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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Neuntes Kapitel. §. 89.
Markus thut ihm nicht nur dieses nach, sondern flicht auch
V. 21 -- 24. eine ihm eigenthümliche Zwischenscene zwi-
schen Jesus und dem Vater ein, in welcher er zuerst Ei-
niges über die Krankheitsumstände theils aus Matthäus,
theils aus eigenen Mitteln nachholt, hierauf aber den Va-
ter zur pisis aufgefordert werden, und sofort mit Thränen
die Schwäche seines Glaubens und den Wunsch einer Stär-
kung desselben aussprechen lässt. Dieses zusammengenom-
men mit der Notiz von den streitenden Schriftgelehrten,
wird man nicht irre gehen, wenn man bei Markus und
wohl auch bei Lukas die Anrede: o genea apisos, auf das
Publikum im Unterschied von den Jüngern, nach Markus
namentlich auch auf den Vater des Knaben bezieht, des-
sen Unglaube hier als der Heilung hinderlich, wie ander-
wärts (Matth. 9, 2.) der Glaube der Angehörigen als der-
selben förderlich dargestellt wird. Da aber beide Evange-
listen diesen Sinn dadurch hervorbringen, dass sie die Er-
klärung der Unwirksamkeit der Jünger aus ihrer apisia
sammt dem Ausspruch über die Berge versetzende Macht
des Glaubens hier weglassen: so fragt sich, ob die an-
dern Verbindungen, in welche sie diese Reden stellen, pas-
sender als die bei Matthäus sind? Bei Lukas nun steht
der Ausspruch: wenn ihr Glauben habt, wie ein Senfkorn
u. s. f. (denn das dia ten apisian umon haben beide gar
nicht), nur mit der geringen Variation, dass statt des Ber-
ges ein Baum genannt ist, 17, 5. 6. ausser aller Verbin-
dung weder mit dem Vorhergehenden noch Folgenden als
ein versprengtes Redestück kleinster Grösse, mit der ohne
Zweifel nach Art von Luc. 11, 1. und 13, 23. gemachten
Einleitung, dass die Jünger Jesum bitten: prosthes emin
pisin; Markus giebt die Sentenz vom Berge versetzen-
den Glauben als Nutzanwendung zu der Geschichte vom
verfluchten Feigenbaum, wo sie auch Matthäus wieder hat.
Aber dazu passt, wie wir bald sehen werden, der Aus-
spruch gar nicht, sondern, wenn wir nicht ganz darauf

Neuntes Kapitel. §. 89.
Markus thut ihm nicht nur dieses nach, sondern flicht auch
V. 21 — 24. eine ihm eigenthümliche Zwischenscene zwi-
schen Jesus und dem Vater ein, in welcher er zuerst Ei-
niges über die Krankheitsumstände theils aus Matthäus,
theils aus eigenen Mitteln nachholt, hierauf aber den Va-
ter zur πίςις aufgefordert werden, und sofort mit Thränen
die Schwäche seines Glaubens und den Wunsch einer Stär-
kung desselben aussprechen läſst. Dieses zusammengenom-
men mit der Notiz von den streitenden Schriftgelehrten,
wird man nicht irre gehen, wenn man bei Markus und
wohl auch bei Lukas die Anrede: ὦ γενεὰ ἄπιςος, auf das
Publikum im Unterschied von den Jüngern, nach Markus
namentlich auch auf den Vater des Knaben bezieht, des-
sen Unglaube hier als der Heilung hinderlich, wie ander-
wärts (Matth. 9, 2.) der Glaube der Angehörigen als der-
selben förderlich dargestellt wird. Da aber beide Evange-
listen diesen Sinn dadurch hervorbringen, daſs sie die Er-
klärung der Unwirksamkeit der Jünger aus ihrer ἀπιςία
sammt dem Ausspruch über die Berge versetzende Macht
des Glaubens hier weglassen: so fragt sich, ob die an-
dern Verbindungen, in welche sie diese Reden stellen, pas-
sender als die bei Matthäus sind? Bei Lukas nun steht
der Ausspruch: wenn ihr Glauben habt, wie ein Senfkorn
u. s. f. (denn das διὰ τὴν ἀπιςίαν ὑμῶν haben beide gar
nicht), nur mit der geringen Variation, daſs statt des Ber-
ges ein Baum genannt ist, 17, 5. 6. ausser aller Verbin-
dung weder mit dem Vorhergehenden noch Folgenden als
ein versprengtes Redestück kleinster Gröſse, mit der ohne
Zweifel nach Art von Luc. 11, 1. und 13, 23. gemachten
Einleitung, daſs die Jünger Jesum bitten: πρόσϑες ἡμῖν
πίςιν· Markus giebt die Sentenz vom Berge versetzen-
den Glauben als Nutzanwendung zu der Geschichte vom
verfluchten Feigenbaum, wo sie auch Matthäus wieder hat.
Aber dazu paſst, wie wir bald sehen werden, der Aus-
spruch gar nicht, sondern, wenn wir nicht ganz darauf

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[43/0062] Neuntes Kapitel. §. 89. Markus thut ihm nicht nur dieses nach, sondern flicht auch V. 21 — 24. eine ihm eigenthümliche Zwischenscene zwi- schen Jesus und dem Vater ein, in welcher er zuerst Ei- niges über die Krankheitsumstände theils aus Matthäus, theils aus eigenen Mitteln nachholt, hierauf aber den Va- ter zur πίςις aufgefordert werden, und sofort mit Thränen die Schwäche seines Glaubens und den Wunsch einer Stär- kung desselben aussprechen läſst. Dieses zusammengenom- men mit der Notiz von den streitenden Schriftgelehrten, wird man nicht irre gehen, wenn man bei Markus und wohl auch bei Lukas die Anrede: ὦ γενεὰ ἄπιςος, auf das Publikum im Unterschied von den Jüngern, nach Markus namentlich auch auf den Vater des Knaben bezieht, des- sen Unglaube hier als der Heilung hinderlich, wie ander- wärts (Matth. 9, 2.) der Glaube der Angehörigen als der- selben förderlich dargestellt wird. Da aber beide Evange- listen diesen Sinn dadurch hervorbringen, daſs sie die Er- klärung der Unwirksamkeit der Jünger aus ihrer ἀπιςία sammt dem Ausspruch über die Berge versetzende Macht des Glaubens hier weglassen: so fragt sich, ob die an- dern Verbindungen, in welche sie diese Reden stellen, pas- sender als die bei Matthäus sind? Bei Lukas nun steht der Ausspruch: wenn ihr Glauben habt, wie ein Senfkorn u. s. f. (denn das διὰ τὴν ἀπιςίαν ὑμῶν haben beide gar nicht), nur mit der geringen Variation, daſs statt des Ber- ges ein Baum genannt ist, 17, 5. 6. ausser aller Verbin- dung weder mit dem Vorhergehenden noch Folgenden als ein versprengtes Redestück kleinster Gröſse, mit der ohne Zweifel nach Art von Luc. 11, 1. und 13, 23. gemachten Einleitung, daſs die Jünger Jesum bitten: πρόσϑες ἡμῖν πίςιν· Markus giebt die Sentenz vom Berge versetzen- den Glauben als Nutzanwendung zu der Geschichte vom verfluchten Feigenbaum, wo sie auch Matthäus wieder hat. Aber dazu paſst, wie wir bald sehen werden, der Aus- spruch gar nicht, sondern, wenn wir nicht ganz darauf

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/62>, abgerufen am 24.11.2024.