Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. Ägypten motivirt ist 24). Dass nun aber Jesus gerade nachÄgypten geflüchtet wird, dafür lässt sich freilich die eben dahin gehende Flucht Jerobeanus, dieses Abtrünnigen von dem Davidisch-messianischen Geschlechte (1. Kön. 11, 40. 12, 2.) nicht anführen; sondern wir müssen uns hiefür an die Prophetenstelle halten, welche unser Evangelist aus Hosea 11, 1. citirt: ex Aiguptou ekalesa ton uion mou. Dass diese Stelle von den Juden auf den Messias bezogen wor- den wäre, dafür sind zwar die unmittelbaren Belege sehr unsicher 25), doch war es bei Vergleichung von Stellen wie Ps. 2, 7, wo das b@ney at'ah auf den Messias bezogen wur- de, natürlich, dass man auch dem lib@niy bei Hosea eine mes- sianische Beziehung gab; was zur Erklärung dieses Zuges in der Kindheitsgeschichte Jesu hinreicht, wenn auch al- lerdings die jüdische Meinung, dass der Messias bald nach seiner Geburt werde verborgen werden 26), zu heterogen, die andre aber, dass er unter Heiden erzogen werden wer- de 27), erst nach der lezten Zerstreuung des Volks ent- standen sein mag. Da sich den Schwierigkeiten der supranaturalistischen 24) 2. Mos. 4, 19 (LXX): badize, apelthe eis Aigupton; tethne- kasi gar pantes oi zetountes sou ten psukhen. Matth. 2, 20: egertheis-poreuou eis gen Israel, tethne- kasi gar oi zetountes ten psukhen tou paidiou. 25) S. z. B. Schöttgen, horae, 2, 209. 26) Schöttgen, 2, 532 f. 27) Tanchuma f. 19, 3. bei Schöttgen, 2, S. 169.
Erster Abschnitt. Ägypten motivirt ist 24). Daſs nun aber Jesus gerade nachÄgypten geflüchtet wird, dafür läſst sich freilich die eben dahin gehende Flucht Jerobeanus, dieses Abtrünnigen von dem Davidisch-messianischen Geschlechte (1. Kön. 11, 40. 12, 2.) nicht anführen; sondern wir müssen uns hiefür an die Prophetenstelle halten, welche unser Evangelist aus Hosea 11, 1. citirt: ἐξ Αἰγύπτου ἐκάλεσα τὸν υἱόν μου. Daſs diese Stelle von den Juden auf den Messias bezogen wor- den wäre, dafür sind zwar die unmittelbaren Belege sehr unsicher 25), doch war es bei Vergleichung von Stellen wie Ps. 2, 7, wo das בְנֵי אַתָּה auf den Messias bezogen wur- de, natürlich, daſs man auch dem לִבְנִי bei Hosea eine mes- sianische Beziehung gab; was zur Erklärung dieses Zuges in der Kindheitsgeschichte Jesu hinreicht, wenn auch al- lerdings die jüdische Meinung, daſs der Messias bald nach seiner Geburt werde verborgen werden 26), zu heterogen, die andre aber, daſs er unter Heiden erzogen werden wer- de 27), erst nach der lezten Zerstreuung des Volks ent- standen sein mag. Da sich den Schwierigkeiten der supranaturalistischen 24) 2. Mos. 4, 19 (LXX): βάδιζε, ἄπελϑε εἰς Αϊγυπτον· τεϑνή- κασι γὰρ πάντες οἱ ζητοῦντές σου τὴν ψυχήν. Matth. 2, 20: ἐγερϑεὶς-πορεύου εἰς γῆν Ἰσραὴλ, τεϑνή- κασι γὰρ οἱ ζητοῦντες τὴν ψυχὴν τοῦ παιδιου. 25) S. z. B. Schöttgen, horae, 2, 209. 26) Schöttgen, 2, 532 f. 27) Tanchuma f. 19, 3. bei Schöttgen, 2, S. 169.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0276" n="252"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erster Abschnitt</hi>.</fw><lb/> Ägypten motivirt ist <note place="foot" n="24)">2. Mos. 4, 19 (LXX): <foreign xml:lang="ell">βάδιζε, ἄπελϑε εἰς Αϊγυπτον· τεϑνή-<lb/> κασι γὰρ πάντες οἱ ζητοῦντές σου τὴν ψυχήν</foreign>.<lb/> Matth. 2, 20: <foreign xml:lang="ell">ἐγερϑεὶς-πορεύου εἰς γῆν Ἰσραὴλ, τεϑνή-<lb/> κασι γὰρ οἱ ζητοῦντες τὴν ψυχὴν τοῦ παιδιου</foreign>.</note>. Daſs nun aber Jesus gerade nach<lb/> Ägypten geflüchtet wird, dafür läſst sich freilich die eben<lb/> dahin gehende Flucht Jerobeanus, dieses Abtrünnigen von<lb/> dem Davidisch-messianischen Geschlechte (1. Kön. 11, 40.