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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Zweiter Abschnitt.
verzichten wollen, etwas von dem Anlass zu wissen, bei
welchem er gethan worden ist, so müssen wir die Ver-
bindung bei Matthäus als die ursprüngliche annehmen;
denn zu einer den Jüngern misslungenen Kur passt er vor-
trefflich. -- Ausser dem Zwischenspiel mit dem Vater hat
Markus die Scene auch dadurch noch effektvoller zu ma-
chen gesucht, dass er während jener Zwischenhandlung ei-
nen Volkszulauf entstehen, nach Austreibung des Dämons
den Knaben osei nekron, so dass Viele sagten, oti apetha-
nen, hinsinken, und von Jesu, wie er sonst bei Todten that
(Matth. 9, 25.), durch ein kratein tes kheiros aufgerichtet
und ins Leben zurückgerufen werden lässt.

Während nach vollendeter Kur Lukas durch eine
kurze Hinweisung auf das Erstaunen des Volkes schliesst,
lassen die ersten Synoptiker beide die Jünger, als sie mit
Jesu allein sind, die Frage an ihn richten, warum sie nicht
im Stande gewesen seien, den Dämon auszutreiben? was
er nun bei Matthäus zunächst auf die erwähnte Weise aus
ihrem Unglauben, bei Markus aber daraus erklärt, dass
touto to genos en oudeni dunatai exelthein, ei me en proseukhe
kai neseia, was auch Matthäus nach den Reden über Un-
glauben und Glaubensmacht noch hinzufügt. Diess scheint
nun bei Matthäus eine üble Zusammensetzung zu geben;
denn wenn zu der Heilung Fasten und Beten erforderlich
war: so hätten die Jünger, falls sie nicht vorher gefastet
hatten, auch mit dem festesten Glauben den Dämon nicht
auszutreiben vermocht 44). Ob nun die Auskunft genüge,
die beiden von Jesu namhaft gemachten Gründe der Un-
wirksamkeit der Jünger dadurch zu vereinigen, dass man
Fasten und Beten eben als Stärkungsmittel des Glaubens
betrachtet 45), oder ob mit Schleiermacher eine Zusam-
menstellung von nicht zusammengehörigen Aussprüchen an-

44) Schleiermacher, S. 150.
45) Köster, Immanuel, S. 197; Fritzsche z. d. St.

Zweiter Abschnitt.
verzichten wollen, etwas von dem Anlaſs zu wissen, bei
welchem er gethan worden ist, so müssen wir die Ver-
bindung bei Matthäus als die ursprüngliche annehmen;
denn zu einer den Jüngern miſslungenen Kur paſst er vor-
trefflich. — Ausser dem Zwischenspiel mit dem Vater hat
Markus die Scene auch dadurch noch effektvoller zu ma-
chen gesucht, daſs er während jener Zwischenhandlung ei-
nen Volkszulauf entstehen, nach Austreibung des Dämons
den Knaben ὡσεὶ νεκρὸν, so daſs Viele sagten, ὅτι ἀπέϑα-
νεν, hinsinken, und von Jesu, wie er sonst bei Todten that
(Matth. 9, 25.), durch ein κρατεῖν τῆς χειρὸς aufgerichtet
und ins Leben zurückgerufen werden läſst.

Während nach vollendeter Kur Lukas durch eine
kurze Hinweisung auf das Erstaunen des Volkes schlieſst,
lassen die ersten Synoptiker beide die Jünger, als sie mit
Jesu allein sind, die Frage an ihn richten, warum sie nicht
im Stande gewesen seien, den Dämon auszutreiben? was
er nun bei Matthäus zunächst auf die erwähnte Weise aus
ihrem Unglauben, bei Markus aber daraus erklärt, daſs
τοῦτο τὸ γένος ἐν οὐδενὶ δύναται ἐξελϑεῖν, εἰ μὴ ἐν προσευχῇ
καὶ νηςείᾳ, was auch Matthäus nach den Reden über Un-
glauben und Glaubensmacht noch hinzufügt. Dieſs scheint
nun bei Matthäus eine üble Zusammensetzung zu geben;
denn wenn zu der Heilung Fasten und Beten erforderlich
war: so hätten die Jünger, falls sie nicht vorher gefastet
hatten, auch mit dem festesten Glauben den Dämon nicht
auszutreiben vermocht 44). Ob nun die Auskunft genüge,
die beiden von Jesu namhaft gemachten Gründe der Un-
wirksamkeit der Jünger dadurch zu vereinigen, daſs man
Fasten und Beten eben als Stärkungsmittel des Glaubens
betrachtet 45), oder ob mit Schleiermacher eine Zusam-
menstellung von nicht zusammengehörigen Aussprüchen an-

44) Schleiermacher, S. 150.
45) Köster, Immanuel, S. 197; Fritzsche z. d. St.
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[44/0063] Zweiter Abschnitt. verzichten wollen, etwas von dem Anlaſs zu wissen, bei welchem er gethan worden ist, so müssen wir die Ver- bindung bei Matthäus als die ursprüngliche annehmen; denn zu einer den Jüngern miſslungenen Kur paſst er vor- trefflich. — Ausser dem Zwischenspiel mit dem Vater hat Markus die Scene auch dadurch noch effektvoller zu ma- chen gesucht, daſs er während jener Zwischenhandlung ei- nen Volkszulauf entstehen, nach Austreibung des Dämons den Knaben ὡσεὶ νεκρὸν, so daſs Viele sagten, ὅτι ἀπέϑα- νεν, hinsinken, und von Jesu, wie er sonst bei Todten that (Matth. 9, 25.), durch ein κρατεῖν τῆς χειρὸς aufgerichtet und ins Leben zurückgerufen werden läſst. Während nach vollendeter Kur Lukas durch eine kurze Hinweisung auf das Erstaunen des Volkes schlieſst, lassen die ersten Synoptiker beide die Jünger, als sie mit Jesu allein sind, die Frage an ihn richten, warum sie nicht im Stande gewesen seien, den Dämon auszutreiben? was er nun bei Matthäus zunächst auf die erwähnte Weise aus ihrem Unglauben, bei Markus aber daraus erklärt, daſs τοῦτο τὸ γένος ἐν οὐδενὶ δύναται ἐξελϑεῖν, εἰ μὴ ἐν προσευχῇ καὶ νηςείᾳ, was auch Matthäus nach den Reden über Un- glauben und Glaubensmacht noch hinzufügt. Dieſs scheint nun bei Matthäus eine üble Zusammensetzung zu geben; denn wenn zu der Heilung Fasten und Beten erforderlich war: so hätten die Jünger, falls sie nicht vorher gefastet hatten, auch mit dem festesten Glauben den Dämon nicht auszutreiben vermocht 44). Ob nun die Auskunft genüge, die beiden von Jesu namhaft gemachten Gründe der Un- wirksamkeit der Jünger dadurch zu vereinigen, daſs man Fasten und Beten eben als Stärkungsmittel des Glaubens betrachtet 45), oder ob mit Schleiermacher eine Zusam- menstellung von nicht zusammengehörigen Aussprüchen an- 44) Schleiermacher, S. 150. 45) Köster, Immanuel, S. 197; Fritzsche z. d. St.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/63>, abgerufen am 24.11.2024.