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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Viertes Kapitel. §. 133.
beiden Apostel mit dem durch die Rückkehr der Weiber
veranlassten des Petrus ein und derselbe: dann ist auch
die Rückkehr der Frauen keine doppelte; sind sie aber
miteinander umgekehrt: so sollten sie auch das Gleiche ge-
sehen haben, und da die Evangelisten sie Verschiedenes
sehen lassen, so ist diess ein Widerspruch. -- Nachdem
nun die beiden Apostel umgekehrt sind, ohne einen Engel
gesehen zu haben, erblickt die zurückgebliebene Maria, wie
sie in das Grab hineinsieht, auf Einmal deren zwei. Welch
wunderliches Versteckspielen der Engel nach der harmoni-
stischen Zusammenfügung dieser Erzählungen! Zuerst zeigt
sich dem einen Trupp der Weiber nur Einer; dann einem
andern deren zwei; vor den Jüngern hierauf verbergen
sich beide; nach deren Abgang aber kommen beide wie-
der zum Vorschein. Um diess unterbrechende Verschwin-
den zu entfernen, hat Paulus die der Magdalena zu Theil
gewordene Erscheinung vor die Ankunft der beiden Jün-
ger gestellt: aber durch diese gewaltsame Umstellung der
vom Berichterstatter gewählten Ordnung nur ein Bekennt-
niss der Unmöglichkeit abgelegt, die Erzählungen der ver-
schiedenen Evangelisten auf diese Weise ineinander einzu-
schieben. -- Hierauf, wie sich Magdalena vom Hineinse-
hen in das Grab aufrichtet und umschaut, sieht sie Jesum
hinter sich stehen. Nach Matthäus erschien Jesus der
Magdalena und der andern Maria, als diese bereits auf
dem Rückweg in die Stadt begriffen, mithin vom Grabe
entfernt waren. So wäre also Jesus zuerst der Maria
Magdalena allein hart am Grabe, hierauf ihr in Gesell-
schaft einer andern Frau auf dem Wege erschienen. Um
das Zwecklose dieser in so kurzer Frist wiederholten Er-
scheinung Jesu vor derselben Person zu vermeiden, hat
man die obige Behauptung benüzt, von den Frauen, von
welchen Matthäus spreche, habe sich Magdalena schon
früher getrennt gehabt 11): allein dann wäre es, da Mat-

11) Kuinöl, in Matth. p. 800 f.

Viertes Kapitel. §. 133.
beiden Apostel mit dem durch die Rückkehr der Weiber
veranlaſsten des Petrus ein und derselbe: dann ist auch
die Rückkehr der Frauen keine doppelte; sind sie aber
miteinander umgekehrt: so sollten sie auch das Gleiche ge-
sehen haben, und da die Evangelisten sie Verschiedenes
sehen lassen, so ist dieſs ein Widerspruch. — Nachdem
nun die beiden Apostel umgekehrt sind, ohne einen Engel
gesehen zu haben, erblickt die zurückgebliebene Maria, wie
sie in das Grab hineinsieht, auf Einmal deren zwei. Welch
wunderliches Versteckspielen der Engel nach der harmoni-
stischen Zusammenfügung dieser Erzählungen! Zuerst zeigt
sich dem einen Trupp der Weiber nur Einer; dann einem
andern deren zwei; vor den Jüngern hierauf verbergen
sich beide; nach deren Abgang aber kommen beide wie-
der zum Vorschein. Um dieſs unterbrechende Verschwin-
den zu entfernen, hat Paulus die der Magdalena zu Theil
gewordene Erscheinung vor die Ankunft der beiden Jün-
ger gestellt: aber durch diese gewaltsame Umstellung der
vom Berichterstatter gewählten Ordnung nur ein Bekennt-
niſs der Unmöglichkeit abgelegt, die Erzählungen der ver-
schiedenen Evangelisten auf diese Weise ineinander einzu-
schieben. — Hierauf, wie sich Magdalena vom Hineinse-
hen in das Grab aufrichtet und umschaut, sieht sie Jesum
hinter sich stehen. Nach Matthäus erschien Jesus der
Magdalena und der andern Maria, als diese bereits auf
dem Rückweg in die Stadt begriffen, mithin vom Grabe
entfernt waren. So wäre also Jesus zuerst der Maria
Magdalena allein hart am Grabe, hierauf ihr in Gesell-
schaft einer andern Frau auf dem Wege erschienen. Um
das Zwecklose dieser in so kurzer Frist wiederholten Er-
scheinung Jesu vor derselben Person zu vermeiden, hat
man die obige Behauptung benüzt, von den Frauen, von
welchen Matthäus spreche, habe sich Magdalena schon
früher getrennt gehabt 11): allein dann wäre es, da Mat-

11) Kuinöl, in Matth. p. 800 f.
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[597/0616] Viertes Kapitel. §. 133. beiden Apostel mit dem durch die Rückkehr der Weiber veranlaſsten des Petrus ein und derselbe: dann ist auch die Rückkehr der Frauen keine doppelte; sind sie aber miteinander umgekehrt: so sollten sie auch das Gleiche ge- sehen haben, und da die Evangelisten sie Verschiedenes sehen lassen, so ist dieſs ein Widerspruch. — Nachdem nun die beiden Apostel umgekehrt sind, ohne einen Engel gesehen zu haben, erblickt die zurückgebliebene Maria, wie sie in das Grab hineinsieht, auf Einmal deren zwei. Welch wunderliches Versteckspielen der Engel nach der harmoni- stischen Zusammenfügung dieser Erzählungen! Zuerst zeigt sich dem einen Trupp der Weiber nur Einer; dann einem andern deren zwei; vor den Jüngern hierauf verbergen sich beide; nach deren Abgang aber kommen beide wie- der zum Vorschein. Um dieſs unterbrechende Verschwin- den zu entfernen, hat Paulus die der Magdalena zu Theil gewordene Erscheinung vor die Ankunft der beiden Jün- ger gestellt: aber durch diese gewaltsame Umstellung der vom Berichterstatter gewählten Ordnung nur ein Bekennt- niſs der Unmöglichkeit abgelegt, die Erzählungen der ver- schiedenen Evangelisten auf diese Weise ineinander einzu- schieben. — Hierauf, wie sich Magdalena vom Hineinse- hen in das Grab aufrichtet und umschaut, sieht sie Jesum hinter sich stehen. Nach Matthäus erschien Jesus der Magdalena und der andern Maria, als diese bereits auf dem Rückweg in die Stadt begriffen, mithin vom Grabe entfernt waren. So wäre also Jesus zuerst der Maria Magdalena allein hart am Grabe, hierauf ihr in Gesell- schaft einer andern Frau auf dem Wege erschienen. Um das Zwecklose dieser in so kurzer Frist wiederholten Er- scheinung Jesu vor derselben Person zu vermeiden, hat man die obige Behauptung benüzt, von den Frauen, von welchen Matthäus spreche, habe sich Magdalena schon früher getrennt gehabt 11): allein dann wäre es, da Mat- 11) Kuinöl, in Matth. p. 800 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/616>, abgerufen am 23.11.2024.