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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775.

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Zwölfte Betrachtung.
dig erfunden wurdest. Deine verdienstliche Gerechtigkeit
ist mein Trost, wenn mich mein Herz verdammet und mein
Gewissen gegen mich zeuget. Ach, wie unglücklich würde
ich seyn, wenn ich einst vor deinem Gerichte stünde, und
da alle meine Sünden und Ubertretungen, alle Seufzer
der Unterdrückten, alle Flüche der Mißhandelten, alle Thrä-
nen der leidenden Unschuld gegen mich um Rache riefen!
Und wenn ich dann dein Strafurtheil hörte, wie würde
ich zagen und verzweifeln müssen! Dank sey es deiner
Unschuld, daß ich Begnadigung hoffen kann! Dank sey
dir auch für dis Leiden gesagt, welches du unter den Lä-
sterungen deiner Feinde mit stillem Heldenmuth erduldet
hast!

Ja, wie bewundre ich deine Gelassenheit! Nichts
kann deine Seele aus der ruhigen Fassung bringen, in wel-
cher sie durch die Unschuld bevestiget ist. Selbst diejeni-
ge Begegnung, die an sich fähig war, ein jedes Herz zu
empören, dem Wahrheit und Tugend theuer ist, kann
dich nicht beunruhigen. Du schweigst stille; dieses ist dei-
ne ganze Vertheidigung, deine ganze Rache. Ich will die-
se edle Tugend von dir, mein Mittler, lernen. Ich will
es lernen, keine Schande zu achten, die mir unverschul-
det widerfährt. Ich will es lernen, zu schweigen, wenn et-
wa meine Reden mich zu neuen Versündigungen verleiten
sollten. Ich will mich gegen das Toben meiner Feinde
durch stille Gelassenheit stärken. Wenn mich mein Herz
nicht verdammet, so habe ich Freudigkeit, vor alle meine
Verläumder und Verfolger hinzutreten. Ich will daher
durch den Beystand der göttlichen Gnade so wandeln, daß
alle falsche Zeugnisse der Welt zu schanden werden müssen.
Und wenn meine Unschuld hier unterliegen sollte, so kommt
doch ein Tag, wo sie über alle gehäßige Anklagen siegen
wird.

Dreyzehnte

Zwölfte Betrachtung.
dig erfunden wurdeſt. Deine verdienſtliche Gerechtigkeit
iſt mein Troſt, wenn mich mein Herz verdammet und mein
Gewiſſen gegen mich zeuget. Ach, wie unglücklich würde
ich ſeyn, wenn ich einſt vor deinem Gerichte ſtünde, und
da alle meine Sünden und Ubertretungen, alle Seufzer
der Unterdrückten, alle Flüche der Mißhandelten, alle Thrä-
nen der leidenden Unſchuld gegen mich um Rache riefen!
Und wenn ich dann dein Strafurtheil hörte, wie würde
ich zagen und verzweifeln müſſen! Dank ſey es deiner
Unſchuld, daß ich Begnadigung hoffen kann! Dank ſey
dir auch für dis Leiden geſagt, welches du unter den Lä-
ſterungen deiner Feinde mit ſtillem Heldenmuth erduldet
haſt!

Ja, wie bewundre ich deine Gelaſſenheit! Nichts
kann deine Seele aus der ruhigen Faſſung bringen, in wel-
cher ſie durch die Unſchuld beveſtiget iſt. Selbſt diejeni-
ge Begegnung, die an ſich fähig war, ein jedes Herz zu
empören, dem Wahrheit und Tugend theuer iſt, kann
dich nicht beunruhigen. Du ſchweigſt ſtille; dieſes iſt dei-
ne ganze Vertheidigung, deine ganze Rache. Ich will die-
ſe edle Tugend von dir, mein Mittler, lernen. Ich will
es lernen, keine Schande zu achten, die mir unverſchul-
det widerfährt. Ich will es lernen, zu ſchweigen, wenn et-
wa meine Reden mich zu neuen Verſündigungen verleiten
ſollten. Ich will mich gegen das Toben meiner Feinde
durch ſtille Gelaſſenheit ſtärken. Wenn mich mein Herz
nicht verdammet, ſo habe ich Freudigkeit, vor alle meine
Verläumder und Verfolger hinzutreten. Ich will daher
durch den Beyſtand der göttlichen Gnade ſo wandeln, daß
alle falſche Zeugniſſe der Welt zu ſchanden werden müſſen.
Und wenn meine Unſchuld hier unterliegen ſollte, ſo kommt
doch ein Tag, wo ſie über alle gehäßige Anklagen ſiegen
wird.

Dreyzehnte
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[60/0082] Zwölfte Betrachtung. dig erfunden wurdeſt. Deine verdienſtliche Gerechtigkeit iſt mein Troſt, wenn mich mein Herz verdammet und mein Gewiſſen gegen mich zeuget. Ach, wie unglücklich würde ich ſeyn, wenn ich einſt vor deinem Gerichte ſtünde, und da alle meine Sünden und Ubertretungen, alle Seufzer der Unterdrückten, alle Flüche der Mißhandelten, alle Thrä- nen der leidenden Unſchuld gegen mich um Rache riefen! Und wenn ich dann dein Strafurtheil hörte, wie würde ich zagen und verzweifeln müſſen! Dank ſey es deiner Unſchuld, daß ich Begnadigung hoffen kann! Dank ſey dir auch für dis Leiden geſagt, welches du unter den Lä- ſterungen deiner Feinde mit ſtillem Heldenmuth erduldet haſt! Ja, wie bewundre ich deine Gelaſſenheit! Nichts kann deine Seele aus der ruhigen Faſſung bringen, in wel- cher ſie durch die Unſchuld beveſtiget iſt. Selbſt diejeni- ge Begegnung, die an ſich fähig war, ein jedes Herz zu empören, dem Wahrheit und Tugend theuer iſt, kann dich nicht beunruhigen. Du ſchweigſt ſtille; dieſes iſt dei- ne ganze Vertheidigung, deine ganze Rache. Ich will die- ſe edle Tugend von dir, mein Mittler, lernen. Ich will es lernen, keine Schande zu achten, die mir unverſchul- det widerfährt. Ich will es lernen, zu ſchweigen, wenn et- wa meine Reden mich zu neuen Verſündigungen verleiten ſollten. Ich will mich gegen das Toben meiner Feinde durch ſtille Gelaſſenheit ſtärken. Wenn mich mein Herz nicht verdammet, ſo habe ich Freudigkeit, vor alle meine Verläumder und Verfolger hinzutreten. Ich will daher durch den Beyſtand der göttlichen Gnade ſo wandeln, daß alle falſche Zeugniſſe der Welt zu ſchanden werden müſſen. Und wenn meine Unſchuld hier unterliegen ſollte, ſo kommt doch ein Tag, wo ſie über alle gehäßige Anklagen ſiegen wird. Dreyzehnte

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Zitationshilfe: Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/82>, abgerufen am 25.11.2024.