Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.Erster Abschnitt. würde den Untersuchungsgeist des Priesters vielmehr ge-lobt haben: so wird man ihm doch in der Bemerkung bei- stimmen können, dass ein so imperioses Verfahren weniger einem wirklichen himmlischen Wesen, als der damaligen jüdischen Meinung von einem solchen angemessen sei. Auch auf supranaturalistischem Boden hat man keine rechte Pa- rallele zu diesem harten Verfahren. Denn gegen die Pau- lus'sche Berufung auf das ungleich mildere Verfahren Je- hova's mit Abraham, welchem die ganz gleiche Frage selbst ohne Tadel hingeht, gilt es nur in Bezug auf die Stelle 1. Mos. 15, 8., was Olshausen erinnert, Abraham habe diess, nach V. 6, aus einer gläubigen Gesinnung heraus- gesprochen; wogegen nicht allein nach Kap. 18, 12. der weit markirtere Unglaube der Sara in gleichem Falle un- gestraft bleibt, sondern auch nach 17, 17. Abraham selbst die göttliche Verheissung bis zum Lachen unglaublich fin- det, ohne auch nur getadelt zu werden. Noch näher liegt das Beispiel der Maria, welche Luk. 1, 34. eigentlich ganz dieselbe Frage wie Zacharias macht, so dass man immer mit Paulus wird sagen müssen, gewiss nicht das Verfahren Gottes oder eines höheren Wesens, sondern nur die Vor- stellung der Juden von demselben werde so inconsequent gewesen sein. -- Eben weil es ihnen in der Art, wie es vor- lag, selbst ein Anstoss war, haben die orthodoxen Theo- logen für dieses Verstummenlassen allerhand Gründe aus- gesonnen. Hess glaubte das Verfahren des Engels gegen den Vorwurf der Willkührlichkeit dadurch rechtfertigen zu können, dass er die Stummheit des Zacharias als das einzige Mittel betrachtete, eine Sache auch wider seinen Willen geheim zu halten, deren frühzeitiges Bekanntwer- den für das Kind Johannes ähnliche gefährliche Folgen hätte haben können, wie das Bekanntwerden der Geburt Jesu durch die Magier sie für das Jesuskind hatte 9). Al- 9) Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu, sammt dessen
Jugendgeschichte. Tübingen 1779. 1. Bd. S. 12. Erster Abschnitt. würde den Untersuchungsgeist des Priesters vielmehr ge-lobt haben: so wird man ihm doch in der Bemerkung bei- stimmen können, daſs ein so imperioses Verfahren weniger einem wirklichen himmlischen Wesen, als der damaligen jüdischen Meinung von einem solchen angemessen sei. Auch auf supranaturalistischem Boden hat man keine rechte Pa- rallele zu diesem harten Verfahren. Denn gegen die Pau- lus'sche Berufung auf das ungleich mildere Verfahren Je- hova's mit Abraham, welchem die ganz gleiche Frage selbst ohne Tadel hingeht, gilt es nur in Bezug auf die Stelle 1. Mos. 15, 8., was Olshausen erinnert, Abraham habe dieſs, nach V. 6, aus einer gläubigen Gesinnung heraus- gesprochen; wogegen nicht allein nach Kap. 18, 12. der weit markirtere Unglaube der Sara in gleichem Falle un- gestraft bleibt, sondern auch nach 17, 17. Abraham selbst die göttliche Verheiſsung bis zum Lachen unglaublich fin- det, ohne auch nur getadelt zu werden. Noch näher liegt das Beispiel der Maria, welche Luk. 1, 34. eigentlich ganz dieselbe Frage wie Zacharias macht, so daſs man immer mit Paulus wird sagen müssen, gewiſs nicht das Verfahren Gottes oder eines höheren Wesens, sondern nur die Vor- stellung der Juden von demselben werde so inconsequent gewesen sein. — Eben weil es ihnen in der Art, wie es vor- lag, selbst ein Anstoſs war, haben die orthodoxen Theo- logen für dieses Verstummenlassen allerhand Gründe aus- gesonnen. Hess glaubte das Verfahren des Engels gegen den Vorwurf der Willkührlichkeit dadurch rechtfertigen zu können, daſs er die Stummheit des Zacharias als das einzige Mittel betrachtete, eine Sache auch wider seinen Willen geheim zu halten, deren frühzeitiges Bekanntwer- den für das Kind Johannes ähnliche gefährliche Folgen hätte haben können, wie das Bekanntwerden der Geburt Jesu durch die Magier sie für das Jesuskind hatte 9). Al- 9) Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu, sammt dessen
