Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweiter Abschnitt.
Einen Begriff des Esels mehrerer Ausdrücke sich bedient,
woraus sofort der griechische Übersetzer des ersten Evan-
geliums missverständlich mehrere Thiere gemacht habe 7).
Allerdings sind die gehäuften Bezeichnungen des Esels in je-
ner Stelle: hamvr v@`ayr b'enatonvt upozugion kai polon neon,
LXX, der Anlass der Verdoppelung desselben im er-
sten Evangelium, indem nämlich die copula, welche im
Hebräischen erklärend gemeint war, als hinzufügend
genommen, und statt "ein Esel, d. h. ein Eselsfüllen
u. s. w." vielmehr "ein Esel sammt einem Eselsfüllen"
in der Stelle gefunden wurde 8). Allein diesen Fehler
kann nicht erst der griechische Übersetzer gemacht haben,
welcher schwerlich, wenn er in der ganzen Erzählung des
Matthäus nur Einen Esel gefunden hätte, rein aus der Pro-
phetenstelle heraus ihn verdoppelt, und so oft sein Original
von Einem Esel sprach, den zweiten hinzugefügt, oder statt
des Singulars den Plural gesezt haben würde: sondern
ein solcher muss den Verstoss begangen haben, dessen ein-
zige schriftlich fixirte Quelle die Prophetenstelle war, aus
welcher er mit Zuziehung der mündlichen Tradition seine
ganze Erzählung herausspann, d. h. der Verfasser des er-
sten Evangeliums, welcher sich freilich hiedurch, wie die
neuere Kritik mit Recht behauptet, unwiederbringlich um
den Ruhm eines Augenzeugen bringt 9).

Ist dieser Missgriff dem ersten Evangelium eigen, so
haben hinwiederum auch die beiden mittleren einen Zug
für sich, welchen vermieden zu haben dem Verfasser des
ersten zum Vortheil gereicht. Auf das Schleppende zwar

7) Eichhorn, allgem. Bibliothek, 5, S. 896 f. vgl. Bolten, Be-
richt des Matthäus, S. 317 f.
8) s. Fritzsche, z. d. St.
9) Schulz, über das Abendm. S. 310 f.; Sieffert, über den
Urspr. S. 107 f.

Zweiter Abschnitt.
Einen Begriff des Esels mehrerer Ausdrücke sich bedient,
woraus sofort der griechische Übersetzer des ersten Evan-
geliums miſsverständlich mehrere Thiere gemacht habe 7).
Allerdings sind die gehäuften Bezeichnungen des Esels in je-
ner Stelle: הֲמוֺר וְעַיר בֶּן־אֲתֹנוֺת ὑποζύγιον καὶ πῶλον νέον,
LXX, der Anlaſs der Verdoppelung desselben im er-
sten Evangelium, indem nämlich die copula, welche im
Hebräischen erklärend gemeint war, als hinzufügend
genommen, und statt „ein Esel, d. h. ein Eselsfüllen
u. s. w.“ vielmehr „ein Esel sammt einem Eselsfüllen“
in der Stelle gefunden wurde 8). Allein diesen Fehler
kann nicht erst der griechische Übersetzer gemacht haben,
welcher schwerlich, wenn er in der ganzen Erzählung des
Matthäus nur Einen Esel gefunden hätte, rein aus der Pro-
phetenstelle heraus ihn verdoppelt, und so oft sein Original
von Einem Esel sprach, den zweiten hinzugefügt, oder statt
des Singulars den Plural gesezt haben würde: sondern
ein solcher muſs den Verstoſs begangen haben, dessen ein-
zige schriftlich fixirte Quelle die Prophetenstelle war, aus
welcher er mit Zuziehung der mündlichen Tradition seine
ganze Erzählung herausspann, d. h. der Verfasser des er-
sten Evangeliums, welcher sich freilich hiedurch, wie die
neuere Kritik mit Recht behauptet, unwiederbringlich um
den Ruhm eines Augenzeugen bringt 9).

Ist dieser Miſsgriff dem ersten Evangelium eigen, so
haben hinwiederum auch die beiden mittleren einen Zug
für sich, welchen vermieden zu haben dem Verfasser des
ersten zum Vortheil gereicht. Auf das Schleppende zwar

