dieser Kelch von mir. Doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst. Zum andernmal gieng er abermal hin, bete- te und sprach: Mein Vater, ists nicht möglich, daß die- ser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille. Zum drittenmal gieng er hin, und redete dieselbigen Worte.
Mitten unter den unsäglichen Quaalen, die Jesus während seinem Aufenthalt in Gethsemane em- pfand, erscheint er doch in seiner göttlichen Grösse. So sehr die Last des Zorn Gottes, die auf ihm lag, ihn zu Boden drückt, so ermannt sich doch seine Seele, und stärkt sich durch das zuversichtliche Vertrau- en auf seinen Vater. So bitter ihm sein Leiden war, so unterwirft er sich doch mit stiller Gelassenheit seinem Schicksal, und behält die sich allezeit gleiche, unveränder- liche Willigkeit, sich zum Versöhnungstode darzustellen. Seine bis in den Tod betrübte Seele findet im Gebet eine Erleichterung ihrer Quaalen. Er betet um die Ab- kürzung seiner schweren Leiden, unter welchen er in Ge- fahr war, zu Grunde zu gehen. Allein so sehnlich er eine Erquickung wünschte, so ergab er sich doch in den Willen seines Vaters, den er unverrückt zu seinem Au- genmerk hatte, und schien nur deswegen um eine Erleich- terung bekümmert zu seyn, damit er eine neue Stärke zu denen ihm bevorstehenden Leiden erhalten möchte.
Ach, nun sehe ich wie sauer ihm sein Kampf wor- den ist. Er war in seinem ganzen Leben so arm, mit so vielen Versuchungen und Verfolgungen umgeben. Alle diese Leiden erduldete er standhaft, ohne um Er- leichterung oder Abkürzung zu bitten. Aber hier war seine menschliche Natur zu schwach, den Anfall so man- nigfaltiger Schmerzen auszuhalten. Daher betet er zu
wie-
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Betragen Jeſu gegen ſeinen Vater.
dieſer Kelch von mir. Doch nicht, wie ich will, ſondern wie du willſt. Zum andernmal gieng er abermal hin, bete- te und ſprach: Mein Vater, iſts nicht möglich, daß die- ſer Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, ſo geſchehe dein Wille. Zum drittenmal gieng er hin, und redete dieſelbigen Worte.
Mitten unter den unſäglichen Quaalen, die Jeſus während ſeinem Aufenthalt in Gethſemane em- pfand, erſcheint er doch in ſeiner göttlichen Gröſſe. So ſehr die Laſt des Zorn Gottes, die auf ihm lag, ihn zu Boden drückt, ſo ermannt ſich doch ſeine Seele, und ſtärkt ſich durch das zuverſichtliche Vertrau- en auf ſeinen Vater. So bitter ihm ſein Leiden war, ſo unterwirft er ſich doch mit ſtiller Gelaſſenheit ſeinem Schickſal, und behält die ſich allezeit gleiche, unveränder- liche Willigkeit, ſich zum Verſöhnungstode darzuſtellen. Seine bis in den Tod betrübte Seele findet im Gebet eine Erleichterung ihrer Quaalen. Er betet um die Ab- kürzung ſeiner ſchweren Leiden, unter welchen er in Ge- fahr war, zu Grunde zu gehen. Allein ſo ſehnlich er eine Erquickung wünſchte, ſo ergab er ſich doch in den Willen ſeines Vaters, den er unverrückt zu ſeinem Au- genmerk hatte, und ſchien nur deswegen um eine Erleich- terung bekümmert zu ſeyn, damit er eine neue Stärke zu denen ihm bevorſtehenden Leiden erhalten möchte.
Ach, nun ſehe ich wie ſauer ihm ſein Kampf wor- den iſt. Er war in ſeinem ganzen Leben ſo arm, mit ſo vielen Verſuchungen und Verfolgungen umgeben. Alle dieſe Leiden erduldete er ſtandhaft, ohne um Er- leichterung oder Abkürzung zu bitten. Aber hier war ſeine menſchliche Natur zu ſchwach, den Anfall ſo man- nigfaltiger Schmerzen auszuhalten. Daher betet er zu
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Betragen Jeſu gegen ſeinen Vater.
dieſer Kelch von mir. Doch nicht, wie ich will, ſondern
wie du willſt. Zum andernmal gieng er abermal hin, bete-
te und ſprach: Mein Vater, iſts nicht möglich, daß die-
ſer Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, ſo geſchehe
dein Wille. Zum drittenmal gieng er hin, und redete
dieſelbigen Worte.
Mitten unter den unſäglichen Quaalen, die Jeſus
während ſeinem Aufenthalt in Gethſemane em-
pfand, erſcheint er doch in ſeiner göttlichen
Gröſſe. So ſehr die Laſt des Zorn Gottes, die auf ihm
lag, ihn zu Boden drückt, ſo ermannt ſich doch ſeine
Seele, und ſtärkt ſich durch das zuverſichtliche Vertrau-
en auf ſeinen Vater. So bitter ihm ſein Leiden war, ſo
unterwirft er ſich doch mit ſtiller Gelaſſenheit ſeinem
Schickſal, und behält die ſich allezeit gleiche, unveränder-
liche Willigkeit, ſich zum Verſöhnungstode darzuſtellen.
Seine bis in den Tod betrübte Seele findet im Gebet
eine Erleichterung ihrer Quaalen. Er betet um die Ab-
kürzung ſeiner ſchweren Leiden, unter welchen er in Ge-
fahr war, zu Grunde zu gehen. Allein ſo ſehnlich er
eine Erquickung wünſchte, ſo ergab er ſich doch in den
Willen ſeines Vaters, den er unverrückt zu ſeinem Au-
genmerk hatte, und ſchien nur deswegen um eine Erleich-
terung bekümmert zu ſeyn, damit er eine neue Stärke zu
denen ihm bevorſtehenden Leiden erhalten möchte.
Ach, nun ſehe ich wie ſauer ihm ſein Kampf wor-
den iſt. Er war in ſeinem ganzen Leben ſo arm, mit
ſo vielen Verſuchungen und Verfolgungen umgeben.
Alle dieſe Leiden erduldete er ſtandhaft, ohne um Er-
leichterung oder Abkürzung zu bitten. Aber hier war
ſeine menſchliche Natur zu ſchwach, den Anfall ſo man-
nigfaltiger Schmerzen auszuhalten. Daher betet er zu
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/45>, abgerufen am 22.07.2024.
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