Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Sechstes Kapitel. §. 72. Gleichnissrede ein Ruhepunkt, über welchen ein verstän-diger Redner nicht so leicht zu neuen Bildern hinwegei- len wird; jedenfalls aber findet zwischen diesem Leuch- ten des inneren Lichts und dem von Lukas darangehäng- ten Ausspruch, dass alles Verborgene an den Tag komme, kein innerer Zusammenhang statt, sondern wir haben hier eine Erscheinung, welche bei Lukas besonders häufig sich wiederholt, dass nämlich in den Zwischenraum zwischen zwei selbstständigen Reden oder Erzählungen mehrere ver- einzelte Gnomen zusammengeworfen sind. So ist hier zwi- schen der Parabel vom Säemann und der Erzählung von dem Besuch der Mutter und Brüder Jesu zuerst die Gnome vom nicht zu bergenden Lichte wegen einiger inneren Ver- wandtschaft mit der Parabel eingefügt; dann, weil in die- ser Gnome der Gegensaz von Verbergen und offen Hin- stellen vorkam, fiel dem Referenten die sonst heterogene Rede vom Offenbarwerden alles Verborgenen ein; worauf ohne Zusammenhang mit dieser, aber wieder in einiger Beziehung auf die Parabel, der Ausspruch: wer hat, dem wird gegeben, hinzugesezt ist. Vollends aber an der zwei- ten Stelle, 11, 33, ist zwischen der Rede Jesu, dass seine Zeitgenossen einst durch die Nineviten werden verur- theilt werden und dem oudeis de lukh[n]on apsas kein Zusam- menhang nachzuweisen, wenn man ihn nicht hineinlegt 18), sondern wir haben auch hier wieder, zwischen den Reden gegen die Zeichenforderung und denen bei'm Pharisäer- mahl, eine solche Fuge, welche mit abgerissenen Redestük- ken ausgefüllt ist. Es folgt nun 5, 17 ff. der Übergang zum eigentlichen 18) wie Olshausen, 1, S. 615. Das Richtige angedeutet bei Schnek- renburger, Beiträge, S. 58; Tholuck, a. a. O. S. 11. 37*
Sechstes Kapitel. §. 72. Gleichniſsrede ein Ruhepunkt, über welchen ein verstän-diger Redner nicht so leicht zu neuen Bildern hinwegei- len wird; jedenfalls aber findet zwischen diesem Leuch- ten des inneren Lichts und dem von Lukas darangehäng- ten Ausspruch, daſs alles Verborgene an den Tag komme, kein innerer Zusammenhang statt, sondern wir haben hier eine Erscheinung, welche bei Lukas besonders häufig sich wiederholt, daſs nämlich in den Zwischenraum zwischen zwei selbstständigen Reden oder Erzählungen mehrere ver- einzelte Gnomen zusammengeworfen sind. So ist hier zwi- schen der Parabel vom Säemann und der Erzählung von dem Besuch der Mutter und Brüder Jesu zuerst die Gnome vom nicht zu bergenden Lichte wegen einiger inneren Ver- wandtschaft mit der Parabel eingefügt; dann, weil in die- ser Gnome der Gegensaz von Verbergen und offen Hin- stellen vorkam, fiel dem Referenten die sonst heterogene Rede vom Offenbarwerden alles Verborgenen ein; worauf ohne Zusammenhang mit dieser, aber wieder in einiger Beziehung auf die Parabel, der Ausspruch: wer hat, dem wird gegeben, hinzugesezt ist. Vollends aber an der zwei- ten Stelle, 11, 33, ist zwischen der Rede Jesu, daſs seine Zeitgenossen einst durch die Nineviten werden verur- theilt werden und dem οὐδεὶς δὲ λύχ[ν]ον αψας kein Zusam- menhang nachzuweisen, wenn man ihn nicht hineinlegt 18), sondern wir haben auch hier wieder, zwischen den Reden gegen die Zeichenforderung und denen bei'm Pharisäer- mahl, eine solche Fuge, welche mit abgerissenen Redestük- ken ausgefüllt ist. Es folgt nun 5, 17 ff. der Übergang zum eigentlichen 18) wie Olshausen, 1, S. 615. Das Richtige angedeutet bei Schnek- renburger, Beiträge, S. 58; Tholuck, a. a. O. S. 11. 37*
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Sechstes Kapitel. §. 72.
Gleichniſsrede ein Ruhepunkt, über welchen ein verstän-
diger Redner nicht so leicht zu neuen Bildern hinwegei-
len wird; jedenfalls aber findet zwischen diesem Leuch-
ten des inneren Lichts und dem von Lukas darangehäng-
ten Ausspruch, daſs alles Verborgene an den Tag komme,
kein innerer Zusammenhang statt, sondern wir haben hier
eine Erscheinung, welche bei Lukas besonders häufig sich
wiederholt, daſs nämlich in den Zwischenraum zwischen
zwei selbstständigen Reden oder Erzählungen mehrere ver-
einzelte Gnomen zusammengeworfen sind. So ist hier zwi-
schen der Parabel vom Säemann und der Erzählung von
dem Besuch der Mutter und Brüder Jesu zuerst die Gnome
vom nicht zu bergenden Lichte wegen einiger inneren Ver-
wandtschaft mit der Parabel eingefügt; dann, weil in die-
ser Gnome der Gegensaz von Verbergen und offen Hin-
stellen vorkam, fiel dem Referenten die sonst heterogene
Rede vom Offenbarwerden alles Verborgenen ein; worauf
ohne Zusammenhang mit dieser, aber wieder in einiger
Beziehung auf die Parabel, der Ausspruch: wer hat, dem
wird gegeben, hinzugesezt ist. Vollends aber an der zwei-
ten Stelle, 11, 33, ist zwischen der Rede Jesu, daſs seine
Zeitgenossen einst durch die Nineviten werden verur-
theilt werden und dem οὐδεὶς δὲ λύχνον αψας kein Zusam-
menhang nachzuweisen, wenn man ihn nicht hineinlegt 18),
sondern wir haben auch hier wieder, zwischen den Reden
gegen die Zeichenforderung und denen bei'm Pharisäer-
mahl, eine solche Fuge, welche mit abgerissenen Redestük-
ken ausgefüllt ist.
Es folgt nun 5, 17 ff. der Übergang zum eigentlichen
Thema der Rede, nämlich die Versicherung Jesu, nicht
zur Auflösung, sondern zur Erfüllung des Gesetzes und
der Propheten gekommen zu sein u. s. f.; was, da sich
hiemit Jesus offenbar als den Messias voraussezt, welchem
18) wie Olshausen, 1, S. 615. Das Richtige angedeutet bei Schnek-
renburger, Beiträge, S. 58; Tholuck, a. a. O. S. 11.
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