Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

ohne zu bedenken, daß diese Quelle nun in voller Reife, in sommerlicher Fülle prangte, aber nicht mehr in der ersten Blüte des Lenzes.

Hätte sie sich ihm zu dieser Stunde hingegeben, so hätte er gewiß die unaussprechlichen Wonnen des Besitzes im Triumpf genossen. Aber Mira hatte ihn abgewiesen, und er wußte wohl, daß es jetzt zu Ende sei. Es schien ihm wie beim Zusammenbruche jeder Leidenschaft, als sei sein Herz nunmehr abgestorben, als habe er sein ganzes Leben auf diese Liebe aufgebaut, wie ein Spieler sein ganzes Vermögen auf eine Karte setzt. Versagte sie, so war er verloren. Verloren, denn sein Durst nach Liebe blieb ungestillt; und wenn er auch mit aller Macht seiner Seele lieben wollte, - er würde nicht mehr lieben können.

In seiner Verzweiflung schrie er wild auf, aus Schmerz und aus Zorn gegen Mira, aus unterdrückter Leidenschaft, aus verletztem Instinkt, als wäre er körperlich verwundet worden.

Er verließ das Instrument, das stumm und ohne Atem, wie mit entflohener Seele, gefühllos gegen seine kindischen Schläge dastand und schleppte sich auf die lange Terrasse, die das Dach des Kreuzgangs bildete. Von ihr aus überblickte man die von Moos

ohne zu bedenken, daß diese Quelle nun in voller Reife, in sommerlicher Fülle prangte, aber nicht mehr in der ersten Blüte des Lenzes.

Hätte sie sich ihm zu dieser Stunde hingegeben, so hätte er gewiß die unaussprechlichen Wonnen des Besitzes im Triumpf genossen. Aber Mira hatte ihn abgewiesen, und er wußte wohl, daß es jetzt zu Ende sei. Es schien ihm wie beim Zusammenbruche jeder Leidenschaft, als sei sein Herz nunmehr abgestorben, als habe er sein ganzes Leben auf diese Liebe aufgebaut, wie ein Spieler sein ganzes Vermögen auf eine Karte setzt. Versagte sie, so war er verloren. Verloren, denn sein Durst nach Liebe blieb ungestillt; und wenn er auch mit aller Macht seiner Seele lieben wollte, – er würde nicht mehr lieben können.

In seiner Verzweiflung schrie er wild auf, aus Schmerz und aus Zorn gegen Mira, aus unterdrückter Leidenschaft, aus verletztem Instinkt, als wäre er körperlich verwundet worden.

Er verließ das Instrument, das stumm und ohne Atem, wie mit entflohener Seele, gefühllos gegen seine kindischen Schläge dastand und schleppte sich auf die lange Terrasse, die das Dach des Kreuzgangs bildete. Von ihr aus überblickte man die von Moos

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="60"/>
ohne zu bedenken, daß diese Quelle nun in voller Reife, in sommerlicher Fülle prangte, aber nicht mehr in der ersten Blüte des Lenzes.</p>
        <p>Hätte sie sich ihm zu dieser Stunde hingegeben, so hätte er gewiß die unaussprechlichen Wonnen des Besitzes im Triumpf genossen. Aber Mira hatte ihn abgewiesen, und er wußte wohl, daß es jetzt zu Ende sei. Es schien ihm wie beim Zusammenbruche jeder Leidenschaft, als sei sein Herz nunmehr abgestorben, als habe er sein ganzes Leben auf diese Liebe aufgebaut, wie ein Spieler sein ganzes Vermögen auf eine Karte setzt. Versagte sie, so war er verloren. Verloren, denn sein Durst nach Liebe blieb ungestillt; und wenn er auch mit aller Macht seiner Seele lieben wollte, &#x2013; er würde nicht mehr lieben können.</p>
        <p>In seiner Verzweiflung schrie er wild auf, aus Schmerz und aus Zorn gegen Mira, aus unterdrückter Leidenschaft, aus verletztem Instinkt, als wäre er körperlich verwundet worden.</p>
        <p>Er verließ das Instrument, das stumm und ohne Atem, wie mit entflohener Seele, gefühllos gegen seine kindischen Schläge dastand und schleppte sich auf die lange Terrasse, die das Dach des Kreuzgangs bildete. Von ihr aus überblickte man die von Moos
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0061] ohne zu bedenken, daß diese Quelle nun in voller Reife, in sommerlicher Fülle prangte, aber nicht mehr in der ersten Blüte des Lenzes. Hätte sie sich ihm zu dieser Stunde hingegeben, so hätte er gewiß die unaussprechlichen Wonnen des Besitzes im Triumpf genossen. Aber Mira hatte ihn abgewiesen, und er wußte wohl, daß es jetzt zu Ende sei. Es schien ihm wie beim Zusammenbruche jeder Leidenschaft, als sei sein Herz nunmehr abgestorben, als habe er sein ganzes Leben auf diese Liebe aufgebaut, wie ein Spieler sein ganzes Vermögen auf eine Karte setzt. Versagte sie, so war er verloren. Verloren, denn sein Durst nach Liebe blieb ungestillt; und wenn er auch mit aller Macht seiner Seele lieben wollte, – er würde nicht mehr lieben können. In seiner Verzweiflung schrie er wild auf, aus Schmerz und aus Zorn gegen Mira, aus unterdrückter Leidenschaft, aus verletztem Instinkt, als wäre er körperlich verwundet worden. Er verließ das Instrument, das stumm und ohne Atem, wie mit entflohener Seele, gefühllos gegen seine kindischen Schläge dastand und schleppte sich auf die lange Terrasse, die das Dach des Kreuzgangs bildete. Von ihr aus überblickte man die von Moos

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/61
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/61>, abgerufen am 31.08.2024.