doken auton to patri autou bei Lukas, was nach ihm ziem- lich überflüssig wäre, wenn es nicht ein Übergeben zu be- sonderer Fürsorge bezeichnen sollte. Allein apodidomi heisst nicht zunächst übergeben, sondern zurückgeben, und so liegt in dem Satze nur der Sinn: puerum, quem sa- nandum acceperat, sanatum reddidit, oder, dass er den einer fremden Gewalt, des Dämons, verfallenen Sohn den Eltern als den ihrigen zurückgegeben habe. Endlich, wie willkürlich ist es, wenn Paulus das ekporeuetai (Matth. V. 21.) in der engeren Bedeutung eines völligen Weggehens vom vorläufigen Ausfahren, was schon auf das Wort Jesu (V. 18.) geschehen sei, unterscheidet. So dass uns auch hier keine successive Kur berichtet ist, sondern, wie sonst immer, eine momentane, wesswegen denn auch die proseukhe und neseia nicht als Vorschrift für den Patienten gefasst werden können.
Zu dieser ganzen Geschichte muss eine analoge Er- zählung aus 2 Kön. 4, 29 ff. verglichen werden. Hier will der Prophet Elisa einen gestorbenen Knaben dadurch wie- der zum Leben bringen, dass er seinen Knecht Gehasi mit seinem Stabe sendet, welchen dieser dem Todten auf das Angesicht legen soll; aber das Vornehmen des Knechts bleibt ohne Erfolg, und Elisa muss selbst kommen und den Knaben in's Leben rufen. Das gleiche Verhältniss, wie in dieser A. T.lichen Geschichte zwischen dem Propheten und seinem Diener, sehen wir in der N. T.lichen Erzählung zwischen dem Messias und seinen Jüngern, dass diese oh- ne ihn nichts thun können, dass aber er, was ihnen zu schwer ist, mit Sicherheit vollbringt. Ebendamit aber se- hen wir auch die Tendenz beider Erzählungen: sie ist, durch Hinweisung auf den Abstand zwischen ihm und selbst seinen vertrautesten Schülern den Meister zu heben; oder, wenn wir die vorliegende evangelische Erzählung mit der von dem gadarenischen Besessenen zusammenhalten, so können wir sagen: wie jener früher erwogene Fall an
Zweiter Abschnitt.
δωκεν αὐτὸν τῷ πατρὶ αὐτοῦ bei Lukas, was nach ihm ziem- lich überflüssig wäre, wenn es nicht ein Übergeben zu be- sonderer Fürsorge bezeichnen sollte. Allein ἀποδίδωμι heiſst nicht zunächst übergeben, sondern zurückgeben, und so liegt in dem Satze nur der Sinn: puerum, quem sa- nandum acceperat, sanatum reddidit, oder, daſs er den einer fremden Gewalt, des Dämons, verfallenen Sohn den Eltern als den ihrigen zurückgegeben habe. Endlich, wie willkürlich ist es, wenn Paulus das ἐκπορεύεται (Matth. V. 21.) in der engeren Bedeutung eines völligen Weggehens vom vorläufigen Ausfahren, was schon auf das Wort Jesu (V. 18.) geschehen sei, unterscheidet. So daſs uns auch hier keine successive Kur berichtet ist, sondern, wie sonst immer, eine momentane, weſswegen denn auch die προσευχὴ und νηςεία nicht als Vorschrift für den Patienten gefaſst werden können.
Zu dieser ganzen Geschichte muſs eine analoge Er- zählung aus 2 Kön. 4, 29 ff. verglichen werden. Hier will der Prophet Elisa einen gestorbenen Knaben dadurch wie- der zum Leben bringen, daſs er seinen Knecht Gehasi mit seinem Stabe sendet, welchen dieser dem Todten auf das Angesicht legen soll; aber das Vornehmen des Knechts bleibt ohne Erfolg, und Elisa muſs selbst kommen und den Knaben in's Leben rufen. Das gleiche Verhältniſs, wie in dieser A. T.lichen Geschichte zwischen dem Propheten und seinem Diener, sehen wir in der N. T.lichen Erzählung zwischen dem Messias und seinen Jüngern, daſs diese oh- ne ihn nichts thun können, daſs aber er, was ihnen zu schwer ist, mit Sicherheit vollbringt. Ebendamit aber se- hen wir auch die Tendenz beider Erzählungen: sie ist, durch Hinweisung auf den Abstand zwischen ihm und selbst seinen vertrautesten Schülern den Meister zu heben; oder, wenn wir die vorliegende evangelische Erzählung mit der von dem gadarenischen Besessenen zusammenhalten, so können wir sagen: wie jener früher erwogene Fall an
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0065"n="46"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/><foreignxml:lang="ell">δωκεναὐτὸντῷπατρὶαὐτοῦ</foreign> bei Lukas, was nach ihm ziem-<lb/>
lich überflüssig wäre, wenn es nicht ein Übergeben zu be-<lb/>
