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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
Galiläa, die übrigen dagegen in die lezte Woche seines
Lebens; zweitens, den Charakter der salbenden Frau an-
langend, ist diese nach Lukas eine gune amartolos, nach
den beiden andern Synoptikern aber eine unbescholtene
Person, welche Johannes sogar als die Bethanische Maria
näher bestimmt. Mit diesem zweiten Punkte hängt das
zusammen, dass der Vorwurf der Anwesenden bei Lukas
der Zulassung einer so verrufenen Person, bei den übri-
gen nur der Verschwendung des Weibes gilt; mit beiden
das, dass Jesus in seiner Vertheidigung dort die dankbare
Liebe der Frau im Gegensaz gegen die stolze Lieblosig-
keit des Pharisäers, hier seinen baldigen Tod im Gegen-
saz gegen die immer zu habenden Armen hervorhebt.
Geringere Differenzen sind noch, dass als die Ortschaft,
in welcher das Gastmahl und die Salbung vor sich geht,
von den zwei ersten und dem vierten Evangelisten Betha-
nien (was nach Joh. 11, 1. eine kome war), bei Lukas
unbestimmt eine polis genannt wird; ferner, dass der Vor-
wurf nach jenen dreien von Seiten der Jünger, nach Lu-
kas von dem Gastgeber kommt. Daher denn nun bei den
meisten Erklärern die Unterscheidung von zwei Salbun-
gen, deren eine Lukas, die andere die übrigen Evangeli-
sten erzählen 1).

Allein es fragt sich, wenn man den Lukas mit den
drei übrigen einstimmig zu machen verzweifelt, ob die
Übereinstimmung von diesen unter sich so entschieden ist,
und nicht vielmehr von der Unterscheidung zweier Sal-
bungen noch weiter zur Unterscheidung von dreien oder
gar vieren fortgegangen werden muss? Zu vieren nun
freilich wird es wohl nicht reichen, da Markus von Mat-
thäus nur durch einige Züge seiner wohlbekannten Ver-

1) So Paulus, exeg. Handb. 1, b, S. 766. L. J. 1, a, S. 292.
Tholuck, Lücke, Olshausen, z. den St.; Hase, L. J. §. 85.
Anm.

Zweiter Abschnitt.
Galiläa, die übrigen dagegen in die lezte Woche seines
Lebens; zweitens, den Charakter der salbenden Frau an-
langend, ist diese nach Lukas eine γυνὴ ἁμαρτωλὸς, nach
den beiden andern Synoptikern aber eine unbescholtene
Person, welche Johannes sogar als die Bethanische Maria
näher bestimmt. Mit diesem zweiten Punkte hängt das
zusammen, daſs der Vorwurf der Anwesenden bei Lukas
der Zulassung einer so verrufenen Person, bei den übri-
gen nur der Verschwendung des Weibes gilt; mit beiden
das, daſs Jesus in seiner Vertheidigung dort die dankbare
Liebe der Frau im Gegensaz gegen die stolze Lieblosig-
keit des Pharisäers, hier seinen baldigen Tod im Gegen-
saz gegen die immer zu habenden Armen hervorhebt.
Geringere Differenzen sind noch, daſs als die Ortschaft,
in welcher das Gastmahl und die Salbung vor sich geht,
von den zwei ersten und dem vierten Evangelisten Betha-
nien (was nach Joh. 11, 1. eine κώμη war), bei Lukas
unbestimmt eine πόλις genannt wird; ferner, daſs der Vor-
wurf nach jenen dreien von Seiten der Jünger, nach Lu-
kas von dem Gastgeber kommt. Daher denn nun bei den
meisten Erklärern die Unterscheidung von zwei Salbun-
gen, deren eine Lukas, die andere die übrigen Evangeli-
sten erzählen 1).

Allein es fragt sich, wenn man den Lukas mit den
drei übrigen einstimmig zu machen verzweifelt, ob die
Übereinstimmung von diesen unter sich so entschieden ist,
und nicht vielmehr von der Unterscheidung zweier Sal-
bungen noch weiter zur Unterscheidung von dreien oder
gar vieren fortgegangen werden muſs? Zu vieren nun
freilich wird es wohl nicht reichen, da Markus von Mat-
thäus nur durch einige Züge seiner wohlbekannten Ver-

1) So Paulus, exeg. Handb. 1, b, S. 766. L. J. 1, a, S. 292.
Tholuck, Lücke, Olshausen, z. den St.; Hase, L. J. §. 85.
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[710/0734] Zweiter Abschnitt. Galiläa, die übrigen dagegen in die lezte Woche seines Lebens; zweitens, den Charakter der salbenden Frau an- langend, ist diese nach Lukas eine γυνὴ ἁμαρτωλὸς, nach den beiden andern Synoptikern aber eine unbescholtene Person, welche Johannes sogar als die Bethanische Maria näher bestimmt. Mit diesem zweiten Punkte hängt das zusammen, daſs der Vorwurf der Anwesenden bei Lukas der Zulassung einer so verrufenen Person, bei den übri- gen nur der Verschwendung des Weibes gilt; mit beiden das, daſs Jesus in seiner Vertheidigung dort die dankbare Liebe der Frau im Gegensaz gegen die stolze Lieblosig- keit des Pharisäers, hier seinen baldigen Tod im Gegen- saz gegen die immer zu habenden Armen hervorhebt. Geringere Differenzen sind noch, daſs als die Ortschaft, in welcher das Gastmahl und die Salbung vor sich geht, von den zwei ersten und dem vierten Evangelisten Betha- nien (was nach Joh. 11, 1. eine κώμη war), bei Lukas unbestimmt eine πόλις genannt wird; ferner, daſs der Vor- wurf nach jenen dreien von Seiten der Jünger, nach Lu- kas von dem Gastgeber kommt. Daher denn nun bei den meisten Erklärern die Unterscheidung von zwei Salbun- gen, deren eine Lukas, die andere die übrigen Evangeli- sten erzählen 1). Allein es fragt sich, wenn man den Lukas mit den drei übrigen einstimmig zu machen verzweifelt, ob die Übereinstimmung von diesen unter sich so entschieden ist, und nicht vielmehr von der Unterscheidung zweier Sal- bungen noch weiter zur Unterscheidung von dreien oder gar vieren fortgegangen werden muſs? Zu vieren nun freilich wird es wohl nicht reichen, da Markus von Mat- thäus nur durch einige Züge seiner wohlbekannten Ver- 1) So Paulus, exeg. Handb. 1, b, S. 766. L. J. 1, a, S. 292. Tholuck, Lücke, Olshausen, z. den St.; Hase, L. J. §. 85. Anm.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/734>, abgerufen am 25.11.2024.