Es hat einer, Graunt oder Derham, das ich jetzt nicht finden kan, gemeinet, ob man nicht aus dem Unterscheid muthmaassen könne, daß ein Ort geschickter sey zu Söhnen als ein andrer? Allein noch zur Zeit läst sich hierinn gar nichts bestimmen. Doch hat mich diese Meinung veranlasset, daß ich die Dörfer im Hertzogthum Magdeburg besonders untersuchet. In der alten Natur-Lehre findet sich auch diese Meinung, daß starcke Leute wieder star- cke zeugen. Fortes creantur fortibus. Das wird nicht nur von der moralischen, sondern auch von der leiblichen Stärcke verstanden. Da nun die Frau- ens-Leute, in Ansehung der Kräfte des Leibes, schwä- cher als die Mannsen: so wird gefolgert, daß star- cke Männer eher Söhne als Töchter zeugen. In einem apocryphischen Buche Esra wird daher ge- schlossen, daß eine Frau zuerst müsse Söhne haben, weil sie im Anfang bey mehreren Kräften seyn soll als hernach, wenn sie schon etliche Kinder gehabt. Der bekannte Johannes Bodinus [l] hält die Ein- wohner der warmen Länder für schwächer als die in denen Abend-Ländern, wo es kälter. Dieses ist ihm gnug, um zu glauben, daß in denen war- men Landen vielmehr Mädgens als Jungens müs- sen erzeuget werden. Dieser Meinung möchte es nun wohl anjetzo am hinreichenden Grunde sehr starck fehlen, daraus sie begreiflich könte gemacht wer- den, nachdem man mit der grösten Wahrscheinlich- keit dargethan, daß der Mensch und andere Thiere darin mit allen Vegetabilien übereinkomme, daß er
schon
[l]in Theatro naturae.
des Maͤnnl. und Weibl. Geſchlechtes.
§. 47.
Es hat einer, Graunt oder Derham, das ich jetzt nicht finden kan, gemeinet, ob man nicht aus dem Unterſcheid muthmaaſſen koͤnne, daß ein Ort geſchickter ſey zu Soͤhnen als ein andrer? Allein noch zur Zeit laͤſt ſich hierinn gar nichts beſtimmen. Doch hat mich dieſe Meinung veranlaſſet, daß ich die Doͤrfer im Hertzogthum Magdeburg beſonders unterſuchet. In der alten Natur-Lehre findet ſich auch dieſe Meinung, daß ſtarcke Leute wieder ſtar- cke zeugen. Fortes creantur fortibus. Das wird nicht nur von der moraliſchen, ſondern auch von der leiblichen Staͤrcke verſtanden. Da nun die Frau- ens-Leute, in Anſehung der Kraͤfte des Leibes, ſchwaͤ- cher als die Mannſen: ſo wird gefolgert, daß ſtar- cke Maͤnner eher Soͤhne als Toͤchter zeugen. In einem apocryphiſchen Buche Eſra wird daher ge- ſchloſſen, daß eine Frau zuerſt muͤſſe Soͤhne haben, weil ſie im Anfang bey mehreren Kraͤften ſeyn ſoll als hernach, wenn ſie ſchon etliche Kinder gehabt. Der bekannte Johannes Bodinus [l] haͤlt die Ein- wohner der warmen Laͤnder fuͤr ſchwaͤcher als die in denen Abend-Laͤndern, wo es kaͤlter. Dieſes iſt ihm gnug, um zu glauben, daß in denen war- men Landen vielmehr Maͤdgens als Jungens muͤſ- ſen erzeuget werden. Dieſer Meinung moͤchte es nun wohl anjetzo am hinreichenden Grunde ſehr ſtarck fehlen, daraus ſie begreiflich koͤnte gemacht wer- den, nachdem man mit der groͤſten Wahrſcheinlich- keit dargethan, daß der Menſch und andere Thiere darin mit allen Vegetabilien uͤbereinkomme, daß er
ſchon
[l]in Theatro naturæ.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0189"n="143"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">des Maͤnnl. und Weibl. Geſchlechtes.</hi></fw><lb/><divn="2"><head>§. 47.</head><lb/><p>Es hat einer, Graunt oder Derham, das ich<lb/>
jetzt nicht finden kan, gemeinet, ob man nicht aus<lb/>
dem Unterſcheid muthmaaſſen koͤnne, daß ein Ort<lb/>
geſchickter ſey zu Soͤhnen als ein andrer? Allein<lb/>
