Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Drittes Kapitel. §. 128. sterungen gegen Jesum ausstossen (V. 39 ff. 29 ff.). DieÄusserungen dieser Leute beziehen sich theils auf frühere Reden und Thaten Jesu, wie der Spott: o kataluon ton naon kai en trisin emerais oikodomon, soson seauton (Matth. Mark.) auf die gleichlautende Rede, die man Jesu zu- schrieb, der Vorwurf aber: allous esosen, eauton ou dunatai sosai oder sosato eauton (bei allen dreien) auf seine Hei- lungen sich bezieht. Theils aber ist das Benehmen der Juden gegen den Gekreuzigten nach demselben Psalm ge- zeichnet, von welchem Tertullian mit Recht sagt, dass er totam Christi passionem in sich enthalte 33). Wenn wir nämlich bei Matthäus und Markus lesen: oi de para- poreuomenoi eblasphemoun (Lukas von den arkhontes: exe- mukterizon) auton, kinountes tas kephalas auton kai legon- tes; so ist diess doch gewiss nichts Anderes, als was Ps. 22, 8. (LXX.) steht: pantes oi theorountes me exemukteri- san me, elalesan en kheilesin, ekinesan kephalen, und hierauf bei Matthäus die den Synedristen geliehenen Worte: pe- poithen epi ton theon, Rusastho nun auton, ei thelei auton, sind ganz dieselben mit den Worten des folgenden Verses in jenem Psalm: elpisen epi Kurion, Rusastho auton; so- sato auton, oti thelei aiton. Kann nun zwar jenes Spot- ten und Kopfschütteln der Feinde Jesu, unerachtet die Zeichnung desselben nach einer A. T.lichen Stelle abge- schattet ist, dennoch gar wohl wirklich so vor sich gegan- gen sein: so verhält es sich dagegen mit dieser den Spöt- tern geliehenen Rede anders. Worte, die, wie die ange- gebenen, im A. T. den Feinden des Frommen in den Mund gelegt sind, konnten die Synedristen nicht adoptiren, oh- ne damit sich selbst als Gottlose hinzustellen, wovor sie sich wohl gehütet haben werden. Nur die christliche Sage, wenn sie einmal den Psalm auf das Leiden Jesu, und na- mentlich auf seine lezten Stunden, anwandte, konnte auch 33) Adv. Marcion. a. a. O. Das Leben Jesu II. Band. 35
Drittes Kapitel. §. 128. sterungen gegen Jesum ausstoſsen (V. 39 ff. 29 ff.). DieÄusserungen dieser Leute beziehen sich theils auf frühere Reden und Thaten Jesu, wie der Spott: ὁ καταλύων τὸν ναὸν καὶ ἐν τρισὶν ἡμέραις οἰκοδομῶν, σῶσον σεαυτὸν (Matth. Mark.) auf die gleichlautende Rede, die man Jesu zu- schrieb, der Vorwurf aber: ἄλλους ἔσωσεν, ἑαυτὸν οὐ δύναται σῶσαι oder σωσάτω ἑαυτὸν (bei allen dreien) auf seine Hei- lungen sich bezieht. Theils aber ist das Benehmen der Juden gegen den Gekreuzigten nach demselben Psalm ge- zeichnet, von welchem Tertullian mit Recht sagt, daſs er totam Christi passionem in sich enthalte 33). Wenn wir nämlich bei Matthäus und Markus lesen: οἱ δὲ παρα- πορευόμενοι ἐβλασφήμουν (Lukas von den ἄρχοντες: ἐξε- μυκτήριζον) αὐτὸν, κινοῦντες τὰς κεφαλὰς αὑτῶν καὶ λέγον- τες· so ist dieſs doch gewiſs nichts Anderes, als was Ps. 22, 8. (LXX.) steht: πάντες οἱ ϑεωροῦντές με ἐξεμυκτήρι- σάν με, ἐλάλησαν ἐν χείλεσιν, ἐκίνησαν κεφαλὴν, und hierauf bei Matthäus die den Synedristen geliehenen Worte: πέ- ποιϑεν ἐπὶ τὸν ϑεὸν, ῥυσάσϑω νῦν αὐτὸν, εἰ ϑέλει αὐτὸν, sind ganz dieselben mit den Worten des folgenden Verses in jenem Psalm: ἤλπισεν ἐπὶ Κύριον, ῥυσάσϑω αὐτόν· σω- σάτω αὐτὸν, ὅτι ϑέλει αἰτόν. Kann nun zwar jenes Spot- ten und Kopfschütteln der Feinde Jesu, unerachtet die Zeichnung desselben nach einer A. T.lichen Stelle abge- schattet ist, dennoch gar wohl wirklich so vor sich gegan- gen sein: so verhält es sich dagegen mit dieser den Spöt- tern geliehenen Rede anders. Worte, die, wie die ange- gebenen, im A. T. den Feinden des Frommen in den Mund gelegt sind, konnten die Synedristen nicht adoptiren, oh- ne damit sich selbst als Gottlose hinzustellen, wovor sie sich wohl gehütet haben werden. Nur die christliche Sage, wenn sie einmal den Psalm auf das Leiden Jesu, und na- mentlich auf seine lezten Stunden, anwandte, konnte auch 33) Adv. Marcion. a. a. O. Das Leben Jesu II. Band. 35
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Drittes Kapitel. §. 128.
