Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

gethanen Reise.
Nähe waren diese Bäume sehr schön anzusehen, weil
auf gar vielen reife, halbreife und dann blos ausge-
wachsene Früchte hiengen; demnach sah man an ei-
nem Baume Grün, Gelb, Purpur, Schwarz und
Weiß wunderbar durch einander gemischt. Dieser
ergötzende Anblick und das schönste helle Wetter, nebst
der angenehmen Wärme an der Mittagsseite eines Ge-
bürges, that fürtreffliche Wirkung auf meinen Kör-
per, und ich fühlte mich auf einmal weit munterer
und stärker als ich vorher war.

Jch sah hier nichts als junge Olivenbäume, und
hörte, daß vor etwa acht Jahren alle alten Bäume
dieser Gegend bis auf die Wurzeln erfroren sind. Die
jetzt so voll Früchte stunden, waren junger Aufschuß
aus alten Wurzeln.

Ueber Lambesc hin ist das Land wieder durchaus
felsig und kahl, eine beständige Abwechselung geringer
Höhen und Tiefen, und nur etwa zur Hälfte ange-
baut. Die vielen herumliegenden Berge machen doch
die Aussicht angenehm. Es ist ein Glück für dieses
Land, daß die Winter da so gelinde sind. Wär es
hier so kalt als in Deutschland, so müßte das Land
wegen Mangel des Holzes unbewohnt bleiben. Jch
habe fast auf dem ganzen Wege von Lyon herunter
bis Marseille kein ander Brennholz gesehen, als Rei-
ser vom Weinstock, dünne Aeste von geköpften Wei-
den und Maulbeerbäumen, das niedrige und schwache
Gesträuch von Rosmarin und dergleichen an den Ber-
gen wachsenden Sträuchern, und denn zur Seltenheit
etwa ein größeres Stück von einem abgestorbenen Oli-
ven- oder Mandelbaum.

Mein

gethanen Reiſe.
Naͤhe waren dieſe Baͤume ſehr ſchoͤn anzuſehen, weil
auf gar vielen reife, halbreife und dann blos ausge-
wachſene Fruͤchte hiengen; demnach ſah man an ei-
nem Baume Gruͤn, Gelb, Purpur, Schwarz und
Weiß wunderbar durch einander gemiſcht. Dieſer
ergoͤtzende Anblick und das ſchoͤnſte helle Wetter, nebſt
der angenehmen Waͤrme an der Mittagsſeite eines Ge-
buͤrges, that fuͤrtreffliche Wirkung auf meinen Koͤr-
per, und ich fuͤhlte mich auf einmal weit munterer
und ſtaͤrker als ich vorher war.

Jch ſah hier nichts als junge Olivenbaͤume, und
hoͤrte, daß vor etwa acht Jahren alle alten Baͤume
dieſer Gegend bis auf die Wurzeln erfroren ſind. Die
jetzt ſo voll Fruͤchte ſtunden, waren junger Aufſchuß
aus alten Wurzeln.

Ueber Lambeſc hin iſt das Land wieder durchaus
felſig und kahl, eine beſtaͤndige Abwechſelung geringer
Hoͤhen und Tiefen, und nur etwa zur Haͤlfte ange-
baut. Die vielen herumliegenden Berge machen doch
die Ausſicht angenehm. Es iſt ein Gluͤck fuͤr dieſes
Land, daß die Winter da ſo gelinde ſind. Waͤr es
hier ſo kalt als in Deutſchland, ſo muͤßte das Land
wegen Mangel des Holzes unbewohnt bleiben. Jch
habe faſt auf dem ganzen Wege von Lyon herunter
bis Marſeille kein ander Brennholz geſehen, als Rei-
ſer vom Weinſtock, duͤnne Aeſte von gekoͤpften Wei-
den und Maulbeerbaͤumen, das niedrige und ſchwache
Geſtraͤuch von Rosmarin und dergleichen an den Ber-
gen wachſenden Straͤuchern, und denn zur Seltenheit
etwa ein groͤßeres Stuͤck von einem abgeſtorbenen Oli-
ven- oder Mandelbaum.