noch zur Zeit laͤſt ſich hierinn gar nichts beſtimmen.<lb/>
Doch hat mich dieſe Meinung veranlaſſet, daß ich<lb/>
die Doͤrfer im Hertzogthum Magdeburg beſonders<lb/>
unterſuchet. In der alten Natur-Lehre findet ſich<lb/>
auch dieſe Meinung, daß ſtarcke Leute wieder ſtar-<lb/>
cke zeugen. <hirendition="#aq">Fortes creantur fortibus.</hi> Das wird<lb/>
nicht nur von der moraliſchen, ſondern auch von der<lb/>
leiblichen Staͤrcke verſtanden. Da nun die Frau-<lb/>
ens-Leute, in Anſehung der Kraͤfte des Leibes, ſchwaͤ-<lb/>
cher als die Mannſen: ſo wird gefolgert, daß ſtar-<lb/>
cke Maͤnner eher Soͤhne als Toͤchter zeugen. In<lb/>
einem apocryphiſchen Buche Eſra wird daher ge-<lb/>ſchloſſen, daß eine Frau zuerſt muͤſſe Soͤhne haben,<lb/>
weil ſie im Anfang bey mehreren Kraͤften ſeyn ſoll<lb/>
als hernach, wenn ſie ſchon etliche Kinder gehabt.<lb/>
Der bekannte Johannes Bodinus <noteplace="foot"n="[l]"><hirendition="#aq">in Theatro naturæ.</hi></note> haͤlt die Ein-<lb/>
wohner der warmen Laͤnder fuͤr ſchwaͤcher als die<lb/>
in denen Abend-Laͤndern, wo es kaͤlter. Dieſes<lb/>
iſt ihm gnug, um zu glauben, daß in denen war-<lb/>
men Landen vielmehr Maͤdgens als Jungens muͤſ-<lb/>ſen erzeuget werden. Dieſer Meinung moͤchte es<lb/>
nun wohl anjetzo am hinreichenden Grunde ſehr<lb/>ſtarck fehlen, daraus ſie begreiflich koͤnte gemacht wer-<lb/>
den, nachdem man mit der groͤſten Wahrſcheinlich-<lb/>
keit dargethan, daß der Menſch und andere Thiere<lb/>
darin mit allen Vegetabilien uͤbereinkomme, daß er<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchon</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[143/0189]
des Maͤnnl. und Weibl. Geſchlechtes.
§. 47.
Es hat einer, Graunt oder Derham, das ich
jetzt nicht finden kan, gemeinet, ob man nicht aus
dem Unterſcheid muthmaaſſen koͤnne, daß ein Ort
geſchickter ſey zu Soͤhnen als ein andrer? Allein
noch zur Zeit laͤſt ſich hierinn gar nichts beſtimmen.
Doch hat mich dieſe Meinung veranlaſſet, daß ich
die Doͤrfer im Hertzogthum Magdeburg beſonders
unterſuchet. In der alten Natur-Lehre findet ſich
auch dieſe Meinung, daß ſtarcke Leute wieder ſtar-
cke zeugen. Fortes creantur fortibus. Das wird
nicht nur von der moraliſchen, ſondern auch von der
leiblichen Staͤrcke verſtanden. Da nun die Frau-
ens-Leute, in Anſehung der Kraͤfte des Leibes, ſchwaͤ-
cher als die Mannſen: ſo wird gefolgert, daß ſtar-
cke Maͤnner eher Soͤhne als Toͤchter zeugen. In
einem apocryphiſchen Buche Eſra wird daher ge-
ſchloſſen, daß eine Frau zuerſt muͤſſe Soͤhne haben,
weil ſie im Anfang bey mehreren Kraͤften ſeyn ſoll
als hernach, wenn ſie ſchon etliche Kinder gehabt.
Der bekannte Johannes Bodinus [l] haͤlt die Ein-
wohner der warmen Laͤnder fuͤr ſchwaͤcher als die
in denen Abend-Laͤndern, wo es kaͤlter. Dieſes
iſt ihm gnug, um zu glauben, daß in denen war-
men Landen vielmehr Maͤdgens als Jungens muͤſ-
ſen erzeuget werden. Dieſer Meinung moͤchte es
nun wohl anjetzo am hinreichenden Grunde ſehr
ſtarck fehlen, daraus ſie begreiflich koͤnte gemacht wer-
den, nachdem man mit der groͤſten Wahrſcheinlich-
keit dargethan, daß der Menſch und andere Thiere
darin mit allen Vegetabilien uͤbereinkomme, daß er
ſchon
[l] in Theatro naturæ.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Süssmilch, Johann Peter: Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben. Berlin, 1741, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suessmilch_ordnung_1741/189>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.