sonderer Fürsorge bezeichnen sollte. Allein ἀποδίδωμι<lb/>
heiſst nicht zunächst übergeben, sondern zurückgeben, und<lb/>
so liegt in dem Satze nur der Sinn: <hirendition="#i">puerum, quem sa-<lb/>
nandum acceperat, sanatum reddidit</hi>, oder, daſs er den<lb/>
einer fremden Gewalt, des Dämons, verfallenen Sohn den<lb/>
Eltern als den ihrigen zurückgegeben habe. Endlich, wie<lb/>
willkürlich ist es, wenn <hirendition="#k">Paulus</hi> das ἐκπορεύεται (Matth.<lb/>
V. 21.) in der engeren Bedeutung eines völligen Weggehens<lb/>
vom vorläufigen Ausfahren, was schon auf das Wort Jesu<lb/>
(V. 18.) geschehen sei, unterscheidet. So daſs uns auch<lb/>
hier keine successive Kur berichtet ist, sondern, wie sonst<lb/>
immer, eine momentane, weſswegen denn auch die προσευχὴ<lb/>
und νηςεία nicht als Vorschrift für den Patienten gefaſst<lb/>
werden können.</p><lb/><p>Zu dieser ganzen Geschichte muſs eine analoge Er-<lb/>
zählung aus 2 Kön. 4, 29 ff. verglichen werden. Hier will<lb/>
der Prophet Elisa einen gestorbenen Knaben dadurch wie-<lb/>
der zum Leben bringen, daſs er seinen Knecht Gehasi mit<lb/>
seinem Stabe sendet, welchen dieser dem Todten auf das<lb/>
Angesicht legen soll; aber das Vornehmen des Knechts<lb/>
bleibt ohne Erfolg, und Elisa muſs selbst kommen und den<lb/>
Knaben in's Leben rufen. Das gleiche Verhältniſs, wie in<lb/>
dieser A. T.lichen Geschichte zwischen dem Propheten und<lb/>
seinem Diener, sehen wir in der N. T.lichen Erzählung<lb/>
zwischen dem Messias und seinen Jüngern, daſs diese oh-<lb/>
ne ihn nichts thun können, daſs aber er, was ihnen zu<lb/>
schwer ist, mit Sicherheit vollbringt. Ebendamit aber se-<lb/>
hen wir auch die Tendenz beider Erzählungen: sie ist,<lb/>
durch Hinweisung auf den Abstand zwischen ihm und<lb/>
selbst seinen vertrautesten Schülern den Meister zu heben;<lb/>
oder, wenn wir die vorliegende evangelische Erzählung mit<lb/>
der von dem gadarenischen Besessenen zusammenhalten,<lb/>
so können wir sagen: wie jener früher erwogene Fall an<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0065]
Zweiter Abschnitt.
δωκεν αὐτὸν τῷ πατρὶ αὐτοῦ bei Lukas, was nach ihm ziem-
lich überflüssig wäre, wenn es nicht ein Übergeben zu be-
sonderer Fürsorge bezeichnen sollte. Allein ἀποδίδωμι
heiſst nicht zunächst übergeben, sondern zurückgeben, und
so liegt in dem Satze nur der Sinn: puerum, quem sa-
nandum acceperat, sanatum reddidit, oder, daſs er den
einer fremden Gewalt, des Dämons, verfallenen Sohn den
Eltern als den ihrigen zurückgegeben habe. Endlich, wie
willkürlich ist es, wenn Paulus das ἐκπορεύεται (Matth.
V. 21.) in der engeren Bedeutung eines völligen Weggehens
vom vorläufigen Ausfahren, was schon auf das Wort Jesu
(V. 18.) geschehen sei, unterscheidet. So daſs uns auch
hier keine successive Kur berichtet ist, sondern, wie sonst
immer, eine momentane, weſswegen denn auch die προσευχὴ
und νηςεία nicht als Vorschrift für den Patienten gefaſst
werden können.
Zu dieser ganzen Geschichte muſs eine analoge Er-
zählung aus 2 Kön. 4, 29 ff. verglichen werden. Hier will
der Prophet Elisa einen gestorbenen Knaben dadurch wie-
der zum Leben bringen, daſs er seinen Knecht Gehasi mit
seinem Stabe sendet, welchen dieser dem Todten auf das
Angesicht legen soll; aber das Vornehmen des Knechts
bleibt ohne Erfolg, und Elisa muſs selbst kommen und den
Knaben in's Leben rufen. Das gleiche Verhältniſs, wie in
dieser A. T.lichen Geschichte zwischen dem Propheten und
seinem Diener, sehen wir in der N. T.lichen Erzählung
zwischen dem Messias und seinen Jüngern, daſs diese oh-
ne ihn nichts thun können, daſs aber er, was ihnen zu
schwer ist, mit Sicherheit vollbringt. Ebendamit aber se-
hen wir auch die Tendenz beider Erzählungen: sie ist,
durch Hinweisung auf den Abstand zwischen ihm und
selbst seinen vertrautesten Schülern den Meister zu heben;
oder, wenn wir die vorliegende evangelische Erzählung mit
der von dem gadarenischen Besessenen zusammenhalten,
so können wir sagen: wie jener früher erwogene Fall an
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/65>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.