Jugendgeschichte. Tübingen 1779. 1. Bd. S. 12. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erster Abschnitt</hi>.</fw><lb/> würde den Untersuchungsgeist des Priesters vielmehr ge-<lb/> lobt haben: so wird man ihm doch in der Bemerkung bei-<lb/> stimmen können, daſs ein so imperioses Verfahren weniger<lb/> einem wirklichen himmlischen Wesen, als der damaligen<lb/> jüdischen Meinung von einem solchen angemessen sei. Auch<lb/> auf supranaturalistischem Boden hat man keine rechte Pa-<lb/> rallele zu diesem harten Verfahren. Denn gegen die <hi rendition="#k">Pau-<lb/> lus</hi>'sche Berufung auf das ungleich mildere Verfahren Je-<lb/> hova's mit Abraham, welchem die ganz gleiche Frage selbst<lb/> ohne Tadel hingeht, gilt es nur in Bezug auf die Stelle<lb/> 1. Mos. 15, 8., was <hi rendition="#k">Olshausen</hi> erinnert, Abraham habe<lb/> dieſs, nach V. 6, aus einer gläubigen Gesinnung heraus-<lb/> gesprochen; wogegen nicht allein nach Kap. 18, 12. der<lb/> weit markirtere Unglaube der Sara in gleichem Falle un-<lb/> gestraft bleibt, sondern auch nach 17, 17. Abraham selbst<lb/> die göttliche Verheiſsung bis zum Lachen unglaublich fin-<lb/> det, ohne auch nur getadelt zu werden. Noch näher liegt<lb/> das Beispiel der Maria, welche Luk. 1, 34. eigentlich ganz<lb/> dieselbe Frage wie Zacharias macht, so daſs man immer<lb/> mit <hi rendition="#k">Paulus</hi> wird sagen müssen, gewiſs nicht das Verfahren<lb/> Gottes oder eines höheren Wesens, sondern nur die Vor-<lb/> stellung der Juden von demselben werde so inconsequent<lb/> gewesen sein. — Eben weil es ihnen in der Art, wie es vor-<lb/> lag, selbst ein Anstoſs war, haben die orthodoxen Theo-<lb/> logen für dieses Verstummenlassen allerhand Gründe aus-<lb/> gesonnen. <hi rendition="#k">Hess</hi> glaubte das Verfahren des Engels gegen<lb/> den Vorwurf der Willkührlichkeit dadurch rechtfertigen<lb/> zu können, daſs er die Stummheit des Zacharias als das<lb/> einzige Mittel betrachtete, eine Sache auch wider seinen<lb/> Willen geheim zu halten, deren frühzeitiges Bekanntwer-<lb/> den für das Kind Johannes ähnliche gefährliche Folgen<lb/> hätte haben können, wie das Bekanntwerden der Geburt<lb/> Jesu durch die Magier sie für das Jesuskind hatte <note place="foot" n="9)">Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu, sammt dessen<lb/> Jugendgeschichte. Tübingen 1779. 1. Bd. S. 12.</note>. Al-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0108]
Erster Abschnitt.
würde den Untersuchungsgeist des Priesters vielmehr ge-
lobt haben: so wird man ihm doch in der Bemerkung bei-
stimmen können, daſs ein so imperioses Verfahren weniger
einem wirklichen himmlischen Wesen, als der damaligen
jüdischen Meinung von einem solchen angemessen sei. Auch
auf supranaturalistischem Boden hat man keine rechte Pa-
rallele zu diesem harten Verfahren. Denn gegen die Pau-
lus'sche Berufung auf das ungleich mildere Verfahren Je-
hova's mit Abraham, welchem die ganz gleiche Frage selbst
ohne Tadel hingeht, gilt es nur in Bezug auf die Stelle
1. Mos. 15, 8., was Olshausen erinnert, Abraham habe
dieſs, nach V. 6, aus einer gläubigen Gesinnung heraus-
gesprochen; wogegen nicht allein nach Kap. 18, 12. der
weit markirtere Unglaube der Sara in gleichem Falle un-
gestraft bleibt, sondern auch nach 17, 17. Abraham selbst
die göttliche Verheiſsung bis zum Lachen unglaublich fin-
det, ohne auch nur getadelt zu werden. Noch näher liegt
das Beispiel der Maria, welche Luk. 1, 34. eigentlich ganz
dieselbe Frage wie Zacharias macht, so daſs man immer
mit Paulus wird sagen müssen, gewiſs nicht das Verfahren
Gottes oder eines höheren Wesens, sondern nur die Vor-
stellung der Juden von demselben werde so inconsequent
gewesen sein. — Eben weil es ihnen in der Art, wie es vor-
lag, selbst ein Anstoſs war, haben die orthodoxen Theo-
logen für dieses Verstummenlassen allerhand Gründe aus-
gesonnen. Hess glaubte das Verfahren des Engels gegen
den Vorwurf der Willkührlichkeit dadurch rechtfertigen
zu können, daſs er die Stummheit des Zacharias als das
einzige Mittel betrachtete, eine Sache auch wider seinen
Willen geheim zu halten, deren frühzeitiges Bekanntwer-
den für das Kind Johannes ähnliche gefährliche Folgen
hätte haben können, wie das Bekanntwerden der Geburt
Jesu durch die Magier sie für das Jesuskind hatte 9). Al-
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