Mein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">gethanen Rei&#x017F;e.</hi></fw><lb/>
Na&#x0364;he waren die&#x017F;e Ba&#x0364;ume &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;n anzu&#x017F;ehen, weil<lb/>
auf gar vielen reife, halbreife und dann blos ausge-<lb/>
wach&#x017F;ene Fru&#x0364;chte hiengen; demnach &#x017F;ah man an ei-<lb/>
nem Baume Gru&#x0364;n, Gelb, Purpur, Schwarz und<lb/>
Weiß wunderbar durch einander gemi&#x017F;cht. Die&#x017F;er<lb/>
ergo&#x0364;tzende Anblick und das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te helle Wetter, neb&#x017F;t<lb/>
der angenehmen Wa&#x0364;rme an der Mittags&#x017F;eite eines Ge-<lb/>
bu&#x0364;rges, that fu&#x0364;rtreffliche Wirkung auf meinen Ko&#x0364;r-<lb/>
per, und ich fu&#x0364;hlte mich auf einmal weit munterer<lb/>
und &#x017F;ta&#x0364;rker als ich vorher war.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;ah hier nichts als junge Olivenba&#x0364;ume, und<lb/>
ho&#x0364;rte, daß vor etwa acht Jahren alle alten Ba&#x0364;ume<lb/>
die&#x017F;er Gegend bis auf die Wurzeln erfroren &#x017F;ind. Die<lb/>
jetzt &#x017F;o voll Fru&#x0364;chte &#x017F;tunden, waren junger Auf&#x017F;chuß<lb/>
aus alten Wurzeln.</p><lb/>
          <p>Ueber <hi rendition="#fr">Lambe&#x017F;c</hi> hin i&#x017F;t das Land wieder durchaus<lb/>
fel&#x017F;ig und kahl, eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige Abwech&#x017F;elung geringer<lb/>
Ho&#x0364;hen und Tiefen, und nur etwa zur Ha&#x0364;lfte ange-<lb/>
baut. Die vielen herumliegenden Berge machen doch<lb/>
die Aus&#x017F;icht angenehm. Es i&#x017F;t ein Glu&#x0364;ck fu&#x0364;r die&#x017F;es<lb/>
Land, daß die Winter da &#x017F;o gelinde &#x017F;ind. Wa&#x0364;r es<lb/>
hier &#x017F;o kalt als in Deut&#x017F;chland, &#x017F;o mu&#x0364;ßte das Land<lb/>
wegen Mangel des Holzes unbewohnt bleiben. Jch<lb/>
habe fa&#x017F;t auf dem ganzen Wege von <hi rendition="#fr">Lyon</hi> herunter<lb/>
bis <hi rendition="#fr">Mar&#x017F;eille</hi> kein ander Brennholz ge&#x017F;ehen, als Rei-<lb/>
&#x017F;er vom Wein&#x017F;tock, du&#x0364;nne Ae&#x017F;te von geko&#x0364;pften Wei-<lb/>
den und Maulbeerba&#x0364;umen, das niedrige und &#x017F;chwache<lb/>
Ge&#x017F;tra&#x0364;uch von Rosmarin und dergleichen an den Ber-<lb/>
gen wach&#x017F;enden Stra&#x0364;uchern, und denn zur Seltenheit<lb/>
etwa ein gro&#x0364;ßeres Stu&#x0364;ck von einem abge&#x017F;torbenen Oli-<lb/>
ven- oder Mandelbaum.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Mein</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0129] gethanen Reiſe. Naͤhe waren dieſe Baͤume ſehr ſchoͤn anzuſehen, weil auf gar vielen reife, halbreife und dann blos ausge- wachſene Fruͤchte hiengen; demnach ſah man an ei- nem Baume Gruͤn, Gelb, Purpur, Schwarz und Weiß wunderbar durch einander gemiſcht. Dieſer ergoͤtzende Anblick und das ſchoͤnſte helle Wetter, nebſt der angenehmen Waͤrme an der Mittagsſeite eines Ge- buͤrges, that fuͤrtreffliche Wirkung auf meinen Koͤr- per, und ich fuͤhlte mich auf einmal weit munterer und ſtaͤrker als ich vorher war. Jch ſah hier nichts als junge Olivenbaͤume, und hoͤrte, daß vor etwa acht Jahren alle alten Baͤume dieſer Gegend bis auf die Wurzeln erfroren ſind. Die jetzt ſo voll Fruͤchte ſtunden, waren junger Aufſchuß aus alten Wurzeln. Ueber Lambeſc hin iſt das Land wieder durchaus felſig und kahl, eine beſtaͤndige Abwechſelung geringer Hoͤhen und Tiefen, und nur etwa zur Haͤlfte ange- baut. Die vielen herumliegenden Berge machen doch die Ausſicht angenehm. Es iſt ein Gluͤck fuͤr dieſes Land, daß die Winter da ſo gelinde ſind. Waͤr es hier ſo kalt als in Deutſchland, ſo muͤßte das Land wegen Mangel des Holzes unbewohnt bleiben. Jch habe faſt auf dem ganzen Wege von Lyon herunter bis Marſeille kein ander Brennholz geſehen, als Rei- ſer vom Weinſtock, duͤnne Aeſte von gekoͤpften Wei- den und Maulbeerbaͤumen, das niedrige und ſchwache Geſtraͤuch von Rosmarin und dergleichen an den Ber- gen wachſenden Straͤuchern, und denn zur Seltenheit etwa ein groͤßeres Stuͤck von einem abgeſtorbenen Oli- ven- oder Mandelbaum. Mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/129
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/129>, abgerufen am 02.05.2024.