Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.Zehntes Kapitel. §. 106. der Angabe vom Auflegen der Kleider statt epano autonlesen: ep auton (ton polon), worauf sodann bei der Anga- be, dass Jesus sich darauf gesezt habe, das epano auton auf die über das Eine Thier gebreiteten Kleider bezogen wird 3). Ohne Änderung der Lesart glaubten Andere durch Annahme einer Enallage numeri 4) oder dadurch auszukommen, dass sie vor auton enos supplirten 5), Con- structionen, die den Zeiten des Faustrechts in der N. T.- lichen Grammatik angehören, von welchen man sich freuen könnte, dass sie durch Winer und Fritzsche vorüber seien, wenn nicht auch Olshausen noch bemerkte, das epano au- ton sei nichts als ungenauer Ausdruck, indem die beiden Thiere als zusammengehörig betrachtet, und daher, was das eine betraf, auch auf das andere übergetragen worden sei. Laut seiner Worte muss sich der Evangelist vielmehr vorgestellt haben, Jesus sei auf zwei Thieren geritten, was als abwechselndes Reiten auf dem einen und andern gedacht 6), für eine so kurze Strecke eine unnöthige Un- bequemlichkeit gewesen wäre, auf jede andre Weise aber völlig undenkbar ist, und uns an die übrigen Evangelisten verweist, deren Angabe nur Eines Reitthiers sich mit der des Matthäus durch die gewöhnliche Bemerkung, sie nen- nen nur das Füllen, auf welchem Jesus geritten sei, und lassen die Eselin, als Nebensache, weg, nicht ausgleichen lässt. -- Fragt sich somit, wie denn Matthäus auf seine abenteuerliche Vorstellung gekommen ist? so haben, ob- wohl auf wunderliche Weise, diejenigen auf den rechten Punkt hingewiesen, welche vermutheten, Jesus habe in seiner Anrede an die Jünger, und Matthäus in seiner Ur- schrift, der Stelle des Zacharias (9, 9.) zufolge für den 3) Paulus, a. a. O. S. 143 f. 4) Glassius, Phil. s. p. 172. u. A. 5) Kuinöl, a. a. O. S. 543; Gratz, 2, S. 347. 6) so Fritzsche, in Matth. p. 630. Das Leben Jesu II. Band. 19
Zehntes Kapitel. §. 106. der Angabe vom Auflegen der Kleider statt ἐπάνω αὐτῶνlesen: ἐπ̕ αὐτὸν (τὸν πῶλον), worauf sodann bei der Anga- be, daſs Jesus sich darauf gesezt habe, das ἐπάνω αὐτῶν auf die über das Eine Thier gebreiteten Kleider bezogen wird 3). Ohne Änderung der Lesart glaubten Andere durch Annahme einer Enallage numeri 4) oder dadurch auszukommen, daſs sie vor αὐτῶν ἑνὸς supplirten 5), Con- structionen, die den Zeiten des Faustrechts in der N. T.- lichen Grammatik angehören, von welchen man sich freuen könnte, daſs sie durch Winer und Fritzsche vorüber seien, wenn nicht auch Olshausen noch bemerkte, das ἐπάνω αὐ- τῶν sei nichts als ungenauer Ausdruck, indem die beiden Thiere als zusammengehörig betrachtet, und daher, was das eine betraf, auch auf das andere übergetragen worden sei. Laut seiner Worte muſs sich der Evangelist vielmehr vorgestellt haben, Jesus sei auf zwei Thieren geritten, was als abwechselndes Reiten auf dem einen und andern gedacht 6), für eine so kurze Strecke eine unnöthige Un- bequemlichkeit gewesen wäre, auf jede andre Weise aber völlig undenkbar ist, und uns an die übrigen Evangelisten verweist, deren Angabe nur Eines Reitthiers sich mit der des Matthäus durch die gewöhnliche Bemerkung, sie nen- nen nur das Füllen, auf welchem Jesus geritten sei, und lassen die Eselin, als Nebensache, weg, nicht ausgleichen läſst. — Fragt sich somit, wie denn Matthäus auf seine abenteuerliche Vorstellung gekommen ist? so haben, ob- wohl auf wunderliche Weise, diejenigen auf den rechten Punkt hingewiesen, welche vermutheten, Jesus habe in seiner Anrede an die Jünger, und Matthäus in seiner Ur- schrift, der Stelle des Zacharias (9, 9.) zufolge für den 3) Paulus, a. a. O. S. 143 f. 4) Glassius, Phil. s. p. 172. u. A. 5) Kuinöl, a. a. O. S. 543; Gratz, 2, S. 347. 6) so Fritzsche, in Matth. p. 630. Das Leben Jesu II. Band. 19
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Zehntes Kapitel. §. 106.
der Angabe vom Auflegen der Kleider statt ἐπάνω αὐτῶν
lesen: ἐπ̕ αὐτὸν (τὸν πῶλον), worauf sodann bei der Anga-
be, daſs Jesus sich darauf gesezt habe, das ἐπάνω αὐτῶν
auf die über das Eine Thier gebreiteten Kleider bezogen
wird 3). Ohne Änderung der Lesart glaubten Andere
durch Annahme einer Enallage numeri 4) oder dadurch
auszukommen, daſs sie vor αὐτῶν ἑνὸς supplirten 5), Con-
structionen, die den Zeiten des Faustrechts in der N. T.-
lichen Grammatik angehören, von welchen man sich freuen
könnte, daſs sie durch Winer und Fritzsche vorüber seien,
wenn nicht auch Olshausen noch bemerkte, das ἐπάνω αὐ-
τῶν sei nichts als ungenauer Ausdruck, indem die beiden
Thiere als zusammengehörig betrachtet, und daher, was
das eine betraf, auch auf das andere übergetragen worden
sei. Laut seiner Worte muſs sich der Evangelist vielmehr
vorgestellt haben, Jesus sei auf zwei Thieren geritten,
was als abwechselndes Reiten auf dem einen und andern
gedacht 6), für eine so kurze Strecke eine unnöthige Un-
bequemlichkeit gewesen wäre, auf jede andre Weise aber
völlig undenkbar ist, und uns an die übrigen Evangelisten
verweist, deren Angabe nur Eines Reitthiers sich mit der
des Matthäus durch die gewöhnliche Bemerkung, sie nen-
nen nur das Füllen, auf welchem Jesus geritten sei, und
lassen die Eselin, als Nebensache, weg, nicht ausgleichen
läſst. — Fragt sich somit, wie denn Matthäus auf seine
abenteuerliche Vorstellung gekommen ist? so haben, ob-
wohl auf wunderliche Weise, diejenigen auf den rechten
Punkt hingewiesen, welche vermutheten, Jesus habe in
seiner Anrede an die Jünger, und Matthäus in seiner Ur-
schrift, der Stelle des Zacharias (9, 9.) zufolge für den
3) Paulus, a. a. O. S. 143 f.
4) Glassius, Phil. s. p. 172. u. A.
5) Kuinöl, a. a. O. S. 543; Gratz, 2, S. 347.
6) so Fritzsche, in Matth. p. 630.
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