derpaaren bestandenen Verhältnisses. Legt nämlich die Erzählung bei beiden darauf so grosses Gewicht, dass sie eutheos ihre Netze verlassen und sich zur Nachfolge Jesu entschlossen haben: so muss diess im Sinne der Referenten etwas Ausserordentliches gewesen sein, was es nicht war, wenn die Männer schon früher im Gefolge Jesu gewesen waren. Und ebenso in Bezug auf Jesum liegt die Pointe der Erzählung darin, dass er mit prophetischem Geiste gleich auf den ersten Blick die rechten herausgefunden, dass er nach Joh. 2, 25. ou khreian eikhen, ina tis marturese peri tou anthropou, weil er autos eginoske, ti en en to an- thropo, wodurch er einer Forderung genügte, welche die Juden an den Messias stellten.
Macht so jede der zwei verschiedenen Erzählungen darauf Anspruch, das erste Bekanntwerden Jesu mit sei- nen vornehmsten Jüngern zu beschreiben: so kann nur Eine richtig, die andere muss irrig sein 4), und es ist nun nach innern Gründen zu untersuchen, welche? Hier muss man in Bezug auf die Darstellung der Synoptiker Paulus Recht geben, dass man sich nicht genug wundern könnte, wenn gleich das erste Zusammentreffen Jesu mit jenen Männern sich so gemacht hätte, wie sie erzählen. Ein Durchschauen des Menschen auf den ersten Blick, wie es Jesus hier erprobt hätte, gienge weit über Alles hinaus, was der glücklichsten und geübtesten Menschen- kenntniss natürlicherweise möglich ist. Das Innere des Menschen ist nur aus einer Reihe von Reden und Handlun- gen sicher zu erkennen: eine Gabe, ohne diese Vermittlung in das Gemüth der Andern einzudringen, streift schon an das Visionäre und damit in ein Gebiet hinein, für welches der von den Rabbinen für diese Gabe des Messias gebrauch- te Ausdruck: odorando judicare5) keineswegs zu mon-
4) s. Fritzsche, in Matth. p. 189.
5)Schöttgen, horae, 2, p. 372.
Zweiter Abschnitt.
derpaaren bestandenen Verhältnisses. Legt nämlich die Erzählung bei beiden darauf so groſses Gewicht, daſs sie εὐϑέως ihre Netze verlassen und sich zur Nachfolge Jesu entschlossen haben: so muſs dieſs im Sinne der Referenten etwas Ausserordentliches gewesen sein, was es nicht war, wenn die Männer schon früher im Gefolge Jesu gewesen waren. Und ebenso in Bezug auf Jesum liegt die Pointe der Erzählung darin, daſs er mit prophetischem Geiste gleich auf den ersten Blick die rechten herausgefunden, daſs er nach Joh. 2, 25. οὐ χρείαν εἶχεν, ἵνα τις μαρτυρήσῃ περὶ τοῦ ἀνϑρώπου, weil er αὐτὸς ἐγίνωσκε, τί ἦν ἐν τῷ ἀν- ϑρώπῳ, wodurch er einer Forderung genügte, welche die Juden an den Messias stellten.
Macht so jede der zwei verschiedenen Erzählungen darauf Anspruch, das erste Bekanntwerden Jesu mit sei- nen vornehmsten Jüngern zu beschreiben: so kann nur Eine richtig, die andere muſs irrig sein 4), und es ist nun nach innern Gründen zu untersuchen, welche? Hier muſs man in Bezug auf die Darstellung der Synoptiker Paulus Recht geben, daſs man sich nicht genug wundern könnte, wenn gleich das erste Zusammentreffen Jesu mit jenen Männern sich so gemacht hätte, wie sie erzählen. Ein Durchschauen des Menschen auf den ersten Blick, wie es Jesus hier erprobt hätte, gienge weit über Alles hinaus, was der glücklichsten und geübtesten Menschen- kenntniſs natürlicherweise möglich ist. Das Innere des Menschen ist nur aus einer Reihe von Reden und Handlun- gen sicher zu erkennen: eine Gabe, ohne diese Vermittlung in das Gemüth der Andern einzudringen, streift schon an das Visionäre und damit in ein Gebiet hinein, für welches der von den Rabbinen für diese Gabe des Messias gebrauch- te Ausdruck: odorando judicare5) keineswegs zu mon-
4) s. Fritzsche, in Matth. p. 189.
5)Schöttgen, horae, 2, p. 372.
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Zweiter Abschnitt.
derpaaren bestandenen Verhältnisses. Legt nämlich die
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εὐϑέως ihre Netze verlassen und sich zur Nachfolge Jesu
entschlossen haben: so muſs dieſs im Sinne der Referenten
etwas Ausserordentliches gewesen sein, was es nicht war,
wenn die Männer schon früher im Gefolge Jesu gewesen
waren. Und ebenso in Bezug auf Jesum liegt die Pointe
der Erzählung darin, daſs er mit prophetischem Geiste
gleich auf den ersten Blick die rechten herausgefunden,
daſs er nach Joh. 2, 25. οὐ χρείαν εἶχεν, ἵνα τις μαρτυρήσῃ
περὶ τοῦ ἀνϑρώπου, weil er αὐτὸς ἐγίνωσκε, τί ἦν ἐν τῷ ἀν-
ϑρώπῳ, wodurch er einer Forderung genügte, welche die
Juden an den Messias stellten.
Macht so jede der zwei verschiedenen Erzählungen
darauf Anspruch, das erste Bekanntwerden Jesu mit sei-
nen vornehmsten Jüngern zu beschreiben: so kann nur
Eine richtig, die andere muſs irrig sein 4), und es ist
nun nach innern Gründen zu untersuchen, welche? Hier
muſs man in Bezug auf die Darstellung der Synoptiker
Paulus Recht geben, daſs man sich nicht genug wundern
könnte, wenn gleich das erste Zusammentreffen Jesu mit
jenen Männern sich so gemacht hätte, wie sie erzählen.
Ein Durchschauen des Menschen auf den ersten Blick,
wie es Jesus hier erprobt hätte, gienge weit über Alles
hinaus, was der glücklichsten und geübtesten Menschen-
kenntniſs natürlicherweise möglich ist. Das Innere des
Menschen ist nur aus einer Reihe von Reden und Handlun-
gen sicher zu erkennen: eine Gabe, ohne diese Vermittlung
in das Gemüth der Andern einzudringen, streift schon an
das Visionäre und damit in ein Gebiet hinein, für welches
der von den Rabbinen für diese Gabe des Messias gebrauch-
te Ausdruck: odorando judicare 5) keineswegs zu mon-
4) s. Fritzsche, in Matth. p. 189.
5) Schöttgen, horae, 2, p. 372.
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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/548>, abgerufen am 23.11.2024.
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