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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
galiläischen See wirft sich Petrus als der thermoteros nur
dann erst in das Meer, nachdem Johannes, als der diora-
tikoteros (Euthym.) in dem am Ufer Stehenden den Herrn
erkannt hatte (21, 7.); bei der darauf folgenden Unterre-
dung wird zwar allerdings Petrus durch den Auftrag:
boske ta arnia mou geehrt, doch ist diese Ehre durch die
zweifelnde Frage: phileis me getrübt; auch ist, während
Petrus auf einen Märtyrertod hingewiesen wird, dem Jo-
hannes die Auszeichnung des menein eos erkhomai verheis-
sen, und Petrus wird von Neid über diesen Vorzug ab-
gemahnt. Endlich aber, was das Augenfälligste ist, wäh-
rend nach Luc. 24, 12. Petrus zuerst unter den Aposteln
allein zum leeren Grabe des Auferstandenen kommt, giebt
ihm das vierte Evangelium (20, 3 ff.) den Johannes zum
Begleiter, und zwar so, dass dieser dem Petrus voranläuft
(proedrame takhion tou Petrou) und zuerst an das Grab ge-
langt; hierauf geht Petrus, akolouthon auto, zwar vor Jo-
hannes in das Grab hinein, aber erst von diesem heisst
es: kai eide kai episeuoen, fast im Gegensaz zu der Angabe
des Lukas, dass Petrus heimgekehrt sei thaumazon to ge-
gonos. Diese Stelle giebt dem Eindruck, welchen die
Stellung des Johannes zu Petrus im vierten Evangelium
macht, den angemessenen Ausdruck: dieses prodramein tou
Petrou, das Bestreben, durch Johannes dem Petrus den
Rang ablaufen zu lassen, ist der Totaleindruck, welchen
der aufmerksame Leser von dieser Seite der Darstellung
dieses Verhältnisses im vierten Evangelium bekommen
muss 10).

10) Dem Scharfblick von Dr. Paulus ist diess nicht entgangen.
In einer Recens. des ersten Bandes der zweiten Auflage von
Lücke's Comm. zum Johannes, im Lit. Bl. zur allg. Kirchen-
zeitung, Febr. 1834, no. 18, S. 137 f. sagt er: Von Petrus
hat das Johannesevangelium (die einzige Stelle 6, 68. ausge-
nommen) nur minder vortheilhafte Umstände [hier werden
die oben erwogenen Stellen angeführt], die ihn beson-

Zweiter Abschnitt.
galiläischen See wirft sich Petrus als der ϑερμότερος nur
dann erst in das Meer, nachdem Johannes, als der διορα-
τικώτερος (Euthym.) in dem am Ufer Stehenden den Herrn
erkannt hatte (21, 7.); bei der darauf folgenden Unterre-
dung wird zwar allerdings Petrus durch den Auftrag:
βόσκε τὰ ἀρνία μου geehrt, doch ist diese Ehre durch die
zweifelnde Frage: φιλεῖς με getrübt; auch ist, während
Petrus auf einen Märtyrertod hingewiesen wird, dem Jo-
hannes die Auszeichnung des μένειν ἕως ἕρχομαι verheis-
sen, und Petrus wird von Neid über diesen Vorzug ab-
gemahnt. Endlich aber, was das Augenfälligste ist, wäh-
rend nach Luc. 24, 12. Petrus zuerst unter den Aposteln
allein zum leeren Grabe des Auferstandenen kommt, giebt
ihm das vierte Evangelium (20, 3 ff.) den Johannes zum
Begleiter, und zwar so, daſs dieser dem Petrus voranläuft
(προέδραμε τάχιον τοῦ Πέτρου) und zuerst an das Grab ge-
langt; hierauf geht Petrus, ἀκολουϑῶν αὐτῷ, zwar vor Jo-
hannes in das Grab hinein, aber erst von diesem heiſst
es: καὶ εἶδε καὶ ἐπίςευοεν, fast im Gegensaz zu der Angabe
des Lukas, daſs Petrus heimgekehrt sei ϑαυμάζων το γε-
γονός. Diese Stelle giebt dem Eindruck, welchen die
Stellung des Johannes zu Petrus im vierten Evangelium
macht, den angemessenen Ausdruck: dieses προδραμεῖν τοῦ
Πέτρου, das Bestreben, durch Johannes dem Petrus den
Rang ablaufen zu lassen, ist der Totaleindruck, welchen
der aufmerksame Leser von dieser Seite der Darstellung
dieses Verhältnisses im vierten Evangelium bekommen
muſs 10).

10) Dem Scharfblick von Dr. Paulus ist diess nicht entgangen.
In einer Recens. des ersten Bandes der zweiten Auflage von
Lücke's Comm. zum Johannes, im Lit. Bl. zur allg. Kirchen-
zeitung, Febr. 1834, no. 18, S. 137 f. sagt er: Von Petrus
hat das Johannesevangelium (die einzige Stelle 6, 68. ausge-
nommen) nur minder vortheilhafte Umstände [hier werden
die oben erwogenen Stellen angeführt], die ihn beson-
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[560/0584] Zweiter Abschnitt. galiläischen See wirft sich Petrus als der ϑερμότερος nur dann erst in das Meer, nachdem Johannes, als der διορα- τικώτερος (Euthym.) in dem am Ufer Stehenden den Herrn erkannt hatte (21, 7.); bei der darauf folgenden Unterre- dung wird zwar allerdings Petrus durch den Auftrag: βόσκε τὰ ἀρνία μου geehrt, doch ist diese Ehre durch die zweifelnde Frage: φιλεῖς με getrübt; auch ist, während Petrus auf einen Märtyrertod hingewiesen wird, dem Jo- hannes die Auszeichnung des μένειν ἕως ἕρχομαι verheis- sen, und Petrus wird von Neid über diesen Vorzug ab- gemahnt. Endlich aber, was das Augenfälligste ist, wäh- rend nach Luc. 24, 12. Petrus zuerst unter den Aposteln allein zum leeren Grabe des Auferstandenen kommt, giebt ihm das vierte Evangelium (20, 3 ff.) den Johannes zum Begleiter, und zwar so, daſs dieser dem Petrus voranläuft (προέδραμε τάχιον τοῦ Πέτρου) und zuerst an das Grab ge- langt; hierauf geht Petrus, ἀκολουϑῶν αὐτῷ, zwar vor Jo- hannes in das Grab hinein, aber erst von diesem heiſst es: καὶ εἶδε καὶ ἐπίςευοεν, fast im Gegensaz zu der Angabe des Lukas, daſs Petrus heimgekehrt sei ϑαυμάζων το γε- γονός. Diese Stelle giebt dem Eindruck, welchen die Stellung des Johannes zu Petrus im vierten Evangelium macht, den angemessenen Ausdruck: dieses προδραμεῖν τοῦ Πέτρου, das Bestreben, durch Johannes dem Petrus den Rang ablaufen zu lassen, ist der Totaleindruck, welchen der aufmerksame Leser von dieser Seite der Darstellung dieses Verhältnisses im vierten Evangelium bekommen muſs 10). 10) Dem Scharfblick von Dr. Paulus ist diess nicht entgangen. In einer Recens. des ersten Bandes der zweiten Auflage von Lücke's Comm. zum Johannes, im Lit. Bl. zur allg. Kirchen- zeitung, Febr. 1834, no. 18, S. 137 f. sagt er: Von Petrus hat das Johannesevangelium (die einzige Stelle 6, 68. ausge- nommen) nur minder vortheilhafte Umstände [hier werden die oben erwogenen Stellen angeführt], die ihn beson-

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/584>, abgerufen am 22.11.2024.