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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
Stück gewoben (uphantos di olou) gewesen sei 31). Da ha-
ben wir also bei dem vierten Evangelisten ganz dasselbe
Verfahren, wie wir es in der Geschichte des Einzugs auf
Seiten des ersten gefunden haben: beidemale die Verdopp-
lung eines ursprünglich einfachen Zugs aus falscher Fas-
sung der copula im hebräischen Parallelismus; nur ist der
erste Evangelist an jener Stelle darin noch weniger willkühr-
lich, als hier der vierte, dass er uns wenigstens mit der Auf-
spürung des Grundes verschont, warum damals für Einen Rei-
ter zwei Esel haben requirirt werden müssen. Je mehr sich
auf diese Weise die Darstellung des bezeichneten Punkts
bei den Evangelisten abhängig zeigt von der Art, wie je-
der jene vermeintlich prophetische Psalmstelle verstand: de-
sto weniger scheint eine sichere historische Kunde an ih-
rer Darstellung Theil gehabt zu haben, und wir wissen
demnach nicht, ob bei der Vertheilung der Kleider Jesu
das Loos angewendet, ja ob überhaupt unter dem Kreuze
Jesu eine Kleidertheilung vorgenommen worden ist; so
zuversichtlich sich Justin gerade auch für diesen Zug auf
die Akten des Pilatus beruft, welche er nie gesehen hatte32).

Von dem Benehmen der bei'm Kreuze Jesu anwesen-
den Juden meldet uns Johannes nichts; Lukas lässt das
Volk zuschauend dastehen, und nur die arkhontes und die
Soldaten Jesum durch die Aufforderung, sich zu retten,
wenn er der Messias sei, wozu von Seiten der lezteren
noch das Anbieten des Essigs kommt, verhöhnen (V. 35 ff.);
Matthäus und Markus haben von einem Spott der Solda-
ten hier nichts, dafür aber lassen sie ausser den arkhiereis,
grammateis und presbuteroi noch die paraporeuomenoi Lä-

31) Die Ausleger merken hiezu an, dass auch das Kleid des jü-
dischen Hohenpriesters von dieser Beschaffenheit war. Jo-
seph. antiq. 3, 7, 4. -- Die richtige Ansicht von obiger Diffe-
renz ist bereits in den Probabilien aufgestellt, p. 80 f.
32) Apol. I, 35.

Dritter Abschnitt.
Stück gewoben (ὑφαντὸς δἰ ὅλου) gewesen sei 31). Da ha-
ben wir also bei dem vierten Evangelisten ganz dasselbe
Verfahren, wie wir es in der Geschichte des Einzugs auf
Seiten des ersten gefunden haben: beidemale die Verdopp-
lung eines ursprünglich einfachen Zugs aus falscher Fas-
sung der copula im hebräischen Parallelismus; nur ist der
erste Evangelist an jener Stelle darin noch weniger willkühr-
lich, als hier der vierte, daſs er uns wenigstens mit der Auf-
spürung des Grundes verschont, warum damals für Einen Rei-
ter zwei Esel haben requirirt werden müssen. Je mehr sich
auf diese Weise die Darstellung des bezeichneten Punkts
bei den Evangelisten abhängig zeigt von der Art, wie je-
der jene vermeintlich prophetische Psalmstelle verstand: de-
sto weniger scheint eine sichere historische Kunde an ih-
rer Darstellung Theil gehabt zu haben, und wir wissen
demnach nicht, ob bei der Vertheilung der Kleider Jesu
das Loos angewendet, ja ob überhaupt unter dem Kreuze
Jesu eine Kleidertheilung vorgenommen worden ist; so
zuversichtlich sich Justin gerade auch für diesen Zug auf
die Akten des Pilatus beruft, welche er nie gesehen hatte32).

Von dem Benehmen der bei'm Kreuze Jesu anwesen-
den Juden meldet uns Johannes nichts; Lukas läſst das
Volk zuschauend dastehen, und nur die ἄρχοντες und die
Soldaten Jesum durch die Aufforderung, sich zu retten,
wenn er der Messias sei, wozu von Seiten der lezteren
noch das Anbieten des Essigs kommt, verhöhnen (V. 35 ff.);
Matthäus und Markus haben von einem Spott der Solda-
ten hier nichts, dafür aber lassen sie ausser den ἀρχιερεῖς,
γραμματεῖς und πρεσβύτεροι noch die παραπορευόμενοι Lä-

31) Die Ausleger merken hiezu an, dass auch das Kleid des jü-
dischen Hohenpriesters von dieser Beschaffenheit war. Jo-
seph. antiq. 3, 7, 4. — Die richtige Ansicht von obiger Diffe-
renz ist bereits in den Probabilien aufgestellt, p. 80 f.
32) Apol. I, 35.
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[544/0563] Dritter Abschnitt. Stück gewoben (ὑφαντὸς δἰ ὅλου) gewesen sei 31). Da ha- ben wir also bei dem vierten Evangelisten ganz dasselbe Verfahren, wie wir es in der Geschichte des Einzugs auf Seiten des ersten gefunden haben: beidemale die Verdopp- lung eines ursprünglich einfachen Zugs aus falscher Fas- sung der copula im hebräischen Parallelismus; nur ist der erste Evangelist an jener Stelle darin noch weniger willkühr- lich, als hier der vierte, daſs er uns wenigstens mit der Auf- spürung des Grundes verschont, warum damals für Einen Rei- ter zwei Esel haben requirirt werden müssen. Je mehr sich auf diese Weise die Darstellung des bezeichneten Punkts bei den Evangelisten abhängig zeigt von der Art, wie je- der jene vermeintlich prophetische Psalmstelle verstand: de- sto weniger scheint eine sichere historische Kunde an ih- rer Darstellung Theil gehabt zu haben, und wir wissen demnach nicht, ob bei der Vertheilung der Kleider Jesu das Loos angewendet, ja ob überhaupt unter dem Kreuze Jesu eine Kleidertheilung vorgenommen worden ist; so zuversichtlich sich Justin gerade auch für diesen Zug auf die Akten des Pilatus beruft, welche er nie gesehen hatte 32). Von dem Benehmen der bei'm Kreuze Jesu anwesen- den Juden meldet uns Johannes nichts; Lukas läſst das Volk zuschauend dastehen, und nur die ἄρχοντες und die Soldaten Jesum durch die Aufforderung, sich zu retten, wenn er der Messias sei, wozu von Seiten der lezteren noch das Anbieten des Essigs kommt, verhöhnen (V. 35 ff.); Matthäus und Markus haben von einem Spott der Solda- ten hier nichts, dafür aber lassen sie ausser den ἀρχιερεῖς, γραμματεῖς und πρεσβύτεροι noch die παραπορευόμενοι Lä- 31) Die Ausleger merken hiezu an, dass auch das Kleid des jü- dischen Hohenpriesters von dieser Beschaffenheit war. Jo- seph. antiq. 3, 7, 4. — Die richtige Ansicht von obiger Diffe- renz ist bereits in den Probabilien aufgestellt, p. 80 f. 32) Apol. I, 35.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/563>, abgerufen am 22.11.2024.