Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. sie, während die Übrigen in laute Bewunderung ausbra-chen, was sie sah und hörte nachdenklich in sich aufge- nommen und bei sich überdacht habe 31). Wenn nun aber der genannte Theologe statt der Maria die Hirten als Quelle unsrer Erzählung bezeichnet, weil Alles aus dem Stand- punkt nicht von jener, sondern von diesen erzählt sei: so ist es vielmehr aus dem Standpunkt der Sage erzählt, wel- che gleicherweise über beiden steht. Wenn Schleierma- cher es unmöglich findet, dass diese Erzählung eine aus Nichts zusammengeballte Luftblase sei 32): so muss er un- ter dem Nichts die jüdischen und urchristlichen Ideen von Bethlehem als dem nothwendigen Geburtsorte des Messias, von dem Hirtenstande als dem des Verkehrs mit dem Him- mel besonders gewürdigten, und von den Engeln, als den Vermittlern dieses Verkehrs, verstehen, Vorstellungen, welche wir unsrerseits unmöglich so gering anschlagen, sondern uns wohl denken können, wie sich aus denselben etwas, wie unsre Erzählung hier, gestalten konnte. End- lich, wenn er eine zufällige oder absichtliche Dichtung sich hier desswegen nicht denken zu können versichert, weil die Christen jener Gegend so leicht die Maria oder die Jünger über die Sache haben befragen können: so ist diess doch zu sehr im Style der alten Apologetik geredet, und 31) Man vergleiche: [Spaltenumbruch] 1. Mos. 37, 11 (LXX): Ezelooan de auton oi. Und dazu die Rab- binen, bei Schöttgen, ho- rae, 1, 262. [Spaltenumbruch] Luc. 2, 18 f.: kai pantes oi akousantes ethau-. 2, 51: kai e meter autou diet erei 32) a. a. O. S. 33.
Erster Abschnitt. sie, während die Übrigen in laute Bewunderung ausbra-chen, was sie sah und hörte nachdenklich in sich aufge- nommen und bei sich überdacht habe 31). Wenn nun aber der genannte Theologe statt der Maria die Hirten als Quelle unsrer Erzählung bezeichnet, weil Alles aus dem Stand- punkt nicht von jener, sondern von diesen erzählt sei: so ist es vielmehr aus dem Standpunkt der Sage erzählt, wel- che gleicherweise über beiden steht. Wenn Schleierma- cher es unmöglich findet, daſs diese Erzählung eine aus Nichts zusammengeballte Luftblase sei 32): so muſs er un- ter dem Nichts die jüdischen und urchristlichen Ideen von Bethlehem als dem nothwendigen Geburtsorte des Messias, von dem Hirtenstande als dem des Verkehrs mit dem Him- mel besonders gewürdigten, und von den Engeln, als den Vermittlern dieses Verkehrs, verstehen, Vorstellungen, welche wir unsrerseits unmöglich so gering anschlagen, sondern uns wohl denken können, wie sich aus denselben etwas, wie unsre Erzählung hier, gestalten konnte. End- lich, wenn er eine zufällige oder absichtliche Dichtung sich hier deſswegen nicht denken zu können versichert, weil die Christen jener Gegend so leicht die Maria oder die Jünger über die Sache haben befragen können: so ist dieſs doch zu sehr im Style der alten Apologetik geredet, und 31) Man vergleiche: [Spaltenumbruch] 1. Mos. 37, 11 (LXX): Ἐζήλωοαν δὲ αὐτὸν οἱ. Und dazu die Rab- binen, bei Schöttgen, ho- rae, 1, 262. [Spaltenumbruch] Luc. 2, 18 f.: καὶ πάντες οἱ ἀκούσαντες ἐϑαύ-. 2, 51: καὶ ἡ μήτηρ αὐτοῦ διετ ήρει 32) a. a. O. S. 33.
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Erster Abschnitt.
sie, während die Übrigen in laute Bewunderung ausbra-
chen, was sie sah und hörte nachdenklich in sich aufge-
nommen und bei sich überdacht habe 31). Wenn nun aber
der genannte Theologe statt der Maria die Hirten als Quelle
unsrer Erzählung bezeichnet, weil Alles aus dem Stand-
punkt nicht von jener, sondern von diesen erzählt sei: so
ist es vielmehr aus dem Standpunkt der Sage erzählt, wel-
che gleicherweise über beiden steht. Wenn Schleierma-
cher es unmöglich findet, daſs diese Erzählung eine aus
Nichts zusammengeballte Luftblase sei 32): so muſs er un-
ter dem Nichts die jüdischen und urchristlichen Ideen von
Bethlehem als dem nothwendigen Geburtsorte des Messias,
von dem Hirtenstande als dem des Verkehrs mit dem Him-
mel besonders gewürdigten, und von den Engeln, als den
Vermittlern dieses Verkehrs, verstehen, Vorstellungen,
welche wir unsrerseits unmöglich so gering anschlagen,
sondern uns wohl denken können, wie sich aus denselben
etwas, wie unsre Erzählung hier, gestalten konnte. End-
lich, wenn er eine zufällige oder absichtliche Dichtung sich
hier deſswegen nicht denken zu können versichert, weil
die Christen jener Gegend so leicht die Maria oder die
Jünger über die Sache haben befragen können: so ist dieſs
doch zu sehr im Style der alten Apologetik geredet, und
31) Man vergleiche:
1. Mos. 37, 11 (LXX):
Ἐζήλωοαν δὲ αὐτὸν οἱ
ἀδελφοὶ αὐτοῦ· ὁ δὲ πατὴρ
αὐτοῦ διετήρησε τὸ
ῥῆμα. Und dazu die Rab-
binen, bei Schöttgen, ho-
rae, 1, 262.
Luc. 2, 18 f.:
καὶ πάντες οἱ ἀκούσαντες ἐϑαύ-
μασαν, — — ἡ δὲ Μαριὰ μ
πάντα συνετήρει τὰ ῥ ή-
ματα ταῦτα, συμβάλλουσα
ἐν τῇ καρδίᾳ αὑτῆς. 2, 51:
καὶ ἡ μήτηρ αὐτοῦ διετ ήρει
πάντα τὰ ῥήματα ταῦτα ἐν
τῇ καρδίᾳ αὑτῆς.
32) a. a. O. S. 33.
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