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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise

So viel habe ich über die öffentlichen Anstalten in
Turin für meinen Theil anzumerken gehabt.

Vermischte
Anmerkun-
gen über Sa-
voyen.

Jch will nur noch einige vermischte Anmerkungen,
die ich an diesem Orte gemacht habe, hier aufzeich-
nen. Ob sie gleich von keinem Belange sind, so schei-
nen sie mir der geringen Mühe des Aufzeichnens werth
zu seyn.

Die Regierung der königlichen Staaten auf dem
festen Lande schien mir, so weit ich sie kennen gelernt
habe, zwar über die Beobachtung der Gesetze, wie
billig, scharf; aber übrigens für den Unterthan nicht
drückend. Die zu den Lehngütern gehörigen Lände-
reyen sind von allen Abgaben befreyt; nur in Kriegs-
zeiten bezahlt der Besitzer des Lehns die sogenannte Ca-
valcade, und dieses beträgt ohngefähr den vierten
Theil der reinen Einkünfte der Güter. Die gemei-
ne Landtaxe ist sehr gernig, nämlich eins vom Hundert
der reinen Einkünfte. Der Landmann hat fast
gar keine Frohndienste für den Landesherrn zu thun.
Wenn an öffentlichen Landstraßen zu arbeiten ist, so
muß zwar jede Gemeinde die Arbeiter dazu geben, sie
werden aber von dem Könige bezahlt.

Daher steht der Landmann, der ein eigenthümli-
ches Gut hat, sehr wohl. Die kein Eigenthum ha-
ben, werden Pächter des Adels, oder anderer Besi-
tzer der Ländereyen. Die Pachten sind durchgehends
auf einerley Fuß eingerichtet: nämlich der Pachter
theilet mit dem Eigenthümer den Ertrag zu gleichen
Theilen. Die Saat aber wird gemeiniglich erst von
den eingeerndteten Früchten abgezogen. Dabey aber
behält sich der Eigenthümer die Nutzung der Maul-
beerbäume vor, die er besonders verpachtet. Auch blei-

bet
Tagebuch von der Ruͤckreiſe

So viel habe ich uͤber die oͤffentlichen Anſtalten in
Turin fuͤr meinen Theil anzumerken gehabt.

Vermiſchte
Anmerkun-
gen uͤber Sa-
voyen.

Jch will nur noch einige vermiſchte Anmerkungen,
die ich an dieſem Orte gemacht habe, hier aufzeich-
nen. Ob ſie gleich von keinem Belange ſind, ſo ſchei-
nen ſie mir der geringen Muͤhe des Aufzeichnens werth
zu ſeyn.

Die Regierung der koͤniglichen Staaten auf dem
feſten Lande ſchien mir, ſo weit ich ſie kennen gelernt
habe, zwar uͤber die Beobachtung der Geſetze, wie
billig, ſcharf; aber uͤbrigens fuͤr den Unterthan nicht
druͤckend. Die zu den Lehnguͤtern gehoͤrigen Laͤnde-
reyen ſind von allen Abgaben befreyt; nur in Kriegs-
zeiten bezahlt der Beſitzer des Lehns die ſogenannte Ca-
valcade, und dieſes betraͤgt ohngefaͤhr den vierten
Theil der reinen Einkuͤnfte der Guͤter. Die gemei-
ne Landtaxe iſt ſehr gernig, naͤmlich eins vom Hundert
der reinen Einkuͤnfte. Der Landmann hat faſt
gar keine Frohndienſte fuͤr den Landesherrn zu thun.
Wenn an oͤffentlichen Landſtraßen zu arbeiten iſt, ſo
muß zwar jede Gemeinde die Arbeiter dazu geben, ſie
werden aber von dem Koͤnige bezahlt.

Daher ſteht der Landmann, der ein eigenthuͤmli-
ches Gut hat, ſehr wohl. Die kein Eigenthum ha-
ben, werden Paͤchter des Adels, oder anderer Beſi-
tzer der Laͤndereyen. Die Pachten ſind durchgehends
auf einerley Fuß eingerichtet: naͤmlich der Pachter
theilet mit dem Eigenthuͤmer den Ertrag zu gleichen
Theilen. Die Saat aber wird gemeiniglich erſt von
den eingeerndteten Fruͤchten abgezogen. Dabey aber
behaͤlt ſich der Eigenthuͤmer die Nutzung der Maul-
beerbaͤume vor, die er beſonders verpachtet. Auch blei-

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[318/0338] Tagebuch von der Ruͤckreiſe So viel habe ich uͤber die oͤffentlichen Anſtalten in Turin fuͤr meinen Theil anzumerken gehabt. Jch will nur noch einige vermiſchte Anmerkungen, die ich an dieſem Orte gemacht habe, hier aufzeich- nen. Ob ſie gleich von keinem Belange ſind, ſo ſchei- nen ſie mir der geringen Muͤhe des Aufzeichnens werth zu ſeyn. Die Regierung der koͤniglichen Staaten auf dem feſten Lande ſchien mir, ſo weit ich ſie kennen gelernt habe, zwar uͤber die Beobachtung der Geſetze, wie billig, ſcharf; aber uͤbrigens fuͤr den Unterthan nicht druͤckend. Die zu den Lehnguͤtern gehoͤrigen Laͤnde- reyen ſind von allen Abgaben befreyt; nur in Kriegs- zeiten bezahlt der Beſitzer des Lehns die ſogenannte Ca- valcade, und dieſes betraͤgt ohngefaͤhr den vierten Theil der reinen Einkuͤnfte der Guͤter. Die gemei- ne Landtaxe iſt ſehr gernig, naͤmlich eins vom Hundert der reinen Einkuͤnfte. Der Landmann hat faſt gar keine Frohndienſte fuͤr den Landesherrn zu thun. Wenn an oͤffentlichen Landſtraßen zu arbeiten iſt, ſo muß zwar jede Gemeinde die Arbeiter dazu geben, ſie werden aber von dem Koͤnige bezahlt. Daher ſteht der Landmann, der ein eigenthuͤmli- ches Gut hat, ſehr wohl. Die kein Eigenthum ha- ben, werden Paͤchter des Adels, oder anderer Beſi- tzer der Laͤndereyen. Die Pachten ſind durchgehends auf einerley Fuß eingerichtet: naͤmlich der Pachter theilet mit dem Eigenthuͤmer den Ertrag zu gleichen Theilen. Die Saat aber wird gemeiniglich erſt von den eingeerndteten Fruͤchten abgezogen. Dabey aber behaͤlt ſich der Eigenthuͤmer die Nutzung der Maul- beerbaͤume vor, die er beſonders verpachtet. Auch blei- bet

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/338>, abgerufen am 24.11.2024.