Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

arbeiten, also, warum wollen Sie, daß ich mich dafür interessiere? Aber ich halte in meinen Händen ein Wesen, das mir gehört, das mein Ich ist, über das ich nach meinem Gutdünken verfügen kann; und dieses Wesen seinem Ziele zuzuführen, habe ich das Recht und die Pflicht."

"Aber diese Ideen," seufzte die Miß etwas entwaffnet, "wie sind sie Ihnen gekommen?"

"Ganz einfach indem ich darüber nachgedacht, als ich viel gelesen, ein bißchen durcheinander, es ist wahr; wenn aber die Ideen in der Luft liegen, begegnet man ihnen überall wieder unter verschiedenen Gestalten. Man muß sie nur suchen, vereinigen, vergleichen. Und wenn man ein bissel Grütze hat, dann findet alles seinen Platz. Aber schauen Sie, - da ich schon im Zuge bin, eine Beichte abzulegen, kann ich Ihnen ja alles gestehen - wissen Sie, wer mich zur Auflehnung gegen das gefährliche Spiel der Empfindsamkeit und aller ihrer üblen Folgen gebracht hat? - Mira selbst."

"Die teuere Mira!"

"Gewiß, allzu gut, allzu weich! Als Mira Papa heiratete, war ich zwar noch ein Kind, trotzdem aber entging mir das Leben nicht, welches sie

arbeiten, also, warum wollen Sie, daß ich mich dafür interessiere? Aber ich halte in meinen Händen ein Wesen, das mir gehört, das mein Ich ist, über das ich nach meinem Gutdünken verfügen kann; und dieses Wesen seinem Ziele zuzuführen, habe ich das Recht und die Pflicht.“

„Aber diese Ideen,“ seufzte die Miß etwas entwaffnet, „wie sind sie Ihnen gekommen?“

„Ganz einfach indem ich darüber nachgedacht, als ich viel gelesen, ein bißchen durcheinander, es ist wahr; wenn aber die Ideen in der Luft liegen, begegnet man ihnen überall wieder unter verschiedenen Gestalten. Man muß sie nur suchen, vereinigen, vergleichen. Und wenn man ein bissel Grütze hat, dann findet alles seinen Platz. Aber schauen Sie, – da ich schon im Zuge bin, eine Beichte abzulegen, kann ich Ihnen ja alles gestehen – wissen Sie, wer mich zur Auflehnung gegen das gefährliche Spiel der Empfindsamkeit und aller ihrer üblen Folgen gebracht hat? – Mira selbst.“

„Die teuere Mira!“

„Gewiß, allzu gut, allzu weich! Als Mira Papa heiratete, war ich zwar noch ein Kind, trotzdem aber entging mir das Leben nicht, welches sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0156" n="155"/>
arbeiten, also, warum wollen Sie, daß ich mich dafür interessiere? Aber ich halte in meinen Händen ein Wesen, das mir gehört, das mein Ich ist, über das ich nach meinem Gutdünken verfügen kann; und dieses Wesen seinem Ziele zuzuführen, habe ich das Recht und die Pflicht.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aber diese Ideen,&#x201C; seufzte die Miß etwas entwaffnet, &#x201E;wie sind sie Ihnen gekommen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ganz einfach indem ich darüber nachgedacht, als ich viel gelesen, ein bißchen durcheinander, es ist wahr; wenn aber die Ideen in der Luft liegen, begegnet man ihnen überall wieder unter verschiedenen Gestalten. Man muß sie nur suchen, vereinigen, vergleichen. Und wenn man ein bissel Grütze hat, dann findet alles seinen Platz. Aber schauen Sie, &#x2013; da ich schon im Zuge bin, eine Beichte abzulegen, kann ich Ihnen ja alles gestehen &#x2013; wissen Sie, wer mich zur Auflehnung gegen das gefährliche Spiel der Empfindsamkeit und aller ihrer üblen Folgen gebracht hat? &#x2013; Mira selbst.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Die teuere Mira!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Gewiß, allzu gut, allzu weich! Als Mira Papa heiratete, war ich zwar noch ein Kind, trotzdem aber entging mir das Leben nicht, welches sie
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0156] arbeiten, also, warum wollen Sie, daß ich mich dafür interessiere? Aber ich halte in meinen Händen ein Wesen, das mir gehört, das mein Ich ist, über das ich nach meinem Gutdünken verfügen kann; und dieses Wesen seinem Ziele zuzuführen, habe ich das Recht und die Pflicht.“ „Aber diese Ideen,“ seufzte die Miß etwas entwaffnet, „wie sind sie Ihnen gekommen?“ „Ganz einfach indem ich darüber nachgedacht, als ich viel gelesen, ein bißchen durcheinander, es ist wahr; wenn aber die Ideen in der Luft liegen, begegnet man ihnen überall wieder unter verschiedenen Gestalten. Man muß sie nur suchen, vereinigen, vergleichen. Und wenn man ein bissel Grütze hat, dann findet alles seinen Platz. Aber schauen Sie, – da ich schon im Zuge bin, eine Beichte abzulegen, kann ich Ihnen ja alles gestehen – wissen Sie, wer mich zur Auflehnung gegen das gefährliche Spiel der Empfindsamkeit und aller ihrer üblen Folgen gebracht hat? – Mira selbst.“ „Die teuere Mira!“ „Gewiß, allzu gut, allzu weich! Als Mira Papa heiratete, war ich zwar noch ein Kind, trotzdem aber entging mir das Leben nicht, welches sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/156
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/156>, abgerufen am 27.07.2024.