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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Erstes Kapitel. §. 15.
verbreitete Tradition zu Grunde liegen, wobei jedoch der
Dichter sich die Freiheit genommen, das Entfernte zusam-
menzurücken und das Schwankende der Ueberlieferung
in festen Bildern zu bestimmen; wesswegen das Bestreben,
die geschichtliche und natürliche Grundlage noch heraus-
zufinden, leer und vergeblich sei 6). Als Verfasser des
Stücks hat schon Horst einen judaisirenden Christen ver-
muthet, und auch Schleiermacher nimmt an, dass es von
einem Christen aus der veredelten jüdischen Schule zu ei-
ner Zeit verfasst sei, in welcher es noch reine Johannis-
jünger gab, welche es zum Christenthum herüberlocken
sollte, indem es die Beziehung des Johannes auf Christus
als seine eigentliche höchste Bestimmung angab, selbst
aber von der Wiederkunft Christi noch zugleich eine äus-
serliche Verherrlichung des Volkes erwartete.

Dass eine solche Ansicht des Abschnitts die einzig
richtige sei, wird vollends ganz klar werden, wenn wir
die A. T.lichen Erzählungen genauer betrachten, welchen,
wie die meisten Erklärer erinnern, diese Verkündigungs-
und Geburtsgeschichte des Täufers auffallend ähnlich ist.
Das älteste Urbild aller Spätgeborenen ist Isaak, und aus
dessen Geschichte ist in unserer Erzählung namentlich der
auf das hohe Alter der beiden Eltern gegründete Unglaube
des Vaters und seine Frage nach einem Zeichen genom-
men. Wie nämlich Abraham, als ihm Jehova von einem
Leibeserben eine Nachkommenschaft verheissen hatte, wel-
che das Land Kanaan besitzen werde, zweifelnd fragte:
kata ti gnosomai, oti kleoonomeso auten; (sc. ten gen.
1. Mos. 15, 8. LXX): so hier Zacharias: kata ti gnoso-
mai touto; (V. 18.). Der Unglaube der Sara ist für Elisa-
bet nicht benüzt; dieser Name der thugater Aaron aber
könnte an den gleichen Namen von Aarons Gattin (2. Mos.
6, 23. LXX) erinnern. -- Aus der Geschichte eines andern

6) a. a. O. S. 24 f.

Erstes Kapitel. §. 15.
verbreitete Tradition zu Grunde liegen, wobei jedoch der
Dichter sich die Freiheit genommen, das Entfernte zusam-
menzurücken und das Schwankende der Ueberlieferung
in festen Bildern zu bestimmen; weſswegen das Bestreben,
die geschichtliche und natürliche Grundlage noch heraus-
zufinden, leer und vergeblich sei 6). Als Verfasser des
Stücks hat schon Horst einen judaisirenden Christen ver-
muthet, und auch Schleiermacher nimmt an, daſs es von
einem Christen aus der veredelten jüdischen Schule zu ei-
ner Zeit verfaſst sei, in welcher es noch reine Johannis-
jünger gab, welche es zum Christenthum herüberlocken
sollte, indem es die Beziehung des Johannes auf Christus
als seine eigentliche höchste Bestimmung angab, selbst
aber von der Wiederkunft Christi noch zugleich eine äus-
serliche Verherrlichung des Volkes erwartete.

Daſs eine solche Ansicht des Abschnitts die einzig
richtige sei, wird vollends ganz klar werden, wenn wir
die A. T.lichen Erzählungen genauer betrachten, welchen,
wie die meisten Erklärer erinnern, diese Verkündigungs-
und Geburtsgeschichte des Täufers auffallend ähnlich ist.
Das älteste Urbild aller Spätgeborenen ist Isaak, und aus
dessen Geschichte ist in unserer Erzählung namentlich der
auf das hohe Alter der beiden Eltern gegründete Unglaube
des Vaters und seine Frage nach einem Zeichen genom-
men. Wie nämlich Abraham, als ihm Jehova von einem
Leibeserben eine Nachkommenschaft verheiſsen hatte, wel-
che das Land Kanaan besitzen werde, zweifelnd fragte:
κατὰ τί γνώσομαι, ὄτι κληοονομήσω ἀυτήν; (sc. τὴν γῆν.
1. Mos. 15, 8. LXX): so hier Zacharias: κατὰ τί γνώσο-
μαι τοῦτο; (V. 18.). Der Unglaube der Sara ist für Elisa-
bet nicht benüzt; dieser Name der ϑυγάτηρ Ἀαρὼν aber
könnte an den gleichen Namen von Aarons Gattin (2. Mos.
6, 23. LXX) erinnern. — Aus der Geschichte eines andern

6) a. a. O. S. 24 f.
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[101/0125] Erstes Kapitel. §. 15. verbreitete Tradition zu Grunde liegen, wobei jedoch der Dichter sich die Freiheit genommen, das Entfernte zusam- menzurücken und das Schwankende der Ueberlieferung in festen Bildern zu bestimmen; weſswegen das Bestreben, die geschichtliche und natürliche Grundlage noch heraus- zufinden, leer und vergeblich sei 6). Als Verfasser des Stücks hat schon Horst einen judaisirenden Christen ver- muthet, und auch Schleiermacher nimmt an, daſs es von einem Christen aus der veredelten jüdischen Schule zu ei- ner Zeit verfaſst sei, in welcher es noch reine Johannis- jünger gab, welche es zum Christenthum herüberlocken sollte, indem es die Beziehung des Johannes auf Christus als seine eigentliche höchste Bestimmung angab, selbst aber von der Wiederkunft Christi noch zugleich eine äus- serliche Verherrlichung des Volkes erwartete. Daſs eine solche Ansicht des Abschnitts die einzig richtige sei, wird vollends ganz klar werden, wenn wir die A. T.lichen Erzählungen genauer betrachten, welchen, wie die meisten Erklärer erinnern, diese Verkündigungs- und Geburtsgeschichte des Täufers auffallend ähnlich ist. Das älteste Urbild aller Spätgeborenen ist Isaak, und aus dessen Geschichte ist in unserer Erzählung namentlich der auf das hohe Alter der beiden Eltern gegründete Unglaube des Vaters und seine Frage nach einem Zeichen genom- men. Wie nämlich Abraham, als ihm Jehova von einem Leibeserben eine Nachkommenschaft verheiſsen hatte, wel- che das Land Kanaan besitzen werde, zweifelnd fragte: κατὰ τί γνώσομαι, ὄτι κληοονομήσω ἀυτήν; (sc. τὴν γῆν. 1. Mos. 15, 8. LXX): so hier Zacharias: κατὰ τί γνώσο- μαι τοῦτο; (V. 18.). Der Unglaube der Sara ist für Elisa- bet nicht benüzt; dieser Name der ϑυγάτηρ Ἀαρὼν aber könnte an den gleichen Namen von Aarons Gattin (2. Mos. 6, 23. LXX) erinnern. — Aus der Geschichte eines andern 6) a. a. O. S. 24 f.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/125>, abgerufen am 23.11.2024.