nun, wie dem Stammvater und dem Gesetzgeber, so auch dem Wiederhersteller der Nation, dem Messias, einen an- dern Nimrod und Pharao in der Person des Herodes ent- gegenstellte, diesem durch Weise seine Geburt verkündi- gen, ihn dem Neugeborenen nach dem Leben trachten, diesen aber seinen Nachstellungen glücklich entkommen liess? Hat ja doch die apokryphische Legende sich bewo- gen gefunden, auch in der Geschichte des Vorläufers die- sen Zug nachzubilden: auch er soll durch den herodischen Mordbefehl in Gefahr gekommen, aus dieser durch das Wunder eines für ihn und seine Mutter sich öffnenden Berges gerettet, sein Vater aber, weil er den Aufenthalts- ort des Knaben nicht anzeigen wollte, ermordet worden sein 22).
Die Art, wie Jesus den Nachstellungen des Herodes entgeht, ist eine andere, als wie nach der mosaischen Ge- schichte Moses und nach der jüdischen Sage Abraham 23) den gegen sie ergangenen Mordbefehlen; nämlich durch eine Flucht aus dem Lande, nach Ägypten. Eine Flucht ausser Landes kommt zwar auch im Leben des Moses vor, aber nicht in der Geschichte seiner Kindheit, sondern nach- dem er als Mann den Ägypter erschlagen, als Pharao ihm desshalb nach dem Leben trachtet, flüchtet er sich nach Midian (2. Mos. 2, 15.). Dass auf diese Flucht des ersten Goel bei der des zweiten Rücksicht genommen ist, zeigt unser Text selbst ausdrücklich an, indem er dem Engel, welcher den Joseph zur Rückkehr aus Ägypten nach Palä- stina ermuntert, dieselben Worte in den Mund legt, mit welchen dort die Rückkehr des Moses aus Midian nach
sens et futurum seculum; si tibi placuerit, detur patri ip- sius domus argento auroque plena, et occidat ipsum. Vgl. auch die Stelle des arabischen Buchs, bei Fabric. Cod. pseud- epigr. a. a. O.
22) Protev. Jacobi c. 22 f.
23) S. die Fortsetzung der Not. 21. angeführten Stellen.
Viertes Kapitel. §. 32.
nun, wie dem Stammvater und dem Gesetzgeber, so auch dem Wiederhersteller der Nation, dem Messias, einen an- dern Nimrod und Pharao in der Person des Herodes ent- gegenstellte, diesem durch Weise seine Geburt verkündi- gen, ihn dem Neugeborenen nach dem Leben trachten, diesen aber seinen Nachstellungen glücklich entkommen lieſs? Hat ja doch die apokryphische Legende sich bewo- gen gefunden, auch in der Geschichte des Vorläufers die- sen Zug nachzubilden: auch er soll durch den herodischen Mordbefehl in Gefahr gekommen, aus dieser durch das Wunder eines für ihn und seine Mutter sich öffnenden Berges gerettet, sein Vater aber, weil er den Aufenthalts- ort des Knaben nicht anzeigen wollte, ermordet worden sein 22).
Die Art, wie Jesus den Nachstellungen des Herodes entgeht, ist eine andere, als wie nach der mosaischen Ge- schichte Moses und nach der jüdischen Sage Abraham 23) den gegen sie ergangenen Mordbefehlen; nämlich durch eine Flucht aus dem Lande, nach Ägypten. Eine Flucht ausser Landes kommt zwar auch im Leben des Moses vor, aber nicht in der Geschichte seiner Kindheit, sondern nach- dem er als Mann den Ägypter erschlagen, als Pharao ihm deſshalb nach dem Leben trachtet, flüchtet er sich nach Midian (2. Mos. 2, 15.). Daſs auf diese Flucht des ersten Goël bei der des zweiten Rücksicht genommen ist, zeigt unser Text selbst ausdrücklich an, indem er dem Engel, welcher den Joseph zur Rückkehr aus Ägypten nach Palä- stina ermuntert, dieselben Worte in den Mund legt, mit welchen dort die Rückkehr des Moses aus Midian nach
sens et futurum seculum; si tibi placuerit, detur patri ip- sius domus argento auroque plena, et occidat ipsum. Vgl. auch die Stelle des arabischen Buchs, bei Fabric. Cod. pseud- epigr. a. a. O.
22) Protev. Jacobi c. 22 f.
