Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

an der Seite meines Vaters führte. Mira reichte meinem Vater nicht aus Liebe die Hand - nein, sie wurde seine Gattin, sie war ihm die treueste, ergebenste Lebensgefährtin, die beste Freundin, jung, schön - nicht so schön wie heute - sie lebte ausschließlich der Pflicht, Gattin, Mutter zu sein und diese Pflicht, welche ihr mit ihrem Schritt auferlegt war, ganz zu erfüllen. Ihr Leben blieb leer und öde. Sie ertrug alle Schroffheiten Papa's mit Geduld und Ergebung, trotzdem der Stolz sich oft in ihr aufbäumte, ihre Augen von Zorn auffunkelten! Bald aber änderten sich die Gefühle und eine Art Mitleid überkam sie - Mitleid für den alten ergrauten Mann. - Ich wuchs zum Mädchen heran und wurde von ihr nach dem Tode meines Vaters mit der gleichen hingebenden Liebe behandelt, wie vorher. Mira ist mir Mutter, ist mir aber auch die teuerste Freundin. Ich möchte sie eben glücklich sehen - auf ihre Art - die allerdings nicht die meine ist. Ich habe eingesehen, daß, wenn ich mich von einer übertriebenen Empfindsamkeit hinnehmen ließe, mein Dasein dem ihrigen gleichen würde; daß ich allen Mut verlöre, jede Energie, um mich zu verteidigen. Nicht alle haben eine so starke Seele

an der Seite meines Vaters führte. Mira reichte meinem Vater nicht aus Liebe die Hand – nein, sie wurde seine Gattin, sie war ihm die treueste, ergebenste Lebensgefährtin, die beste Freundin, jung, schön – nicht so schön wie heute – sie lebte ausschließlich der Pflicht, Gattin, Mutter zu sein und diese Pflicht, welche ihr mit ihrem Schritt auferlegt war, ganz zu erfüllen. Ihr Leben blieb leer und öde. Sie ertrug alle Schroffheiten Papa’s mit Geduld und Ergebung, trotzdem der Stolz sich oft in ihr aufbäumte, ihre Augen von Zorn auffunkelten! Bald aber änderten sich die Gefühle und eine Art Mitleid überkam sie – Mitleid für den alten ergrauten Mann. – Ich wuchs zum Mädchen heran und wurde von ihr nach dem Tode meines Vaters mit der gleichen hingebenden Liebe behandelt, wie vorher. Mira ist mir Mutter, ist mir aber auch die teuerste Freundin. Ich möchte sie eben glücklich sehen – auf ihre Art – die allerdings nicht die meine ist. Ich habe eingesehen, daß, wenn ich mich von einer übertriebenen Empfindsamkeit hinnehmen ließe, mein Dasein dem ihrigen gleichen würde; daß ich allen Mut verlöre, jede Energie, um mich zu verteidigen. Nicht alle haben eine so starke Seele

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0157" n="156"/>
an der Seite meines Vaters führte. Mira reichte meinem Vater nicht aus Liebe die Hand &#x2013; nein, sie wurde seine Gattin, sie war ihm die treueste, ergebenste Lebensgefährtin, die beste Freundin, jung, schön &#x2013; nicht so schön wie heute &#x2013; sie lebte ausschließlich der Pflicht, Gattin, Mutter zu sein und diese Pflicht, welche ihr mit ihrem Schritt auferlegt war, ganz zu erfüllen. Ihr Leben blieb leer und öde. Sie ertrug alle Schroffheiten Papa&#x2019;s mit Geduld und Ergebung, trotzdem der Stolz sich oft in ihr aufbäumte, ihre Augen von Zorn auffunkelten! Bald aber änderten sich die Gefühle und eine Art Mitleid überkam sie &#x2013; Mitleid für den alten ergrauten Mann. &#x2013; Ich wuchs zum Mädchen heran und wurde von ihr nach dem Tode meines Vaters mit der gleichen hingebenden Liebe behandelt, wie vorher. Mira ist mir Mutter, ist mir aber auch die teuerste Freundin. Ich möchte sie eben glücklich sehen &#x2013; auf ihre Art &#x2013; die allerdings nicht die meine ist. Ich habe eingesehen, daß, wenn ich mich von einer übertriebenen Empfindsamkeit hinnehmen ließe, mein Dasein dem ihrigen gleichen würde; daß ich allen Mut verlöre, jede Energie, um mich zu verteidigen. Nicht alle haben eine so starke Seele
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0157] an der Seite meines Vaters führte. Mira reichte meinem Vater nicht aus Liebe die Hand – nein, sie wurde seine Gattin, sie war ihm die treueste, ergebenste Lebensgefährtin, die beste Freundin, jung, schön – nicht so schön wie heute – sie lebte ausschließlich der Pflicht, Gattin, Mutter zu sein und diese Pflicht, welche ihr mit ihrem Schritt auferlegt war, ganz zu erfüllen. Ihr Leben blieb leer und öde. Sie ertrug alle Schroffheiten Papa’s mit Geduld und Ergebung, trotzdem der Stolz sich oft in ihr aufbäumte, ihre Augen von Zorn auffunkelten! Bald aber änderten sich die Gefühle und eine Art Mitleid überkam sie – Mitleid für den alten ergrauten Mann. – Ich wuchs zum Mädchen heran und wurde von ihr nach dem Tode meines Vaters mit der gleichen hingebenden Liebe behandelt, wie vorher. Mira ist mir Mutter, ist mir aber auch die teuerste Freundin. Ich möchte sie eben glücklich sehen – auf ihre Art – die allerdings nicht die meine ist. Ich habe eingesehen, daß, wenn ich mich von einer übertriebenen Empfindsamkeit hinnehmen ließe, mein Dasein dem ihrigen gleichen würde; daß ich allen Mut verlöre, jede Energie, um mich zu verteidigen. Nicht alle haben eine so starke Seele

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/157
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/157>, abgerufen am 27.07.2024.