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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.

Das Land ist durchgehends, einige halb m orasti-
ge Tiefen ausgenommen, dürre. Nichts ist seltener,
als eine Wasserquelle mitten in so vielen Bergen.
Man trifft etliche wenige sehr seichte Bächelchen an,
deren weniges Wasser aber sehr gut genutzt wird, wie
ich hernach melden werde, wenn ich den hiesigen Land-
bau beschreiben werde. So viel von dem äußern An-
sehen des Landes.

Nun will ich versuchen, von den Einwohnern der
Stadt und des Landes, ihren Beschäfftigungen, ih-
rer Lebensart und ihren Sitten, das, was ich gesehen,
oder doch zuverläßig erfahren habe, deutlich vor-
zustellen.

Man rechnet die Anzahl der Einwohner in derEinwohner
von Nizza.

Stadt auf 25000, aber die Zahl scheint mir zu
groß; wiewohl ich nicht läugnen kann, daß auf den
Straßen es ziemlich von Menschen wimmelt. Der
Adel ist hier ziemlich zahlreich, aber größtentheils un-Der Adel.
vermögend. Wenn man drey oder vier der ersten
Häuser ausnimmt, die man hier reich nennen kann,
weil sie von 20 bis 50000 Lire *) Einkünfte haben,
und dann eine kleine Anzahl derer, die von Bedienun-
gen leben, so ist der übrige Theil des Adels ärmlich,
und ein Theil ganz arm und elend.

Man siehet deswegen hier nichts von der in gros-
sen Städten durch ganz Europa herrschenden Ueppig-
keit, keine reichen Equipagen, die man ohnedem in
einem Lande wo keine Fahrwege, und in einer Stadt,
wo wenig Straßen sind, durch die man in Kutschen
fahren könnte, entbehren kann; keine öffentliche kost-

bare
*) Eine Lire de Piemont ist ohngefähr 7 Groschen in
sächsischem Gelde.
gethanen Reiſe.

Das Land iſt durchgehends, einige halb m oraſti-
ge Tiefen ausgenommen, duͤrre. Nichts iſt ſeltener,
als eine Waſſerquelle mitten in ſo vielen Bergen.
Man trifft etliche wenige ſehr ſeichte Baͤchelchen an,
deren weniges Waſſer aber ſehr gut genutzt wird, wie
ich hernach melden werde, wenn ich den hieſigen Land-
bau beſchreiben werde. So viel von dem aͤußern An-
ſehen des Landes.

Nun will ich verſuchen, von den Einwohnern der
Stadt und des Landes, ihren Beſchaͤfftigungen, ih-
rer Lebensart und ihren Sitten, das, was ich geſehen,
oder doch zuverlaͤßig erfahren habe, deutlich vor-
zuſtellen.

Man rechnet die Anzahl der Einwohner in derEinwohner
von Nizza.

Stadt auf 25000, aber die Zahl ſcheint mir zu
groß; wiewohl ich nicht laͤugnen kann, daß auf den
Straßen es ziemlich von Menſchen wimmelt. Der
Adel iſt hier ziemlich zahlreich, aber groͤßtentheils un-Der Adel.
vermoͤgend. Wenn man drey oder vier der erſten
Haͤuſer ausnimmt, die man hier reich nennen kann,
weil ſie von 20 bis 50000 Lire *) Einkuͤnfte haben,
und dann eine kleine Anzahl derer, die von Bedienun-
gen leben, ſo iſt der uͤbrige Theil des Adels aͤrmlich,
und ein Theil ganz arm und elend.

Man ſiehet deswegen hier nichts von der in groſ-
ſen Staͤdten durch ganz Europa herrſchenden Ueppig-
keit, keine reichen Equipagen, die man ohnedem in
einem Lande wo keine Fahrwege, und in einer Stadt,
wo wenig Straßen ſind, durch die man in Kutſchen
fahren koͤnnte, entbehren kann; keine oͤffentliche koſt-

bare
*) Eine Lire de Piemont iſt ohngefaͤhr 7 Groſchen in
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[191/0211] gethanen Reiſe. Das Land iſt durchgehends, einige halb m oraſti- ge Tiefen ausgenommen, duͤrre. Nichts iſt ſeltener, als eine Waſſerquelle mitten in ſo vielen Bergen. Man trifft etliche wenige ſehr ſeichte Baͤchelchen an, deren weniges Waſſer aber ſehr gut genutzt wird, wie ich hernach melden werde, wenn ich den hieſigen Land- bau beſchreiben werde. So viel von dem aͤußern An- ſehen des Landes. Nun will ich verſuchen, von den Einwohnern der Stadt und des Landes, ihren Beſchaͤfftigungen, ih- rer Lebensart und ihren Sitten, das, was ich geſehen, oder doch zuverlaͤßig erfahren habe, deutlich vor- zuſtellen. Man rechnet die Anzahl der Einwohner in der Stadt auf 25000, aber die Zahl ſcheint mir zu groß; wiewohl ich nicht laͤugnen kann, daß auf den Straßen es ziemlich von Menſchen wimmelt. Der Adel iſt hier ziemlich zahlreich, aber groͤßtentheils un- vermoͤgend. Wenn man drey oder vier der erſten Haͤuſer ausnimmt, die man hier reich nennen kann, weil ſie von 20 bis 50000 Lire *) Einkuͤnfte haben, und dann eine kleine Anzahl derer, die von Bedienun- gen leben, ſo iſt der uͤbrige Theil des Adels aͤrmlich, und ein Theil ganz arm und elend. Einwohner von Nizza. Der Adel. Man ſiehet deswegen hier nichts von der in groſ- ſen Staͤdten durch ganz Europa herrſchenden Ueppig- keit, keine reichen Equipagen, die man ohnedem in einem Lande wo keine Fahrwege, und in einer Stadt, wo wenig Straßen ſind, durch die man in Kutſchen fahren koͤnnte, entbehren kann; keine oͤffentliche koſt- bare *) Eine Lire de Piemont iſt ohngefaͤhr 7 Groſchen in ſaͤchſiſchem Gelde.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/211>, abgerufen am 23.11.2024.