23) S. die Fortsetzung der Not. 21. angeführten Stellen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0275"n="251"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Viertes Kapitel</hi>. §. 32.</fw><lb/>
nun, wie dem Stammvater und dem Gesetzgeber, so auch<lb/>
dem Wiederhersteller der Nation, dem Messias, einen an-<lb/>
dern Nimrod und Pharao in der Person des Herodes ent-<lb/>
gegenstellte, diesem durch Weise seine Geburt verkündi-<lb/>
gen, ihn dem Neugeborenen nach dem Leben trachten,<lb/>
diesen aber seinen Nachstellungen glücklich entkommen<lb/>
lieſs? Hat ja doch die apokryphische Legende sich bewo-<lb/>
gen gefunden, auch in der Geschichte des Vorläufers die-<lb/>
sen Zug nachzubilden: auch er soll durch den herodischen<lb/>
Mordbefehl in Gefahr gekommen, aus dieser durch das<lb/>
Wunder eines für ihn und seine Mutter sich öffnenden<lb/>
Berges gerettet, sein Vater aber, weil er den Aufenthalts-<lb/>
ort des Knaben nicht anzeigen wollte, ermordet worden<lb/>
sein <noteplace="foot"n="22)">Protev. Jacobi c. 22 f.</note>.</p><lb/><p>Die Art, wie Jesus den Nachstellungen des Herodes<lb/>
entgeht, ist eine andere, als wie nach der mosaischen Ge-<lb/>
schichte Moses und nach der jüdischen Sage Abraham <noteplace="foot"n="23)">S. die Fortsetzung der Not. 21. angeführten Stellen.</note><lb/>
den gegen sie ergangenen Mordbefehlen; nämlich durch<lb/>
eine Flucht aus dem Lande, nach Ägypten. Eine Flucht<lb/>
ausser Landes kommt zwar auch im Leben des Moses vor,<lb/>
aber nicht in der Geschichte seiner Kindheit, sondern nach-<lb/>
dem er als Mann den Ägypter erschlagen, als Pharao ihm<lb/>
deſshalb nach dem Leben trachtet, flüchtet er sich nach<lb/>
Midian (2. Mos. 2, 15.). Daſs auf diese Flucht des ersten<lb/>
Goël bei der des zweiten Rücksicht genommen ist, zeigt<lb/>
unser Text selbst ausdrücklich an, indem er dem Engel,<lb/>
welcher den Joseph zur Rückkehr aus Ägypten nach Palä-<lb/>
stina ermuntert, dieselben Worte in den Mund legt, mit<lb/>
welchen dort die Rückkehr des Moses aus Midian nach<lb/><notexml:id="seg2pn_11_2"prev="#seg2pn_11_1"place="foot"n="21)"><quotexml:lang="lat">sens et futurum seculum; si tibi placuerit, detur patri ip-<lb/>
sius domus argento auroque plena, et occidat ipsum</quote>. Vgl.<lb/>
auch die Stelle des arabischen Buchs, bei <hirendition="#k">Fabric</hi>. Cod. pseud-<lb/>
epigr. a. a. O.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[251/0275]
Viertes Kapitel. §. 32.
nun, wie dem Stammvater und dem Gesetzgeber, so auch
dem Wiederhersteller der Nation, dem Messias, einen an-
dern Nimrod und Pharao in der Person des Herodes ent-
gegenstellte, diesem durch Weise seine Geburt verkündi-
gen, ihn dem Neugeborenen nach dem Leben trachten,
diesen aber seinen Nachstellungen glücklich entkommen
lieſs? Hat ja doch die apokryphische Legende sich bewo-
gen gefunden, auch in der Geschichte des Vorläufers die-
sen Zug nachzubilden: auch er soll durch den herodischen
Mordbefehl in Gefahr gekommen, aus dieser durch das
Wunder eines für ihn und seine Mutter sich öffnenden
Berges gerettet, sein Vater aber, weil er den Aufenthalts-
ort des Knaben nicht anzeigen wollte, ermordet worden
sein 22).
Die Art, wie Jesus den Nachstellungen des Herodes
entgeht, ist eine andere, als wie nach der mosaischen Ge-
schichte Moses und nach der jüdischen Sage Abraham 23)
den gegen sie ergangenen Mordbefehlen; nämlich durch
eine Flucht aus dem Lande, nach Ägypten. Eine Flucht
ausser Landes kommt zwar auch im Leben des Moses vor,
aber nicht in der Geschichte seiner Kindheit, sondern nach-
dem er als Mann den Ägypter erschlagen, als Pharao ihm
deſshalb nach dem Leben trachtet, flüchtet er sich nach
Midian (2. Mos. 2, 15.). Daſs auf diese Flucht des ersten
Goël bei der des zweiten Rücksicht genommen ist, zeigt
unser Text selbst ausdrücklich an, indem er dem Engel,
welcher den Joseph zur Rückkehr aus Ägypten nach Palä-
stina ermuntert, dieselben Worte in den Mund legt, mit
welchen dort die Rückkehr des Moses aus Midian nach
21)
22) Protev. Jacobi c. 22 f.
23) S. die Fortsetzung der Not. 21. angeführten Stellen.
21) sens et futurum seculum; si tibi placuerit, detur patri ip-
sius domus argento auroque plena, et occidat ipsum. Vgl.
auch die Stelle des arabischen Buchs, bei Fabric. Cod. pseud-
epigr. a. a. O.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/275>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.