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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza
Rinde haben. Die Eichen sind die sogenannten im-
mergrünen Steineichen (chene verd). Aber die Bäu-
me stehen sehr weitläuftig aus einander, und selten ist
einer über 20 Fuß hoch, oder unten am Stamm ei-
nen Fuß dick. Jn den Gründen zwischen den Hü-
geln, wohin durch die Länge der Zeit die von den
Bergen ausgewitterte Kalkerde durch das Regenwas-
ser gesammelt worden, sieht man doch Felder, die
mit viel Mandelbäumen besetzt sind.

Schöne Ge-
gend um
Lambesc.

Jm Herunterfahren von diesen Bergen hat man
eine reizende Aussicht über das tiefere Land um Lam-
besc
herum. Dieses ist ein wahres Paradies von
fruchtbaren Wein- und Kornfeldern, die mit einer er-
staunlichen Menge Olivenbäume besetzt sind. Was
diese Aussicht von der Höhe her noch sonderbarer
macht, ist die Art, wie die Felder hier abgetheilt sind.
Sie bestehen aus langen, nur etwa 12 Fuß breiten
Beeten, die wechselsweise mit Weinreben besetzt, und
mit Waizen besät sind. An einigen Orten laufen die-
se Beete ihrer Länge nach von Norden nach Süden,
an andern von Osten nach Westen. Daher siehet die
ganze Pläne von der Höhe wie ein buntgestreifter,
und mit Blumen besetzter seidener Teppich aus. Die
mit Weinreben besetzten Beete waren jetzt aus Grün,
Gelb und Roth vermischt; die, worauf die junge Wai-
zensäat stund, waren hellgrün; und die Olivenbäume
stellten die Blumen auf diesem Teppich vor. Jch er-
innere mich nicht, jemals eine so liebliche Aussicht ge-
habt zu haben, als diese war. Der ganze Weg an
dem Berge herunter ist dicht mit Olivenbäumen be-
setzt, die jetzt eben so voll Früchte hiengen, daß an
manchen mehr Oliven als Blätter waren. Jn der

Nä-

Tagebuch von einer nach Nizza
Rinde haben. Die Eichen ſind die ſogenannten im-
mergruͤnen Steineichen (chêne verd). Aber die Baͤu-
me ſtehen ſehr weitlaͤuftig aus einander, und ſelten iſt
einer uͤber 20 Fuß hoch, oder unten am Stamm ei-
nen Fuß dick. Jn den Gruͤnden zwiſchen den Huͤ-
geln, wohin durch die Laͤnge der Zeit die von den
Bergen ausgewitterte Kalkerde durch das Regenwaſ-
ſer geſammelt worden, ſieht man doch Felder, die
mit viel Mandelbaͤumen beſetzt ſind.

Schoͤne Ge-
gend um
Lambeſc.

Jm Herunterfahren von dieſen Bergen hat man
eine reizende Ausſicht uͤber das tiefere Land um Lam-
beſc
herum. Dieſes iſt ein wahres Paradies von
fruchtbaren Wein- und Kornfeldern, die mit einer er-
ſtaunlichen Menge Olivenbaͤume beſetzt ſind. Was
dieſe Ausſicht von der Hoͤhe her noch ſonderbarer
macht, iſt die Art, wie die Felder hier abgetheilt ſind.
Sie beſtehen aus langen, nur etwa 12 Fuß breiten
Beeten, die wechſelsweiſe mit Weinreben beſetzt, und
mit Waizen beſaͤt ſind. An einigen Orten laufen die-
ſe Beete ihrer Laͤnge nach von Norden nach Suͤden,
an andern von Oſten nach Weſten. Daher ſiehet die
ganze Plaͤne von der Hoͤhe wie ein buntgeſtreifter,
und mit Blumen beſetzter ſeidener Teppich aus. Die
mit Weinreben beſetzten Beete waren jetzt aus Gruͤn,
Gelb und Roth vermiſcht; die, worauf die junge Wai-
zenſaͤat ſtund, waren hellgruͤn; und die Olivenbaͤume
ſtellten die Blumen auf dieſem Teppich vor. Jch er-
innere mich nicht, jemals eine ſo liebliche Ausſicht ge-
habt zu haben, als dieſe war. Der ganze Weg an
dem Berge herunter iſt dicht mit Olivenbaͤumen be-
ſetzt, die jetzt eben ſo voll Fruͤchte hiengen, daß an
manchen mehr Oliven als Blaͤtter waren. Jn der

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[108/0128] Tagebuch von einer nach Nizza Rinde haben. Die Eichen ſind die ſogenannten im- mergruͤnen Steineichen (chêne verd). Aber die Baͤu- me ſtehen ſehr weitlaͤuftig aus einander, und ſelten iſt einer uͤber 20 Fuß hoch, oder unten am Stamm ei- nen Fuß dick. Jn den Gruͤnden zwiſchen den Huͤ- geln, wohin durch die Laͤnge der Zeit die von den Bergen ausgewitterte Kalkerde durch das Regenwaſ- ſer geſammelt worden, ſieht man doch Felder, die mit viel Mandelbaͤumen beſetzt ſind. Jm Herunterfahren von dieſen Bergen hat man eine reizende Ausſicht uͤber das tiefere Land um Lam- beſc herum. Dieſes iſt ein wahres Paradies von fruchtbaren Wein- und Kornfeldern, die mit einer er- ſtaunlichen Menge Olivenbaͤume beſetzt ſind. Was dieſe Ausſicht von der Hoͤhe her noch ſonderbarer macht, iſt die Art, wie die Felder hier abgetheilt ſind. Sie beſtehen aus langen, nur etwa 12 Fuß breiten Beeten, die wechſelsweiſe mit Weinreben beſetzt, und mit Waizen beſaͤt ſind. An einigen Orten laufen die- ſe Beete ihrer Laͤnge nach von Norden nach Suͤden, an andern von Oſten nach Weſten. Daher ſiehet die ganze Plaͤne von der Hoͤhe wie ein buntgeſtreifter, und mit Blumen beſetzter ſeidener Teppich aus. Die mit Weinreben beſetzten Beete waren jetzt aus Gruͤn, Gelb und Roth vermiſcht; die, worauf die junge Wai- zenſaͤat ſtund, waren hellgruͤn; und die Olivenbaͤume ſtellten die Blumen auf dieſem Teppich vor. Jch er- innere mich nicht, jemals eine ſo liebliche Ausſicht ge- habt zu haben, als dieſe war. Der ganze Weg an dem Berge herunter iſt dicht mit Olivenbaͤumen be- ſetzt, die jetzt eben ſo voll Fruͤchte hiengen, daß an manchen mehr Oliven als Blaͤtter waren. Jn der Naͤ-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/128>, abgerufen am 03.05.2024.