<lb/> 12, 2.) nicht anführen; sondern wir müssen uns hiefür an<lb/> die Prophetenstelle halten, welche unser Evangelist aus<lb/> Hosea 11, 1. citirt: <foreign xml:lang="ell">ἐξ Αἰγύπτου ἐκάλεσα τὸν υἱόν μου</foreign>. Daſs<lb/> diese Stelle von den Juden auf den Messias bezogen wor-<lb/> den wäre, dafür sind zwar die unmittelbaren Belege sehr<lb/> unsicher <note place="foot" n="25)">S. z. B. <hi rendition="#k">Schöttgen</hi>, horae, 2, 209.</note>, doch war es bei Vergleichung von Stellen<lb/> wie Ps. 2, 7, wo das <foreign xml:lang="heb">בְנֵי אַתָּה</foreign> auf den Messias bezogen wur-<lb/> de, natürlich, daſs man auch dem <foreign xml:lang="heb">לִבְנִי</foreign> bei Hosea eine mes-<lb/> sianische Beziehung gab; was zur Erklärung dieses Zuges<lb/> in der Kindheitsgeschichte Jesu hinreicht, wenn auch al-<lb/> lerdings die jüdische Meinung, daſs der Messias bald nach<lb/> seiner Geburt werde verborgen werden <note place="foot" n="26)"><hi rendition="#k">Schöttgen</hi>, 2, 532 f.</note>, zu heterogen,<lb/> die andre aber, daſs er unter Heiden erzogen werden wer-<lb/> de <note place="foot" n="27)">Tanchuma f. 19, 3. bei <hi rendition="#k">Schöttgen</hi>, 2, S. 169.</note>, erst nach der lezten Zerstreuung des Volks ent-<lb/> standen sein mag.</p><lb/> <p>Da sich den Schwierigkeiten der supranaturalistischen<lb/> wie der natürlichen Erklärung gegenüber, wie wir nun-<lb/> mehr sehen, die mythische so ganz von selbst ergiebt: so<lb/> kann nicht lange die Frage sein, welche den Vorzug ver-<lb/> diene, und wir müssen uns daher bescheiden, auch durch<lb/> die bisher betrachtete Erzählung kein einzelnes Faktum<lb/> aus dem Leben Jesu zu erfahren, sondern nur eine neue<lb/> Probe davon zu bekommen, wie bestimmt der messianische<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [252/0276]
Erster Abschnitt.
Ägypten motivirt ist 24). Daſs nun aber Jesus gerade nach
Ägypten geflüchtet wird, dafür läſst sich freilich die eben
dahin gehende Flucht Jerobeanus, dieses Abtrünnigen von
dem Davidisch-messianischen Geschlechte (1. Kön. 11, 40.
12, 2.) nicht anführen; sondern wir müssen uns hiefür an
die Prophetenstelle halten, welche unser Evangelist aus
Hosea 11, 1. citirt: ἐξ Αἰγύπτου ἐκάλεσα τὸν υἱόν μου. Daſs
diese Stelle von den Juden auf den Messias bezogen wor-
den wäre, dafür sind zwar die unmittelbaren Belege sehr
unsicher 25), doch war es bei Vergleichung von Stellen
wie Ps. 2, 7, wo das בְנֵי אַתָּה auf den Messias bezogen wur-
de, natürlich, daſs man auch dem לִבְנִי bei Hosea eine mes-
sianische Beziehung gab; was zur Erklärung dieses Zuges
in der Kindheitsgeschichte Jesu hinreicht, wenn auch al-
lerdings die jüdische Meinung, daſs der Messias bald nach
seiner Geburt werde verborgen werden 26), zu heterogen,
die andre aber, daſs er unter Heiden erzogen werden wer-
de 27), erst nach der lezten Zerstreuung des Volks ent-
standen sein mag.
Da sich den Schwierigkeiten der supranaturalistischen
wie der natürlichen Erklärung gegenüber, wie wir nun-
mehr sehen, die mythische so ganz von selbst ergiebt: so
kann nicht lange die Frage sein, welche den Vorzug ver-
diene, und wir müssen uns daher bescheiden, auch durch
die bisher betrachtete Erzählung kein einzelnes Faktum
aus dem Leben Jesu zu erfahren, sondern nur eine neue
Probe davon zu bekommen, wie bestimmt der messianische
24) 2. Mos. 4, 19 (LXX): βάδιζε, ἄπελϑε εἰς Αϊγυπτον· τεϑνή-
κασι γὰρ πάντες οἱ ζητοῦντές σου τὴν ψυχήν.
Matth. 2, 20: ἐγερϑεὶς-πορεύου εἰς γῆν Ἰσραὴλ, τεϑνή-
κασι γὰρ οἱ ζητοῦντες τὴν ψυχὴν τοῦ παιδιου.
25) S. z. B. Schöttgen, horae, 2, 209.
26) Schöttgen, 2, 532 f.
27) Tanchuma f. 19, 3. bei Schöttgen, 2, S. 169.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |