Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Sechstes Kapitel. §. 72. wird, eine Darstellung, welche an Jac. 5, 1 ff. erinnert.Da jedenfalls das lezte ouai etwas steif dem lezten makarioi nachgebildet ist, indem gewiss nur dem Gegensaz mit den vielverlästerten wahren Propheten zulieb und nicht weil ein historisches Datum vorhanden gewesen wäre, behaup- tet wird, bei den pseudoprophetais sei es der Fall gewesen, dass Jedermann Gutes von ihnen gesagt habe: so könnte man wohl mit Schleiermacher 15) vermuthen, der Refe- rent im dritten Evangelium habe die den Seligpreisungen correspondirenden Wehe von seinem Eigenen hinzugethan. Weniger übrigens weil er, wie Schleiermacher meint, eine Lücke fühlte, die er nicht mehr ergänzen konnte, als weil es dem Messias angemessen scheinen mochte, wie einst Moses, neben dem Segen auch den Fluch ausgespro- chen zu haben. Wenn man nämlich in der Bergrede sonst zwar mit Recht ein Seitenstück zur sinaitischen Gesezge- bung findet: so ist doch dieser Eingang wenigstens mehr mit dem Abschnitt im Deuteronomium (27, 11 ff.) zu ver- gleichen, wo Moses gebietet, dass bei'm Einzug des Volks in Kanaan die eine Hälfte auf den Berg Garizim, die an- dere auf den Ebal sich stellen, und jene einen vielfachen Segen für die dem Gesetze Gehorsamen, diese einen eben- so vielfachen Fluch gegen die Übertreter desselben aus- sprechen solle, was nach Jos. 8, 33 ff. wirklich vollzo- gen worden ist 16). 15) a. a. O. S. 90. 16) Auch die Rabbinen legten auf diese mosaischen Segnungen und Flüche Gewicht, s. Lightfoot, S. 255. Ferner, wie wir hier acht Makarismen haben, so liessen sie den Abraham be- nedictionibus septem (Baal Turim in Gen. 12. bei Lightfoot S. 256.), den David, Daniel sammt drei Genossen und den Messias benedictionibus sex gesegnet werden (Targ. Ruth. 3. ebendas.). Auch zählten sie gegenüber von 20 beatitudinibus in den Psalmen, ebensoviele vae im Jesaias auf (Midrasch Tehillim in Ps. 1. ebend.). Das Leben Jesu I. Band. 37
Sechstes Kapitel. §. 72. wird, eine Darstellung, welche an Jac. 5, 1 ff. erinnert.Da jedenfalls das lezte οὐαὶ etwas steif dem lezten μακάριοι nachgebildet ist, indem gewiſs nur dem Gegensaz mit den vielverlästerten wahren Propheten zulieb und nicht weil ein historisches Datum vorhanden gewesen wäre, behaup- tet wird, bei den ψευδοπροφήταις sei es der Fall gewesen, daſs Jedermann Gutes von ihnen gesagt habe: so könnte man wohl mit Schleiermacher 15) vermuthen, der Refe- rent im dritten Evangelium habe die den Seligpreisungen correspondirenden Wehe von seinem Eigenen hinzugethan. Weniger übrigens weil er, wie Schleiermacher meint, eine Lücke fühlte, die er nicht mehr ergänzen konnte, als weil es dem Messias angemessen scheinen mochte, wie einst Moses, neben dem Segen auch den Fluch ausgespro- chen zu haben. Wenn man nämlich in der Bergrede sonst zwar mit Recht ein Seitenstück zur sinaitischen Gesezge- bung findet: so ist doch dieser Eingang wenigstens mehr mit dem Abschnitt im Deuteronomium (27, 11 ff.) zu ver- gleichen, wo Moses gebietet, daſs bei'm Einzug des Volks in Kanaan die eine Hälfte auf den Berg Garizim, die an- dere auf den Ebal sich stellen, und jene einen vielfachen Segen für die dem Gesetze Gehorsamen, diese einen eben- so vielfachen Fluch gegen die Übertreter desselben aus- sprechen solle, was nach Jos. 8, 33 ff. wirklich vollzo- gen worden ist 16). 15) a. a. O. S. 90. 16) Auch die Rabbinen legten auf diese mosaischen Segnungen und Flüche Gewicht, s. Lightfoot, S. 255. Ferner, wie wir hier acht Makarismen haben, so liessen sie den Abraham be- nedictionibus septem (Baal Turim in Gen. 12. bei Lightfoot S. 256.), den David, Daniel sammt drei Genossen und den Messias benedictionibus sex gesegnet werden (Targ. Ruth. 3. ebendas.). Auch zählten sie gegenüber von 20 beatitudinibus in den Psalmen, ebensoviele vae im Jesaias auf (Midrasch Tehillim in Ps. 1. ebend.). Das Leben Jesu I. Band. 37
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Sechstes Kapitel. §. 72.
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Da jedenfalls das lezte οὐαὶ etwas steif dem lezten μακάριοι
nachgebildet ist, indem gewiſs nur dem Gegensaz mit den
vielverlästerten wahren Propheten zulieb und nicht weil
ein historisches Datum vorhanden gewesen wäre, behaup-
tet wird, bei den ψευδοπροφήταις sei es der Fall gewesen,
daſs Jedermann Gutes von ihnen gesagt habe: so könnte
man wohl mit Schleiermacher 15) vermuthen, der Refe-
rent im dritten Evangelium habe die den Seligpreisungen
correspondirenden Wehe von seinem Eigenen hinzugethan.
Weniger übrigens weil er, wie Schleiermacher meint,
eine Lücke fühlte, die er nicht mehr ergänzen konnte,
als weil es dem Messias angemessen scheinen mochte, wie
einst Moses, neben dem Segen auch den Fluch ausgespro-
chen zu haben. Wenn man nämlich in der Bergrede sonst
zwar mit Recht ein Seitenstück zur sinaitischen Gesezge-
bung findet: so ist doch dieser Eingang wenigstens mehr
mit dem Abschnitt im Deuteronomium (27, 11 ff.) zu ver-
gleichen, wo Moses gebietet, daſs bei'm Einzug des Volks
in Kanaan die eine Hälfte auf den Berg Garizim, die an-
dere auf den Ebal sich stellen, und jene einen vielfachen
Segen für die dem Gesetze Gehorsamen, diese einen eben-
so vielfachen Fluch gegen die Übertreter desselben aus-
sprechen solle, was nach Jos. 8, 33 ff. wirklich vollzo-
gen worden ist 16).
15) a. a. O. S. 90.
16) Auch die Rabbinen legten auf diese mosaischen Segnungen
und Flüche Gewicht, s. Lightfoot, S. 255. Ferner, wie wir
hier acht Makarismen haben, so liessen sie den Abraham be-
nedictionibus septem (Baal Turim in Gen. 12. bei Lightfoot
S. 256.), den David, Daniel sammt drei Genossen und den
Messias benedictionibus sex gesegnet werden (Targ. Ruth. 3.
ebendas.). Auch zählten sie gegenüber von 20 beatitudinibus
in den Psalmen, ebensoviele vae im Jesaias auf (Midrasch
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