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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 134.
wesen waren, in der Überlieferung allmählig immer mehr
judäische und jerusalemische hinzugefügt, und durch diese
endlich jene ganz verdrängt worden sein mögen, lässt sich
durch mancherlei Gründe zur Wahrscheinlichkeit erheben.
Schon der Zeit nach war die Kunde von der Auferste-
hung Jesu um so schlagender, je unmittelbarer seine Er-
scheinungen auf Begräbniss und Wiederbelebung gefolgt
waren: sollte er aber erst in Galiläa erschienen sein, so
fand eine solche unmittelbare Aufeinanderfolge nicht statt;
ferner war es eine natürliche Vorstellung, dass sich die
Auferstehung Jesu an Ort und Stelle seines Todes durch
Erscheinungen documentirt haben müsse; endlich aber der
Vo wurf, dass Jesus nach seiner angeblichen Wiederbele-
bung nur den Seinigen, und zwar in einem Winkel von
Galiläa, erschienen sei, war dadurch einigermassen zurück-
gewiesen, wenn man sich darauf berufen konnte, dass er
vielmehr in der Hauptstadt, mitten unter seinen ergrimm-
ten Feinden, aber freilich von diesen weder zu sehen noch
zu greifen, als Auferstandener gewandelt habe. Hatte
man aber einmal mehrere Erscheinungen Jesu nach Judäa
und Jerusalem verlegt, so verloren die galiläischen ihre
Wichtigkeit, und konnten hinfort entweder in der unter-
geordneten Weise, wie im vierten Evangelium, nachge-
tragen werden, oder auch, wie im dritten, ganz ausfallen.
Da diesem, vom Standpunkt möglicher Sagenbildung aus
sich ergebenden Resultat hier nicht wie oben in der Un-
tersuchung über den Schauplaz der Wirksamkeit des le-
benden Jesus vom Gesichtspunkt der Verhältnisse und Ab-
sichten Jesu aus ein umgekehrtes sich entgegensezt: so
brauchen wir hier die Entscheidung nicht dahingestellt zu
lassen, sondern dürfen im Widerspruch gegen die jetzige
Kritik zu Gunsten des ersten Evangeliums entscheiden,
dessen Bericht über das Erscheinen des Auferstandenen
ohnehin als der einfachere und minder schwierige sich
empfehlen wird.

Viertes Kapitel. §. 134.
wesen waren, in der Überlieferung allmählig immer mehr
judäische und jerusalemische hinzugefügt, und durch diese
endlich jene ganz verdrängt worden sein mögen, läſst sich
durch mancherlei Gründe zur Wahrscheinlichkeit erheben.
Schon der Zeit nach war die Kunde von der Auferste-
hung Jesu um so schlagender, je unmittelbarer seine Er-
scheinungen auf Begräbniſs und Wiederbelebung gefolgt
waren: sollte er aber erst in Galiläa erschienen sein, so
fand eine solche unmittelbare Aufeinanderfolge nicht statt;
ferner war es eine natürliche Vorstellung, daſs sich die
Auferstehung Jesu an Ort und Stelle seines Todes durch
Erscheinungen documentirt haben müsse; endlich aber der
Vo wurf, daſs Jesus nach seiner angeblichen Wiederbele-
bung nur den Seinigen, und zwar in einem Winkel von
Galiläa, erschienen sei, war dadurch einigermaſsen zurück-
gewiesen, wenn man sich darauf berufen konnte, daſs er
vielmehr in der Hauptstadt, mitten unter seinen ergrimm-
ten Feinden, aber freilich von diesen weder zu sehen noch
zu greifen, als Auferstandener gewandelt habe. Hatte
man aber einmal mehrere Erscheinungen Jesu nach Judäa
und Jerusalem verlegt, so verloren die galiläischen ihre
Wichtigkeit, und konnten hinfort entweder in der unter-
geordneten Weise, wie im vierten Evangelium, nachge-
tragen werden, oder auch, wie im dritten, ganz ausfallen.
Da diesem, vom Standpunkt möglicher Sagenbildung aus
sich ergebenden Resultat hier nicht wie oben in der Un-
tersuchung über den Schauplaz der Wirksamkeit des le-
benden Jesus vom Gesichtspunkt der Verhältnisse und Ab-
sichten Jesu aus ein umgekehrtes sich entgegensezt: so
brauchen wir hier die Entscheidung nicht dahingestellt zu
lassen, sondern dürfen im Widerspruch gegen die jetzige
Kritik zu Gunsten des ersten Evangeliums entscheiden,
dessen Bericht über das Erscheinen des Auferstandenen
ohnehin als der einfachere und minder schwierige sich
empfehlen wird.

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[619/0638] Viertes Kapitel. §. 134. wesen waren, in der Überlieferung allmählig immer mehr judäische und jerusalemische hinzugefügt, und durch diese endlich jene ganz verdrängt worden sein mögen, läſst sich durch mancherlei Gründe zur Wahrscheinlichkeit erheben. Schon der Zeit nach war die Kunde von der Auferste- hung Jesu um so schlagender, je unmittelbarer seine Er- scheinungen auf Begräbniſs und Wiederbelebung gefolgt waren: sollte er aber erst in Galiläa erschienen sein, so fand eine solche unmittelbare Aufeinanderfolge nicht statt; ferner war es eine natürliche Vorstellung, daſs sich die Auferstehung Jesu an Ort und Stelle seines Todes durch Erscheinungen documentirt haben müsse; endlich aber der Vo wurf, daſs Jesus nach seiner angeblichen Wiederbele- bung nur den Seinigen, und zwar in einem Winkel von Galiläa, erschienen sei, war dadurch einigermaſsen zurück- gewiesen, wenn man sich darauf berufen konnte, daſs er vielmehr in der Hauptstadt, mitten unter seinen ergrimm- ten Feinden, aber freilich von diesen weder zu sehen noch zu greifen, als Auferstandener gewandelt habe. Hatte man aber einmal mehrere Erscheinungen Jesu nach Judäa und Jerusalem verlegt, so verloren die galiläischen ihre Wichtigkeit, und konnten hinfort entweder in der unter- geordneten Weise, wie im vierten Evangelium, nachge- tragen werden, oder auch, wie im dritten, ganz ausfallen. Da diesem, vom Standpunkt möglicher Sagenbildung aus sich ergebenden Resultat hier nicht wie oben in der Un- tersuchung über den Schauplaz der Wirksamkeit des le- benden Jesus vom Gesichtspunkt der Verhältnisse und Ab- sichten Jesu aus ein umgekehrtes sich entgegensezt: so brauchen wir hier die Entscheidung nicht dahingestellt zu lassen, sondern dürfen im Widerspruch gegen die jetzige Kritik zu Gunsten des ersten Evangeliums entscheiden, dessen Bericht über das Erscheinen des Auferstandenen ohnehin als der einfachere und minder schwierige sich empfehlen wird.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/638>, abgerufen am 23.11.2024.