mich zerschmettert, nur ein Wort seines Strafurtheils würde mich zur Hölle gestürzt haben.
O sey mir, sey mir gesegnet, Lamm Gottes, das die unermeßliche Last der Sünden der Welt, das auch meine Sünden getragen hat! In deiner Todesangst, in deinem Zittern, in deinem blutigen Schweiß segne ich dich, für mich zerschlagenes und zermartertes Lamm Gottes!
Aber mit Furcht und Zittern denke ich an dich. Ich sehe dein unaussprechliches Leiden an, und erschrecke vor mir selbst. So groß sind meine Missethaten, so ganz verderbt ist mein Herz, so ein Greuel sind meine Sünden vor Gott, daß du, ewiger Sohn Gottes, selbst um meiner Uebertretungen willen, so erbärmlich zerschla- gen und gemartert wirst? Kann ich mich noch bereden, daß es eine Kleinigkeit sey, den Allmächtigen zu beleidi- gen? Ach ich sorgloser, sicherer Sünder, wie oft ha- be ich schon das Gesetz Gottes übertreten, ohne zu beden- ken, welche unerträgliche Last der Zorn Gottes sey, und wie jede Uebertretung sein furchtbares Gericht gegen mich auffordere! Ich will jetzt aus meinem Schlummer zum Nachdenken kommen. Deine Angst, o Jesu, lehre mich die Grösse meiner Sünden, die Unerträglichkeit deines Zorns, und die Strenge deines Gerichts fühlen. Bey einer jeden Neigung zur Sünde, bey jeder Uebertretung deines Gesetzes will ich an deine Leiden denken und erzit- tern. Ja, erzittern will ich, aber nicht verzagen. Wenn in der Stunde der Versuchung mein aufgewachtes Ge- wissen mir die Menge meiner begangenen Missethaten vorstellet, wenn ich mit Angst und Zweifeln kämpfe, wenn kein Trost mein zerschlagenes Herz erquicken kann, wenn ein kalter Angstschweiß über meinen Leib fließt, wenn al- le Schrecken durch meine Gebeine beben, o dann, dann
will
B 3
Seelenleiden Jeſu am Oelberge.
mich zerſchmettert, nur ein Wort ſeines Strafurtheils würde mich zur Hölle geſtürzt haben.
O ſey mir, ſey mir geſegnet, Lamm Gottes, das die unermeßliche Laſt der Sünden der Welt, das auch meine Sünden getragen hat! In deiner Todesangſt, in deinem Zittern, in deinem blutigen Schweiß ſegne ich dich, für mich zerſchlagenes und zermartertes Lamm Gottes!
Aber mit Furcht und Zittern denke ich an dich. Ich ſehe dein unausſprechliches Leiden an, und erſchrecke vor mir ſelbſt. So groß ſind meine Miſſethaten, ſo ganz verderbt iſt mein Herz, ſo ein Greuel ſind meine Sünden vor Gott, daß du, ewiger Sohn Gottes, ſelbſt um meiner Uebertretungen willen, ſo erbärmlich zerſchla- gen und gemartert wirſt? Kann ich mich noch bereden, daß es eine Kleinigkeit ſey, den Allmächtigen zu beleidi- gen? Ach ich ſorgloſer, ſicherer Sünder, wie oft ha- be ich ſchon das Geſetz Gottes übertreten, ohne zu beden- ken, welche unerträgliche Laſt der Zorn Gottes ſey, und wie jede Uebertretung ſein furchtbares Gericht gegen mich auffordere! Ich will jetzt aus meinem Schlummer zum Nachdenken kommen. Deine Angſt, o Jeſu, lehre mich die Gröſſe meiner Sünden, die Unerträglichkeit deines Zorns, und die Strenge deines Gerichts fühlen. Bey einer jeden Neigung zur Sünde, bey jeder Uebertretung deines Geſetzes will ich an deine Leiden denken und erzit- tern. Ja, erzittern will ich, aber nicht verzagen. Wenn in der Stunde der Verſuchung mein aufgewachtes Ge- wiſſen mir die Menge meiner begangenen Miſſethaten vorſtellet, wenn ich mit Angſt und Zweifeln kämpfe, wenn kein Troſt mein zerſchlagenes Herz erquicken kann, wenn ein kalter Angſtſchweiß über meinen Leib fließt, wenn al- le Schrecken durch meine Gebeine beben, o dann, dann
will
B 3
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Seelenleiden Jeſu am Oelberge.
mich zerſchmettert, nur ein Wort ſeines Strafurtheils
würde mich zur Hölle geſtürzt haben.
O ſey mir, ſey mir geſegnet, Lamm Gottes, das
die unermeßliche Laſt der Sünden der Welt, das auch
meine Sünden getragen hat! In deiner Todesangſt, in
deinem Zittern, in deinem blutigen Schweiß ſegne ich
dich, für mich zerſchlagenes und zermartertes Lamm
Gottes!
Aber mit Furcht und Zittern denke ich an dich.
Ich ſehe dein unausſprechliches Leiden an, und erſchrecke
vor mir ſelbſt. So groß ſind meine Miſſethaten, ſo
ganz verderbt iſt mein Herz, ſo ein Greuel ſind meine
Sünden vor Gott, daß du, ewiger Sohn Gottes, ſelbſt
um meiner Uebertretungen willen, ſo erbärmlich zerſchla-
gen und gemartert wirſt? Kann ich mich noch bereden,
daß es eine Kleinigkeit ſey, den Allmächtigen zu beleidi-
gen? Ach ich ſorgloſer, ſicherer Sünder, wie oft ha-
be ich ſchon das Geſetz Gottes übertreten, ohne zu beden-
ken, welche unerträgliche Laſt der Zorn Gottes ſey, und
wie jede Uebertretung ſein furchtbares Gericht gegen mich
auffordere! Ich will jetzt aus meinem Schlummer zum
Nachdenken kommen. Deine Angſt, o Jeſu, lehre mich
die Gröſſe meiner Sünden, die Unerträglichkeit deines
Zorns, und die Strenge deines Gerichts fühlen. Bey
einer jeden Neigung zur Sünde, bey jeder Uebertretung
deines Geſetzes will ich an deine Leiden denken und erzit-
tern. Ja, erzittern will ich, aber nicht verzagen. Wenn
in der Stunde der Verſuchung mein aufgewachtes Ge-
wiſſen mir die Menge meiner begangenen Miſſethaten
vorſtellet, wenn ich mit Angſt und Zweifeln kämpfe, wenn
kein Troſt mein zerſchlagenes Herz erquicken kann, wenn
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Sturm, Christoph Christian: Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu. 2. Aufl. Halle (Saale), 1775, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturm_unterhaltung_1781/43>, abgerufen am 22.07.2024.
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