7) Eichhorn, allgem. Bibliothek, 5, S. 896 f. vgl. Bolten, Be-
richt des Matthäus, S. 317 f.
8) s. Fritzsche, z. d. St.
9) Schulz, über das Abendm. S. 310 f.; Sieffert, über den
Urspr. S. 107 f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0309" n="290"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiter Abschnitt</hi>.</fw><lb/>
Einen Begriff des Esels mehrerer Ausdrücke sich bedient,<lb/>
woraus sofort der griechische Übersetzer des ersten Evan-<lb/>
geliums mi&#x017F;sverständlich mehrere Thiere gemacht habe <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#k">Eichhorn</hi>, allgem. Bibliothek, 5, S. 896 f. vgl. <hi rendition="#k">Bolten</hi>, Be-<lb/>
richt des Matthäus, S. 317 f.</note>.<lb/>
Allerdings sind die gehäuften Bezeichnungen des Esels in je-<lb/>
ner Stelle: <foreign xml:lang="heb">&#x05D4;&#x05B2;&#x05DE;&#x05D5;&#x05BA;&#x05E8; &#x05D5;&#x05B0;&#x05E2;&#x05B7;&#x05D9;&#x05E8; &#x05D1;&#x05BC;&#x05B6;&#x05DF;&#x05BE;&#x05D0;&#x05B2;&#x05EA;&#x05B9;&#x05E0;&#x05D5;&#x05BA;&#x05EA;</foreign> <foreign xml:lang="ell">&#x1F51;&#x03C0;&#x03BF;&#x03B6;&#x03CD;&#x03B3;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x1F76; &#x03C0;&#x1FF6;&#x03BB;&#x03BF;&#x03BD; &#x03BD;&#x03AD;&#x03BF;&#x03BD;</foreign>,<lb/>
LXX, der Anla&#x017F;s der Verdoppelung desselben im er-<lb/>
sten Evangelium, indem nämlich die <hi rendition="#i">copula</hi>, welche im<lb/>
Hebräischen erklärend gemeint war, als hinzufügend<lb/>
genommen, und statt &#x201E;ein Esel, d. h. ein Eselsfüllen<lb/>
u. s. w.&#x201C; vielmehr &#x201E;ein Esel sammt einem Eselsfüllen&#x201C;<lb/>
in der Stelle gefunden wurde <note place="foot" n="8)">s. <hi rendition="#k">Fritzsche</hi>, z. d. St.</note>. Allein diesen Fehler<lb/>
kann nicht erst der griechische Übersetzer gemacht haben,<lb/>
welcher schwerlich, wenn er in der ganzen Erzählung des<lb/>
Matthäus nur Einen Esel gefunden hätte, rein aus der Pro-<lb/>
phetenstelle heraus ihn verdoppelt, und so oft sein Original<lb/>
von Einem Esel sprach, den zweiten hinzugefügt, oder statt<lb/>
des Singulars den Plural gesezt haben würde: sondern<lb/>
ein solcher mu&#x017F;s den Versto&#x017F;s begangen haben, dessen ein-<lb/>
zige schriftlich fixirte Quelle die Prophetenstelle war, aus<lb/>
welcher er mit Zuziehung der mündlichen Tradition seine<lb/>
ganze Erzählung herausspann, d. h. der Verfasser des er-<lb/>
sten Evangeliums, welcher sich freilich hiedurch, wie die<lb/>
neuere Kritik mit Recht behauptet, unwiederbringlich um<lb/>
den Ruhm eines Augenzeugen bringt <note place="foot" n="9)"><hi rendition="#k">Schulz</hi>, über das Abendm. S. 310 f.; <hi rendition="#k">Sieffert</hi>, über den<lb/>
Urspr. S. 107 f.</note>.</p><lb/>
          <p>Ist dieser Mi&#x017F;sgriff dem ersten Evangelium eigen, so<lb/>
haben hinwiederum auch die beiden mittleren einen Zug<lb/>
für sich, welchen vermieden zu haben dem Verfasser des<lb/>
ersten zum Vortheil gereicht. Auf das Schleppende zwar<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0309] Zweiter Abschnitt. Einen Begriff des Esels mehrerer Ausdrücke sich bedient, woraus sofort der griechische Übersetzer des ersten Evan- geliums miſsverständlich mehrere Thiere gemacht habe 7). Allerdings sind die gehäuften Bezeichnungen des Esels in je- ner Stelle: הֲמוֺר וְעַיר בֶּן־אֲתֹנוֺת ὑποζύγιον καὶ πῶλον νέον, LXX, der Anlaſs der Verdoppelung desselben im er- sten Evangelium, indem nämlich die copula, welche im Hebräischen erklärend gemeint war, als hinzufügend genommen, und statt „ein Esel, d. h. ein Eselsfüllen u. s. w.“ vielmehr „ein Esel sammt einem Eselsfüllen“ in der Stelle gefunden wurde 8). Allein diesen Fehler kann nicht erst der griechische Übersetzer gemacht haben, welcher schwerlich, wenn er in der ganzen Erzählung des Matthäus nur Einen Esel gefunden hätte, rein aus der Pro- phetenstelle heraus ihn verdoppelt, und so oft sein Original von Einem Esel sprach, den zweiten hinzugefügt, oder statt des Singulars den Plural gesezt haben würde: sondern ein solcher muſs den Verstoſs begangen haben, dessen ein- zige schriftlich fixirte Quelle die Prophetenstelle war, aus welcher er mit Zuziehung der mündlichen Tradition seine ganze Erzählung herausspann, d. h. der Verfasser des er- sten Evangeliums, welcher sich freilich hiedurch, wie die neuere Kritik mit Recht behauptet, unwiederbringlich um den Ruhm eines Augenzeugen bringt 9). Ist dieser Miſsgriff dem ersten Evangelium eigen, so haben hinwiederum auch die beiden mittleren einen Zug für sich, welchen vermieden zu haben dem Verfasser des ersten zum Vortheil gereicht. Auf das Schleppende zwar 7) Eichhorn, allgem. Bibliothek, 5, S. 896 f. vgl. Bolten, Be- richt des Matthäus, S. 317 f. 8) s. Fritzsche, z. d. St. 9) Schulz, über das Abendm. S. 310 f.; Sieffert, über den Urspr. S. 107 f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/309
Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/309>, abgerufen am 09.05.2024.