So viel habe ich über die öffentlichen Anstalten in Turin für meinen Theil anzumerken gehabt.
Vermischte Anmerkun- gen über Sa- voyen.
Jch will nur noch einige vermischte Anmerkungen, die ich an diesem Orte gemacht habe, hier aufzeich- nen. Ob sie gleich von keinem Belange sind, so schei- nen sie mir der geringen Mühe des Aufzeichnens werth zu seyn.
Die Regierung der königlichen Staaten auf dem festen Lande schien mir, so weit ich sie kennen gelernt habe, zwar über die Beobachtung der Gesetze, wie billig, scharf; aber übrigens für den Unterthan nicht drückend. Die zu den Lehngütern gehörigen Lände- reyen sind von allen Abgaben befreyt; nur in Kriegs- zeiten bezahlt der Besitzer des Lehns die sogenannte Ca- valcade, und dieses beträgt ohngefähr den vierten Theil der reinen Einkünfte der Güter. Die gemei- ne Landtaxe ist sehr gernig, nämlich eins vom Hundert der reinen Einkünfte. Der Landmann hat fast gar keine Frohndienste für den Landesherrn zu thun. Wenn an öffentlichen Landstraßen zu arbeiten ist, so muß zwar jede Gemeinde die Arbeiter dazu geben, sie werden aber von dem Könige bezahlt.
Daher steht der Landmann, der ein eigenthümli- ches Gut hat, sehr wohl. Die kein Eigenthum ha- ben, werden Pächter des Adels, oder anderer Besi- tzer der Ländereyen. Die Pachten sind durchgehends auf einerley Fuß eingerichtet: nämlich der Pachter theilet mit dem Eigenthümer den Ertrag zu gleichen Theilen. Die Saat aber wird gemeiniglich erst von den eingeerndteten Früchten abgezogen. Dabey aber behält sich der Eigenthümer die Nutzung der Maul- beerbäume vor, die er besonders verpachtet. Auch blei-
bet
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
So viel habe ich uͤber die oͤffentlichen Anſtalten in Turin fuͤr meinen Theil anzumerken gehabt.
Vermiſchte Anmerkun- gen uͤber Sa- voyen.
Jch will nur noch einige vermiſchte Anmerkungen, die ich an dieſem Orte gemacht habe, hier aufzeich- nen. Ob ſie gleich von keinem Belange ſind, ſo ſchei- nen ſie mir der geringen Muͤhe des Aufzeichnens werth zu ſeyn.
Die Regierung der koͤniglichen Staaten auf dem feſten Lande ſchien mir, ſo weit ich ſie kennen gelernt habe, zwar uͤber die Beobachtung der Geſetze, wie billig, ſcharf; aber uͤbrigens fuͤr den Unterthan nicht druͤckend. Die zu den Lehnguͤtern gehoͤrigen Laͤnde- reyen ſind von allen Abgaben befreyt; nur in Kriegs- zeiten bezahlt der Beſitzer des Lehns die ſogenannte Ca- valcade, und dieſes betraͤgt ohngefaͤhr den vierten Theil der reinen Einkuͤnfte der Guͤter. Die gemei- ne Landtaxe iſt ſehr gernig, naͤmlich eins vom Hundert der reinen Einkuͤnfte. Der Landmann hat faſt gar keine Frohndienſte fuͤr den Landesherrn zu thun. Wenn an oͤffentlichen Landſtraßen zu arbeiten iſt, ſo muß zwar jede Gemeinde die Arbeiter dazu geben, ſie werden aber von dem Koͤnige bezahlt.
