republik
Wallis liegen. Nach der ſuͤdweſtlichen Gegend aber
hat man eine freye Ausſicht uͤber den See herunter,
die ſo weit geht, als das Auge reichen kann.
Die Stadt ſelbſt beſteht aus wenigen langen und
nicht breiten Straßen. Die Haͤuſer aber ſind durch-
gehends wohl gebaut, und kuͤndigen einen betraͤchtli-
chen Wohlſtand der Einwohner an. Dieſe ſelbſt
ſcheinen ein freyes, vergnuͤgtes, ſeinen Wohlſtand
fuͤhlendes, dabey angenehmes und gefaͤlliges Volk zu
ſeyn.
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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/71>, abgerufen am 05.05.2024.
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