sterungen gegen Jesum ausstoſsen (V. 39 ff. 29 ff.). Die
Äusserungen dieser Leute beziehen sich theils auf frühere
Reden und Thaten Jesu, wie der Spott: ὁ καταλύων τὸν
ναὸν καὶ ἐν τρισὶν ἡμέραις οἰκοδομῶν, σῶσον σεαυτὸν (Matth.
Mark.) auf die gleichlautende Rede, die man Jesu zu-
schrieb, der Vorwurf aber: ἄλλους ἔσωσεν, ἑαυτὸν οὐ δύναται
σῶσαι oder σωσάτω ἑαυτὸν (bei allen dreien) auf seine Hei-
lungen sich bezieht. Theils aber ist das Benehmen der
Juden gegen den Gekreuzigten nach demselben Psalm ge-
zeichnet, von welchem Tertullian mit Recht sagt, daſs er
totam Christi passionem in sich enthalte 33). Wenn wir
nämlich bei Matthäus und Markus lesen: οἱ δὲ παρα-
πορευόμενοι ἐβλασφήμουν (Lukas von den ἄρχοντες: ἐξε-
μυκτήριζον) αὐτὸν, κινοῦντες τὰς κεφαλὰς αὑτῶν καὶ λέγον-
τες· so ist dieſs doch gewiſs nichts Anderes, als was Ps.
22, 8. (LXX.) steht: πάντες οἱ ϑεωροῦντές με ἐξεμυκτήρι-
σάν με, ἐλάλησαν ἐν χείλεσιν, ἐκίνησαν κεφαλὴν, und hierauf
bei Matthäus die den Synedristen geliehenen Worte: πέ-
ποιϑεν ἐπὶ τὸν ϑεὸν, ῥυσάσϑω νῦν αὐτὸν, εἰ ϑέλει αὐτὸν,
sind ganz dieselben mit den Worten des folgenden Verses
in jenem Psalm: ἤλπισεν ἐπὶ Κύριον, ῥυσάσϑω αὐτόν· σω-
σάτω αὐτὸν, ὅτι ϑέλει αἰτόν. Kann nun zwar jenes Spot-
ten und Kopfschütteln der Feinde Jesu, unerachtet die
Zeichnung desselben nach einer A. T.lichen Stelle abge-
schattet ist, dennoch gar wohl wirklich so vor sich gegan-
gen sein: so verhält es sich dagegen mit dieser den Spöt-
tern geliehenen Rede anders. Worte, die, wie die ange-
gebenen, im A. T. den Feinden des Frommen in den Mund
gelegt sind, konnten die Synedristen nicht adoptiren, oh-
ne damit sich selbst als Gottlose hinzustellen, wovor sie
sich wohl gehütet haben werden. Nur die christliche Sage,
wenn sie einmal den Psalm auf das Leiden Jesu, und na-
mentlich auf seine lezten Stunden, anwandte, konnte auch
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