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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.
und der Chevalier de Foncenex, zwey vorzüglich
für die höhern Wissenschaften gemachte Köpfe; diese
nebst dem Herrn Cigna, jetzigem Prosessor der Ana-
tomie, einem scharfsinnigen Naturforscher, kamen
oft zusammen, um allerhand physische Versuche zu
machen, und sich über physische und mathematische
Materien zu unterhalten. Der jetzige König, da-
mals Prinz von Piemont, hatte von den Bemühun-
gen und Zusammenkünften dieser jungen Gelehrten ge-
hört, und interessirte sich sogleich dafür, und ermun-
terte sie zu Fortsetzung derselben. Nachdem sie im
Jahr 1759 eine Sammlung einiger merkwürdigen
Aufsätze unter dem Titel: Miscellanea Societatis pri-
vatae Taurinensis,
herausgegeben hatte, wurde ihr
von dem verstorbenen Könige der Titel einer königli-
chen Gesellschaft der Wissenschaften beygelegt. Die-
ses ist aber alles, was bisher der Hof für dieselbe ge-
than hat. Es läßt sich vermuthen, daß von gewis-
sen Geistlichen, denen an Aufklärung des menschli-
chen Geistes wenig gelegen ist, unter der Hand die
Hindernisse in den Weg gelegt worden, die der Auf-
nahme dieser Gesellschaft entgegen sind.

Diesen Leuten muß man es auch zuschreiben, daß
die Büchercensur in den Staaten des Königs von
Sardinien von äußerster Strenge ist. Es läßt sich
auch gar wohl begreifen, wie es ehedem an dem turi-
nischen Hofe zur Staatsmaxime geworden, sich den
Pabst zum Freunde zu machen. Die Maxime
scheint geblieben zu seyn, obgleich der Einfluß dieses
Haupts der Kirche auf die großen politischen Geschäffte
ziemlich schwach geworden ist.

So

von Nizza nach Deutſchland.
und der Chevalier de Foncenex, zwey vorzuͤglich
fuͤr die hoͤhern Wiſſenſchaften gemachte Koͤpfe; dieſe
nebſt dem Herrn Cigna, jetzigem Proſeſſor der Ana-
tomie, einem ſcharfſinnigen Naturforſcher, kamen
oft zuſammen, um allerhand phyſiſche Verſuche zu
machen, und ſich uͤber phyſiſche und mathematiſche
Materien zu unterhalten. Der jetzige Koͤnig, da-
mals Prinz von Piemont, hatte von den Bemuͤhun-
gen und Zuſammenkuͤnften dieſer jungen Gelehrten ge-
hoͤrt, und intereſſirte ſich ſogleich dafuͤr, und ermun-
terte ſie zu Fortſetzung derſelben. Nachdem ſie im
Jahr 1759 eine Sammlung einiger merkwuͤrdigen
Aufſaͤtze unter dem Titel: Miſcellanea Societatis pri-
vatae Taurinenſis,
herausgegeben hatte, wurde ihr
von dem verſtorbenen Koͤnige der Titel einer koͤnigli-
chen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften beygelegt. Die-
ſes iſt aber alles, was bisher der Hof fuͤr dieſelbe ge-
than hat. Es laͤßt ſich vermuthen, daß von gewiſ-
ſen Geiſtlichen, denen an Aufklaͤrung des menſchli-
chen Geiſtes wenig gelegen iſt, unter der Hand die
Hinderniſſe in den Weg gelegt worden, die der Auf-
nahme dieſer Geſellſchaft entgegen ſind.

Dieſen Leuten muß man es auch zuſchreiben, daß
die Buͤchercenſur in den Staaten des Koͤnigs von
Sardinien von aͤußerſter Strenge iſt. Es laͤßt ſich
auch gar wohl begreifen, wie es ehedem an dem turi-
niſchen Hofe zur Staatsmaxime geworden, ſich den
Pabſt zum Freunde zu machen. Die Maxime
ſcheint geblieben zu ſeyn, obgleich der Einfluß dieſes
Haupts der Kirche auf die großen politiſchen Geſchaͤffte
ziemlich ſchwach geworden iſt.

So
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[317/0337] von Nizza nach Deutſchland. und der Chevalier de Foncenex, zwey vorzuͤglich fuͤr die hoͤhern Wiſſenſchaften gemachte Koͤpfe; dieſe nebſt dem Herrn Cigna, jetzigem Proſeſſor der Ana- tomie, einem ſcharfſinnigen Naturforſcher, kamen oft zuſammen, um allerhand phyſiſche Verſuche zu machen, und ſich uͤber phyſiſche und mathematiſche Materien zu unterhalten. Der jetzige Koͤnig, da- mals Prinz von Piemont, hatte von den Bemuͤhun- gen und Zuſammenkuͤnften dieſer jungen Gelehrten ge- hoͤrt, und intereſſirte ſich ſogleich dafuͤr, und ermun- terte ſie zu Fortſetzung derſelben. Nachdem ſie im Jahr 1759 eine Sammlung einiger merkwuͤrdigen Aufſaͤtze unter dem Titel: Miſcellanea Societatis pri- vatae Taurinenſis, herausgegeben hatte, wurde ihr von dem verſtorbenen Koͤnige der Titel einer koͤnigli- chen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften beygelegt. Die- ſes iſt aber alles, was bisher der Hof fuͤr dieſelbe ge- than hat. Es laͤßt ſich vermuthen, daß von gewiſ- ſen Geiſtlichen, denen an Aufklaͤrung des menſchli- chen Geiſtes wenig gelegen iſt, unter der Hand die Hinderniſſe in den Weg gelegt worden, die der Auf- nahme dieſer Geſellſchaft entgegen ſind. Dieſen Leuten muß man es auch zuſchreiben, daß die Buͤchercenſur in den Staaten des Koͤnigs von Sardinien von aͤußerſter Strenge iſt. Es laͤßt ſich auch gar wohl begreifen, wie es ehedem an dem turi- niſchen Hofe zur Staatsmaxime geworden, ſich den Pabſt zum Freunde zu machen. Die Maxime ſcheint geblieben zu ſeyn, obgleich der Einfluß dieſes Haupts der Kirche auf die großen politiſchen Geſchaͤffte ziemlich ſchwach geworden iſt. So

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/337>, abgerufen am 24.11.2024.