Passend reiht sich an die Makarismen bei Matthäus die Darstellung der Jünger Jesu als to alas tes ges und to phos tou kosmou an (5, 13 ff.). Bei Lukas findet sich die Rede vom Salz mit etwas verschiednem Anfang an einer andern Stelle (14, 34 f.), wo Jesus seine Zuhörer ermahnt, in reiflicher Erwägung der in seiner Nachfolge zu brin- genden Opfer sich lieber gar nicht an ihn anzuschliessen, als nachher mit Schande zu bestehen, und hierauf füglich solche schwachwerdende Schüler mit abstehendem Salze vergleichen kann. Passt so das Diktum an beide Stellen, so ist es zugleich in seiner gnomischen Kürze von der Art, dass es öfters wiederholt werden konnte, also in beiden Verbindungen gesprochen sein kann. Dagegen kann es nicht gesprochen sein in dem Zusammenhang, welchen ihm Markus (9, 50) anweist; denn das auf die Hölle sich beziehende alizein kann mit dem alas, durch welches der Vorzug des wahren Anhängers Jesu dargestellt wird, in keinem inneren Zusammenhang stehen, vielmehr ist die Verbindung nur äusserlich durch das gleiche Wort ver- mittelt, eine Art von Zusammenhang, welche treffend als lexikalischer bezeichnet worden ist 17). Der veränderte Schluss, welchen Markus der Gnome giebt, kann zwar möglicherweise in Verbindung mit derselben, ebensogut aber in ganz andrem Zusammenhang vorgetragen worden sein. -- Auch die Gnome vom Licht, das, wie das Salz nicht kraftlos, so nicht verborgen werden dürfe, fehlt in der Bergrede des Lukas, welcher mit Weglassung der be- stimmten Beziehung auf die Jünger den Ausspruch an zwei verschiedenen Orten hat. Zuerst 8, 16, unmittelbar nach der Auslegung der Parabel vom Säemann, wohin auch Markus (4, 21) das Diktum stellt, liesse sich zwar das Leuchten des Lichts mit dem karpophorein des Samens in Verbindung setzen: doch ist nach der Auslegung einer
17)Schneckenburger, Beiträge, S. 58.
Zweiter Abschnitt.
Passend reiht sich an die Makarismen bei Matthäus die Darstellung der Jünger Jesu als τὸ αλας τῆς γῆς und τὸ φῶς τοῦ κόσμου an (5, 13 ff.). Bei Lukas findet sich die Rede vom Salz mit etwas verschiednem Anfang an einer andern Stelle (14, 34 f.), wo Jesus seine Zuhörer ermahnt, in reiflicher Erwägung der in seiner Nachfolge zu brin- genden Opfer sich lieber gar nicht an ihn anzuschlieſsen, als nachher mit Schande zu bestehen, und hierauf füglich solche schwachwerdende Schüler mit abstehendem Salze vergleichen kann. Paſst so das Diktum an beide Stellen, so ist es zugleich in seiner gnomischen Kürze von der Art, daſs es öfters wiederholt werden konnte, also in beiden Verbindungen gesprochen sein kann. Dagegen kann es nicht gesprochen sein in dem Zusammenhang, welchen ihm Markus (9, 50) anweist; denn das auf die Hölle sich beziehende αλίζειν kann mit dem αλας, durch welches der Vorzug des wahren Anhängers Jesu dargestellt wird, in keinem inneren Zusammenhang stehen, vielmehr ist die Verbindung nur äusserlich durch das gleiche Wort ver- mittelt, eine Art von Zusammenhang, welche treffend als lexikalischer bezeichnet worden ist 17). Der veränderte Schluſs, welchen Markus der Gnome giebt, kann zwar möglicherweise in Verbindung mit derselben, ebensogut aber in ganz andrem Zusammenhang vorgetragen worden sein. — Auch die Gnome vom Licht, das, wie das Salz nicht kraftlos, so nicht verborgen werden dürfe, fehlt in der Bergrede des Lukas, welcher mit Weglassung der be- stimmten Beziehung auf die Jünger den Ausspruch an zwei verschiedenen Orten hat. Zuerst 8, 16, unmittelbar nach der Auslegung der Parabel vom Säemann, wohin auch Markus (4, 21) das Diktum stellt, lieſse sich zwar das Leuchten des Lichts mit dem καρποφορεῖν des Samens in Verbindung setzen: doch ist nach der Auslegung einer
17)Schneckenburger, Beiträge, S. 58.
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Zweiter Abschnitt.
Passend reiht sich an die Makarismen bei Matthäus
die Darstellung der Jünger Jesu als τὸ αλας τῆς γῆς und
τὸ φῶς τοῦ κόσμου an (5, 13 ff.). Bei Lukas findet sich die
Rede vom Salz mit etwas verschiednem Anfang an einer
andern Stelle (14, 34 f.), wo Jesus seine Zuhörer ermahnt,
in reiflicher Erwägung der in seiner Nachfolge zu brin-
genden Opfer sich lieber gar nicht an ihn anzuschlieſsen,
als nachher mit Schande zu bestehen, und hierauf füglich
solche schwachwerdende Schüler mit abstehendem Salze
vergleichen kann. Paſst so das Diktum an beide Stellen,
so ist es zugleich in seiner gnomischen Kürze von der Art,
daſs es öfters wiederholt werden konnte, also in beiden
Verbindungen gesprochen sein kann. Dagegen kann es
nicht gesprochen sein in dem Zusammenhang, welchen
ihm Markus (9, 50) anweist; denn das auf die Hölle sich
beziehende αλίζειν kann mit dem αλας, durch welches der
Vorzug des wahren Anhängers Jesu dargestellt wird, in
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Verbindung nur äusserlich durch das gleiche Wort ver-
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als lexikalischer bezeichnet worden ist 17). Der veränderte
Schluſs, welchen Markus der Gnome giebt, kann zwar
möglicherweise in Verbindung mit derselben, ebensogut
aber in ganz andrem Zusammenhang vorgetragen worden
sein. — Auch die Gnome vom Licht, das, wie das Salz
nicht kraftlos, so nicht verborgen werden dürfe, fehlt in
der Bergrede des Lukas, welcher mit Weglassung der be-
stimmten Beziehung auf die Jünger den Ausspruch an
zwei verschiedenen Orten hat. Zuerst 8, 16, unmittelbar
nach der Auslegung der Parabel vom Säemann, wohin
auch Markus (4, 21) das Diktum stellt, lieſse sich zwar
das Leuchten des Lichts mit dem καρποφορεῖν des Samens
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17) Schneckenburger, Beiträge, S. 58.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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