gen Grundsaz in Bezug auf die Scheidung ausgesprochen habe, und diesen, der ihm von jener Ausführung allein präsent war, stellte er hieher. Derselbe Ausspruch kommt Matth. 19, 9. in einem Zusammenhang wieder, der eine Wiederholung glaublich macht. Während sofort bei Mat- thäus die Gebote der Duldung und Nachgiebigkeit (5, 38--42) unter der geistigen Auslegung des ophthalmon anti ophthalmou im begriffsmässigsten Zusammenhang stehen, sind sie in der Bergrede des Lukas (6, 29.) weit unbestimmter durch das Gebot der Feindesliebe (V. 27 f.) eingeleitet, welches selbst bei Matthäus, wiederum entschieden besser, als Be- richtigung des agapeseis ton plesion sou kai miseseis ton ekhthron sou (V. 43 ff.) gegeben ist. Namentlich die Bemer- kung, dass nur die Freunde zu lieben, nichts sei, was nicht auch schlechte Menschen thun könnten, welche bei Matthäus (V. 46 f.) als Polemik gegen die zum mosaischen Gebot der Freundesliebe in der Tradition hinzugekommene Erlaubniss, den Feind zu hassen, so genau sich anschliesst, steht bei Lukas (V. 32.) nach dem: was ihr wollt u. s. f., welches Matthäus erst weiter unten (7, 12.) hat, ohne Zusammenhang. Überhaupt, vergleicht man den Abschnitt Luc. 6, 27--36, mit dem entsprechenden bei Matthäus: so wird man hier geordneten Fortschritt der Gedanken, dort eine ziemliche Verwirrung finden.
Bleiben hierauf die Warnungen vor pharisäischer Heu- chelei (6, 1--6.) ohne Parallele, so folgt in Bezug auf das Mustergebet eine, auf welche die neuere Kritik nicht we- nig zum Nachtheil des Matthäus baut. Die ältere Harmo- nistik zwar machte sich kein Bedenken, dieses Gebet von Jesu zweimal, sowohl unter den Umständen, welche Mat- thäus, als welche Lukas (11, 1 ff.) erzählt, vorgetragen sein zu lassen 26): allein schwerlich werden, wenn Jesus in der Bergrede schon ein Mustergebet gegeben hatte, seine Jün-
26) so noch Hess, Gesch. Jesu, 2, S. 48 f.
Zweiter Abschnitt.
gen Grundsaz in Bezug auf die Scheidung ausgesprochen habe, und diesen, der ihm von jener Ausführung allein präsent war, stellte er hieher. Derselbe Ausspruch kommt Matth. 19, 9. in einem Zusammenhang wieder, der eine Wiederholung glaublich macht. Während sofort bei Mat- thäus die Gebote der Duldung und Nachgiebigkeit (5, 38—42) unter der geistigen Auslegung des ὀφϑαλμὸν ἀντὶ ὀφϑαλμοῦ im begriffsmäſsigsten Zusammenhang stehen, sind sie in der Bergrede des Lukas (6, 29.) weit unbestimmter durch das Gebot der Feindesliebe (V. 27 f.) eingeleitet, welches selbst bei Matthäus, wiederum entschieden besser, als Be- richtigung des ἀγαπήσεις τὸν πλησίον σου καὶ μισήσεις τὸν ἐχϑρόν σου (V. 43 ff.) gegeben ist. Namentlich die Bemer- kung, daſs nur die Freunde zu lieben, nichts sei, was nicht auch schlechte Menschen thun könnten, welche bei Matthäus (V. 46 f.) als Polemik gegen die zum mosaischen Gebot der Freundesliebe in der Tradition hinzugekommene Erlaubniſs, den Feind zu hassen, so genau sich anschlieſst, steht bei Lukas (V. 32.) nach dem: was ihr wollt u. s. f., welches Matthäus erst weiter unten (7, 12.) hat, ohne Zusammenhang. Überhaupt, vergleicht man den Abschnitt Luc. 6, 27—36, mit dem entsprechenden bei Matthäus: so wird man hier geordneten Fortschritt der Gedanken, dort eine ziemliche Verwirrung finden.
Bleiben hierauf die Warnungen vor pharisäischer Heu- chelei (6, 1—6.) ohne Parallele, so folgt in Bezug auf das Mustergebet eine, auf welche die neuere Kritik nicht we- nig zum Nachtheil des Matthäus baut. Die ältere Harmo- nistik zwar machte sich kein Bedenken, dieses Gebet von Jesu zweimal, sowohl unter den Umständen, welche Mat- thäus, als welche Lukas (11, 1 ff.) erzählt, vorgetragen sein zu lassen 26): allein schwerlich werden, wenn Jesus in der Bergrede schon ein Mustergebet gegeben hatte, seine Jün-
26) so noch Hess, Gesch. Jesu, 2, S. 48 f.
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Zweiter Abschnitt.
gen Grundsaz in Bezug auf die Scheidung ausgesprochen
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Matth. 19, 9. in einem Zusammenhang wieder, der eine
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selbst bei Matthäus, wiederum entschieden besser, als Be-
richtigung des ἀγαπήσεις τὸν πλησίον σου καὶ μισήσεις τὸν
ἐχϑρόν σου (V. 43 ff.) gegeben ist. Namentlich die Bemer-
kung, daſs nur die Freunde zu lieben, nichts sei, was
nicht auch schlechte Menschen thun könnten, welche bei
Matthäus (V. 46 f.) als Polemik gegen die zum mosaischen
Gebot der Freundesliebe in der Tradition hinzugekommene
Erlaubniſs, den Feind zu hassen, so genau sich anschlieſst,
steht bei Lukas (V. 32.) nach dem: was ihr wollt u. s. f.,
welches Matthäus erst weiter unten (7, 12.) hat, ohne
Zusammenhang. Überhaupt, vergleicht man den Abschnitt
Luc. 6, 27—36, mit dem entsprechenden bei Matthäus: so
wird man hier geordneten Fortschritt der Gedanken, dort
eine ziemliche Verwirrung finden.
Bleiben hierauf die Warnungen vor pharisäischer Heu-
chelei (6, 1—6.) ohne Parallele, so folgt in Bezug auf das
Mustergebet eine, auf welche die neuere Kritik nicht we-
nig zum Nachtheil des Matthäus baut. Die ältere Harmo-
nistik zwar machte sich kein Bedenken, dieses Gebet von
Jesu zweimal, sowohl unter den Umständen, welche Mat-
thäus, als welche Lukas (11, 1 ff.) erzählt, vorgetragen sein
zu lassen 26): allein schwerlich werden, wenn Jesus in der
Bergrede schon ein Mustergebet gegeben hatte, seine Jün-
26) so noch Hess, Gesch. Jesu, 2, S. 48 f.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/606>, abgerufen am 20.07.2024.
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