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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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nicht der Wechsel der Tinten, die sich mit den Tagesstunden änderten und der, wenn sie sich verspätete, ihrem geübten Auge die vielfachen Abtönungen zeigte, die Manet in seinen Freilichtmalereien durch alle Skalen des Prismas festgehalten hat. Nun empfand sie, ohne es zu bemerken, deren Einfluß. Als die beiden die Terrasse erreichten, war die Sonne im Sinken; sie war hinter der schwarzen Masse der Kirche verschwunden, während um diese her die weißen Fassaden, die roten Dächer noch beleuchtet waren.

Und diese schwere schwarze, wie in Trauer getauchte Masse, die sich gleich einem Lichtschirm vor das Flammenmeer der Sonne stellte, bedrückte Frau von Ellissen und hüllte sie in eine dunkle Melancholie, die das süße Gefühl zum Schwinden brachte, mit dem sie an der Seite des wehmütig verliebten jungen Mannes langsam die helle, veilchendurchduftete Allee herabgeschritten war.

Um davon loszukommen und das ausdrucksvolle Schweigen Freds zu brechen, deutete sie mit der Spitze ihres Schirmes auf die Stadt:

"Wenn ich Sie an der Orgel weiß," sagte sie, "dann komme ich hierher und mein Blick durchdringt

nicht der Wechsel der Tinten, die sich mit den Tagesstunden änderten und der, wenn sie sich verspätete, ihrem geübten Auge die vielfachen Abtönungen zeigte, die Manet in seinen Freilichtmalereien durch alle Skalen des Prismas festgehalten hat. Nun empfand sie, ohne es zu bemerken, deren Einfluß. Als die beiden die Terrasse erreichten, war die Sonne im Sinken; sie war hinter der schwarzen Masse der Kirche verschwunden, während um diese her die weißen Fassaden, die roten Dächer noch beleuchtet waren.

Und diese schwere schwarze, wie in Trauer getauchte Masse, die sich gleich einem Lichtschirm vor das Flammenmeer der Sonne stellte, bedrückte Frau von Ellissen und hüllte sie in eine dunkle Melancholie, die das süße Gefühl zum Schwinden brachte, mit dem sie an der Seite des wehmütig verliebten jungen Mannes langsam die helle, veilchendurchduftete Allee herabgeschritten war.

Um davon loszukommen und das ausdrucksvolle Schweigen Freds zu brechen, deutete sie mit der Spitze ihres Schirmes auf die Stadt:

„Wenn ich Sie an der Orgel weiß,“ sagte sie, „dann komme ich hierher und mein Blick durchdringt

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[27/0028] nicht der Wechsel der Tinten, die sich mit den Tagesstunden änderten und der, wenn sie sich verspätete, ihrem geübten Auge die vielfachen Abtönungen zeigte, die Manet in seinen Freilichtmalereien durch alle Skalen des Prismas festgehalten hat. Nun empfand sie, ohne es zu bemerken, deren Einfluß. Als die beiden die Terrasse erreichten, war die Sonne im Sinken; sie war hinter der schwarzen Masse der Kirche verschwunden, während um diese her die weißen Fassaden, die roten Dächer noch beleuchtet waren. Und diese schwere schwarze, wie in Trauer getauchte Masse, die sich gleich einem Lichtschirm vor das Flammenmeer der Sonne stellte, bedrückte Frau von Ellissen und hüllte sie in eine dunkle Melancholie, die das süße Gefühl zum Schwinden brachte, mit dem sie an der Seite des wehmütig verliebten jungen Mannes langsam die helle, veilchendurchduftete Allee herabgeschritten war. Um davon loszukommen und das ausdrucksvolle Schweigen Freds zu brechen, deutete sie mit der Spitze ihres Schirmes auf die Stadt: „Wenn ich Sie an der Orgel weiß,“ sagte sie, „dann komme ich hierher und mein Blick durchdringt

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/28>, abgerufen am 19.04.2024.