kel lkh@miy einen solchen gemeint, der überhaupt das Brot mit ihm zu theilen pflege: leicht aber konnte es als die Bezeichnung eines solchen angesehen werden, der jezt eben mit dem in der Weissagung Gemeinten esse, und so wurde als Scene der Vorherbezeichnung ein Mahl Jesu mit seinen Jüngern, und wegen der Nähe des Erfolgs am schicklichsten das lezte, gewählt. An die Worte der Psalm- stelle übrigens band man sich in der Art, wie man Jesum den Verräther bezeichnen liess, weiter nicht, sondern nahm statt des o trogon met emou ton arton entweder das syno- nyme met emou epi tes trapezes, wie Lukas, oder, da den Synoptikern zufolge dieses lezte Mahl ein Paschamahl war, so wählte man mit Bezug auf die dem Paschamahl eigen- thümliche Tunke das o embaptomenos met emou eis to tru- blion, wie Markus und Matthäus. Diess, zuerst ganz syn- onym dem o trogon k. t. l., als Bezeichnung irgend ei- nes seiner Tischgenossen, wurde bald, da man eine per- sönliche Bezeichnung haben wollte, durch Missverstand so gewendet, als ob Judas zufällig zugleich mit Jesu in die Schüssel gegriffen hätte, und endlich wurde, um die Be- zeichnung möglichst unmittelbar zu machen, der von Ju- das zugleich mit Jesu in die Schüssel getauchte Bissen vom vierten Evangelisten in einen solchen verwandelt, den Jesus dem Verräther eingetaucht und gegeben habe.
Auch sonst ist in der johanneischen Darstellung die- ser Scene Manches, was gar nicht natürlich, wie Sieffert will, sondern vielmehr gemacht erscheint. Die Art, wie Petrus sich der Vermittlung des Schoossjüngers bedienen muss, um von Jesu einen näheren Wink über den Verrä- ther herauszubringen, wie sie den Synoptikern fremd ist, so gehört sie auch nur zu der unhistorischen Wendung, welche, wie oben auseinandergesezt, das vierte Evangelium dem Verhältniss der beiden Apostel giebt. Die unter ei- ner Handlung der Freundschaft, wie das Reichen des Bis- sens, verborgene Bezeichnung im schlimmen Sinne ferner
Das Leben Jesu II. Band. 28
Zweites Kapitel. §. 119.
אׂכֵﬥ ﬥחְמִי einen solchen gemeint, der überhaupt das Brot mit ihm zu theilen pflege: leicht aber konnte es als die Bezeichnung eines solchen angesehen werden, der jezt eben mit dem in der Weissagung Gemeinten esse, und so wurde als Scene der Vorherbezeichnung ein Mahl Jesu mit seinen Jüngern, und wegen der Nähe des Erfolgs am schicklichsten das lezte, gewählt. An die Worte der Psalm- stelle übrigens band man sich in der Art, wie man Jesum den Verräther bezeichnen lieſs, weiter nicht, sondern nahm statt des ὁ τρώγων μετ̕ ἐμοῦ τὸν ἄρτον entweder das syno- nyme μετ̕ ἐμοῦ ἐπὶ τῆς τραπέζης, wie Lukas, oder, da den Synoptikern zufolge dieses lezte Mahl ein Paschamahl war, so wählte man mit Bezug auf die dem Paschamahl eigen- thümliche Tunke das ὁ ἐμβαπτόμενος μετ̕ ἐμοῦ εἰς τὸ τρυ- βλίον, wie Markus und Matthäus. Dieſs, zuerst ganz syn- onym dem ὁ τρώγων κ. τ. λ., als Bezeichnung irgend ei- nes seiner Tischgenossen, wurde bald, da man eine per- sönliche Bezeichnung haben wollte, durch Miſsverstand so gewendet, als ob Judas zufällig zugleich mit Jesu in die Schüssel gegriffen hätte, und endlich wurde, um die Be- zeichnung möglichst unmittelbar zu machen, der von Ju- das zugleich mit Jesu in die Schüssel getauchte Bissen vom vierten Evangelisten in einen solchen verwandelt, den Jesus dem Verräther eingetaucht und gegeben habe.
Auch sonst ist in der johanneischen Darstellung die- ser Scene Manches, was gar nicht natürlich, wie Sieffert will, sondern vielmehr gemacht erscheint. Die Art, wie Petrus sich der Vermittlung des Schooſsjüngers bedienen muſs, um von Jesu einen näheren Wink über den Verrä- ther herauszubringen, wie sie den Synoptikern fremd ist, so gehört sie auch nur zu der unhistorischen Wendung, welche, wie oben auseinandergesezt, das vierte Evangelium dem Verhältniſs der beiden Apostel giebt. Die unter ei- ner Handlung der Freundschaft, wie das Reichen des Bis- sens, verborgene Bezeichnung im schlimmen Sinne ferner
Das Leben Jesu II. Band. 28
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Zweites Kapitel. §. 119.
אׂכֵﬥ ﬥחְמִי einen solchen gemeint, der überhaupt das
Brot mit ihm zu theilen pflege: leicht aber konnte es als
die Bezeichnung eines solchen angesehen werden, der jezt
eben mit dem in der Weissagung Gemeinten esse, und
so wurde als Scene der Vorherbezeichnung ein Mahl Jesu
mit seinen Jüngern, und wegen der Nähe des Erfolgs am
schicklichsten das lezte, gewählt. An die Worte der Psalm-
stelle übrigens band man sich in der Art, wie man Jesum
den Verräther bezeichnen lieſs, weiter nicht, sondern nahm
statt des ὁ τρώγων μετ̕ ἐμοῦ τὸν ἄρτον entweder das syno-
nyme μετ̕ ἐμοῦ ἐπὶ τῆς τραπέζης, wie Lukas, oder, da den
Synoptikern zufolge dieses lezte Mahl ein Paschamahl war,
so wählte man mit Bezug auf die dem Paschamahl eigen-
thümliche Tunke das ὁ ἐμβαπτόμενος μετ̕ ἐμοῦ εἰς τὸ τρυ-
βλίον, wie Markus und Matthäus. Dieſs, zuerst ganz syn-
onym dem ὁ τρώγων κ. τ. λ., als Bezeichnung irgend ei-
nes seiner Tischgenossen, wurde bald, da man eine per-
sönliche Bezeichnung haben wollte, durch Miſsverstand so
gewendet, als ob Judas zufällig zugleich mit Jesu in die
Schüssel gegriffen hätte, und endlich wurde, um die Be-
zeichnung möglichst unmittelbar zu machen, der von Ju-
das zugleich mit Jesu in die Schüssel getauchte Bissen
vom vierten Evangelisten in einen solchen verwandelt, den
Jesus dem Verräther eingetaucht und gegeben habe.
Auch sonst ist in der johanneischen Darstellung die-
ser Scene Manches, was gar nicht natürlich, wie Sieffert
will, sondern vielmehr gemacht erscheint. Die Art, wie
Petrus sich der Vermittlung des Schooſsjüngers bedienen
muſs, um von Jesu einen näheren Wink über den Verrä-
ther herauszubringen, wie sie den Synoptikern fremd ist,
so gehört sie auch nur zu der unhistorischen Wendung,
welche, wie oben auseinandergesezt, das vierte Evangelium
dem Verhältniſs der beiden Apostel giebt. Die unter ei-
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sens, verborgene Bezeichnung im schlimmen Sinne ferner
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/452>, abgerufen am 22.07.2024.
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