Dreyzehnte Betrachtung. Mißhandlung Jesu vor dem geistlichen Gericht.
Marc. 14, 65. Da fiengen an etliche, Jesum zu verspeyen, und zu verdecken sein Angesicht, und mit Fäusten zu schlagen, und zu ihm zu sagen: Weissage uns. Und die Knechte schlugen ihn ins Angesicht.
Dieses war nun einer von denjenigen Augenblicken, wo Jesus der Allerverachteste und Unwertheste wurde: wo er solche Verachtungen erduldete, daß jeder sein Angesicht von ihm wegwandte und niemand ihn achtete. Hier geschah es, daß die Schmach sein Herz brach und er sich nach einem Tröster umsah, den sein Schmerz jam- mern möchte. Aber da ist niemand, der ihn beklaget, nie- mand, der ihn tröstet. Gemarterter und verhöhnter Je- su! Wie? dich sollte niemand mit Wehmuth betrach- ten? -- Nein, ich will wenigstens kein unempfindlicher Zu- schauer deiner schmachvollen Leiden seyn. Siehe, mein Herz blutet bey dem Anblick deiner Martern. Sinds nicht mei- ne Sünden, die dir solche Mühe und Arbeit gemacht ha- ben? War es nicht meine Schande, welche du trugst? O lenke mein ganzes Herz auf diesen Gegenstand hin: und wenn ich dich in deiner Schmach betrachte, so laß mich an mich selbst zurückdenken und an meine Brust schlagen, und über meine Sünden weinen.
Wel-
Dreyzehnte Betrachtung. Mißhandlung Jeſu vor dem geiſtlichen Gericht.
Marc. 14, 65. Da fiengen an etliche, Jeſum zu verſpeyen, und zu verdecken ſein Angeſicht, und mit Fäuſten zu ſchlagen, und zu ihm zu ſagen: Weiſſage uns. Und die Knechte ſchlugen ihn ins Angeſicht.
Dieſes war nun einer von denjenigen Augenblicken, wo Jeſus der Allerverachteſte und Unwertheſte wurde: wo er ſolche Verachtungen erduldete, daß jeder ſein Angeſicht von ihm wegwandte und niemand ihn achtete. Hier geſchah es, daß die Schmach ſein Herz brach und er ſich nach einem Tröſter umſah, den ſein Schmerz jam- mern möchte. Aber da iſt niemand, der ihn beklaget, nie- mand, der ihn tröſtet. Gemarterter und verhöhnter Je- ſu! Wie? dich ſollte niemand mit Wehmuth betrach- ten? — Nein, ich will wenigſtens kein unempfindlicher Zu- ſchauer deiner ſchmachvollen Leiden ſeyn. Siehe, mein Herz blutet bey dem Anblick deiner Martern. Sinds nicht mei- ne Sünden, die dir ſolche Mühe und Arbeit gemacht ha- ben? War es nicht meine Schande, welche du trugſt? O lenke mein ganzes Herz auf dieſen Gegenſtand hin: und wenn ich dich in deiner Schmach betrachte, ſo laß mich an mich ſelbſt zurückdenken und an meine Bruſt ſchlagen, und über meine Sünden weinen.
Wel-
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Dreyzehnte Betrachtung.
Mißhandlung Jeſu vor dem geiſtlichen
Gericht.
Marc. 14, 65.
Da fiengen an etliche, Jeſum zu verſpeyen, und zu verdecken
ſein Angeſicht, und mit Fäuſten zu ſchlagen, und zu ihm zu
ſagen: Weiſſage uns. Und die Knechte ſchlugen ihn ins
Angeſicht.
Dieſes war nun einer von denjenigen Augenblicken, wo
Jeſus der Allerverachteſte und Unwertheſte wurde:
wo er ſolche Verachtungen erduldete, daß jeder ſein
Angeſicht von ihm wegwandte und niemand ihn achtete.
Hier geſchah es, daß die Schmach ſein Herz brach und er
ſich nach einem Tröſter umſah, den ſein Schmerz jam-
mern möchte. Aber da iſt niemand, der ihn beklaget, nie-
mand, der ihn tröſtet. Gemarterter und verhöhnter Je-
ſu! Wie? dich ſollte niemand mit Wehmuth betrach-
ten? — Nein, ich will wenigſtens kein unempfindlicher Zu-
ſchauer deiner ſchmachvollen Leiden ſeyn. Siehe, mein Herz
blutet bey dem Anblick deiner Martern. Sinds nicht mei-
ne Sünden, die dir ſolche Mühe und Arbeit gemacht ha-
ben? War es nicht meine Schande, welche du trugſt?
O lenke mein ganzes Herz auf dieſen Gegenſtand hin: und
wenn ich dich in deiner Schmach betrachte, ſo laß mich an
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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