Daher ſteht der Landmann, der ein eigenthuͤmli- ches Gut hat, ſehr wohl. Die kein Eigenthum ha- ben, werden Paͤchter des Adels, oder anderer Beſi- tzer der Laͤndereyen. Die Pachten ſind durchgehends auf einerley Fuß eingerichtet: naͤmlich der Pachter theilet mit dem Eigenthuͤmer den Ertrag zu gleichen Theilen. Die Saat aber wird gemeiniglich erſt von den eingeerndteten Fruͤchten abgezogen. Dabey aber behaͤlt ſich der Eigenthuͤmer die Nutzung der Maul- beerbaͤume vor, die er beſonders verpachtet. Auch blei-
bet
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><pbfacs="#f0338"n="318"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von der Ruͤckreiſe</hi></fw><lb/><p>So viel habe ich uͤber die oͤffentlichen Anſtalten in<lb/><hirendition="#fr">Turin</hi> fuͤr meinen Theil anzumerken gehabt.</p><lb/><noteplace="left">Vermiſchte<lb/>
Anmerkun-<lb/>
gen uͤber Sa-<lb/>
voyen.</note><p>Jch will nur noch einige vermiſchte Anmerkungen,<lb/>
die ich an dieſem Orte gemacht habe, hier aufzeich-<lb/>
nen. Ob ſie gleich von keinem Belange ſind, ſo ſchei-<lb/>
nen ſie mir der geringen Muͤhe des Aufzeichnens werth<lb/>
zu ſeyn.</p><lb/><p>Die Regierung der koͤniglichen Staaten auf dem<lb/>
feſten Lande ſchien mir, ſo weit ich ſie kennen gelernt<lb/>
habe, zwar uͤber die Beobachtung der Geſetze, wie<lb/>
billig, ſcharf; aber uͤbrigens fuͤr den Unterthan nicht<lb/>
druͤckend. Die zu den Lehnguͤtern gehoͤrigen Laͤnde-<lb/>
reyen ſind von allen Abgaben befreyt; nur in Kriegs-<lb/>
zeiten bezahlt der Beſitzer des Lehns die ſogenannte Ca-<lb/>
valcade, und dieſes betraͤgt ohngefaͤhr den vierten<lb/>
Theil der reinen Einkuͤnfte der Guͤter. Die gemei-<lb/>
ne Landtaxe iſt ſehr gernig, naͤmlich eins vom Hundert<lb/>
der reinen Einkuͤnfte. Der Landmann hat faſt<lb/>
gar keine Frohndienſte fuͤr den Landesherrn zu thun.<lb/>
Wenn an oͤffentlichen Landſtraßen zu arbeiten iſt, ſo<lb/>
muß zwar jede Gemeinde die Arbeiter dazu geben, ſie<lb/>
werden aber von dem Koͤnige bezahlt.</p><lb/><p>Daher ſteht der Landmann, der ein eigenthuͤmli-<lb/>
ches Gut hat, ſehr wohl. Die kein Eigenthum ha-<lb/>
ben, werden Paͤchter des Adels, oder anderer Beſi-<lb/>
tzer der Laͤndereyen. Die Pachten ſind durchgehends<lb/>
auf einerley Fuß eingerichtet: naͤmlich der Pachter<lb/>
theilet mit dem Eigenthuͤmer den Ertrag zu gleichen<lb/>
Theilen. Die Saat aber wird gemeiniglich erſt von<lb/>
den eingeerndteten Fruͤchten abgezogen. Dabey aber<lb/>
behaͤlt ſich der Eigenthuͤmer die Nutzung der Maul-<lb/>
beerbaͤume vor, die er beſonders verpachtet. Auch blei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bet</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[318/0338]
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
So viel habe ich uͤber die oͤffentlichen Anſtalten in
Turin fuͤr meinen Theil anzumerken gehabt.
Jch will nur noch einige vermiſchte Anmerkungen,
die ich an dieſem Orte gemacht habe, hier aufzeich-
nen. Ob ſie gleich von keinem Belange ſind, ſo ſchei-
nen ſie mir der geringen Muͤhe des Aufzeichnens werth
zu ſeyn.
Die Regierung der koͤniglichen Staaten auf dem
feſten Lande ſchien mir, ſo weit ich ſie kennen gelernt
habe, zwar uͤber die Beobachtung der Geſetze, wie
billig, ſcharf; aber uͤbrigens fuͤr den Unterthan nicht
druͤckend. Die zu den Lehnguͤtern gehoͤrigen Laͤnde-
reyen ſind von allen Abgaben befreyt; nur in Kriegs-
zeiten bezahlt der Beſitzer des Lehns die ſogenannte Ca-
valcade, und dieſes betraͤgt ohngefaͤhr den vierten
Theil der reinen Einkuͤnfte der Guͤter. Die gemei-
ne Landtaxe iſt ſehr gernig, naͤmlich eins vom Hundert
der reinen Einkuͤnfte. Der Landmann hat faſt
gar keine Frohndienſte fuͤr den Landesherrn zu thun.
Wenn an oͤffentlichen Landſtraßen zu arbeiten iſt, ſo
muß zwar jede Gemeinde die Arbeiter dazu geben, ſie
werden aber von dem Koͤnige bezahlt.
Daher ſteht der Landmann, der ein eigenthuͤmli-
ches Gut hat, ſehr wohl. Die kein Eigenthum ha-
ben, werden Paͤchter des Adels, oder anderer Beſi-
tzer der Laͤndereyen. Die Pachten ſind durchgehends
auf einerley Fuß eingerichtet: naͤmlich der Pachter
theilet mit dem Eigenthuͤmer den Ertrag zu gleichen
Theilen. Die Saat aber wird gemeiniglich erſt von
den eingeerndteten Fruͤchten abgezogen. Dabey aber
behaͤlt ſich der Eigenthuͤmer die Nutzung der Maul-
beerbaͤume vor, die er beſonders verpachtet. Auch blei-
bet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/338>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.