Nacht vor Durst, daß ich bis Mittag nachschlafen mußte; dabei kann die Wirthschaft nicht bestehen!"
"Nein, Deichgraf; aber dafür ist keine Gefahr bei meinem Jungen."
Hauke stand, die Hände in den Seitentaschen, am Thürpfosten, hatte den Kopf im Nacken und studirte an den Fensterrähmen ihm gegenüber.
Der Deichgraf hatte die Augen zu ihm gehoben und nickte hinüber: "Nein, nein, Tede;" und er nickte nun auch dem Alten zu; "Euer Hauke wird mir die Nachtruh' nicht verstören; der Schulmeister hat's mir schon vordem gesagt, der sitzt lieber vor der Rechentafel, als vor einem Glas mit Branntwein."
Hauke hörte nicht auf diesen Zuspruch, denn Elke war in die Stube getreten und nahm mit ihrer leichten Hand die Reste der Speisen von dem Tisch, ihn mit ihren dunkeln Augen flüchtig streifend. Da fielen seine Blicke auch auf sie. "Bei Gott und Jesus," sprach er bei sich selber, "sie sieht auch so nicht dösig aus!"
Das Mädchen war hinausgegangen: "Ihr wisset, Tede," begann der Deichgraf wieder, "unser Herrgott hat mir einen Sohn versagt!"
Nacht vor Durſt, daß ich bis Mittag nachſchlafen mußte; dabei kann die Wirthſchaft nicht beſtehen!”
„Nein, Deichgraf; aber dafür iſt keine Gefahr bei meinem Jungen.”
Hauke ſtand, die Hände in den Seitentaſchen, am Thürpfoſten, hatte den Kopf im Nacken und ſtudirte an den Fenſterrähmen ihm gegenüber.
Der Deichgraf hatte die Augen zu ihm gehoben und nickte hinüber: „Nein, nein, Tede;” und er nickte nun auch dem Alten zu; „Euer Hauke wird mir die Nachtruh' nicht verſtören; der Schulmeiſter hat's mir ſchon vordem geſagt, der ſitzt lieber vor der Rechentafel, als vor einem Glas mit Branntwein.”
Hauke hörte nicht auf dieſen Zuſpruch, denn Elke war in die Stube getreten und nahm mit ihrer leichten Hand die Reſte der Speiſen von dem Tiſch, ihn mit ihren dunkeln Augen flüchtig ſtreifend. Da fielen ſeine Blicke auch auf ſie. „Bei Gott und Jeſus,” ſprach er bei ſich ſelber, „ſie ſieht auch ſo nicht döſig aus!”
Das Mädchen war hinausgegangen: „Ihr wiſſet, Tede,” begann der Deichgraf wieder, „unſer Herrgott hat mir einen Sohn verſagt!”
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Nacht vor Durſt, daß ich bis Mittag nachſchlafen
mußte; dabei kann die Wirthſchaft nicht beſtehen!”
„Nein, Deichgraf; aber dafür iſt keine Gefahr
bei meinem Jungen.”
Hauke ſtand, die Hände in den Seitentaſchen,
am Thürpfoſten, hatte den Kopf im Nacken und
ſtudirte an den Fenſterrähmen ihm gegenüber.
Der Deichgraf hatte die Augen zu ihm gehoben
und nickte hinüber: „Nein, nein, Tede;” und er
nickte nun auch dem Alten zu; „Euer Hauke wird
mir die Nachtruh' nicht verſtören; der Schulmeiſter
hat's mir ſchon vordem geſagt, der ſitzt lieber
vor der Rechentafel, als vor einem Glas mit
Branntwein.”
Hauke hörte nicht auf dieſen Zuſpruch, denn
Elke war in die Stube getreten und nahm mit
ihrer leichten Hand die Reſte der Speiſen von dem
Tiſch, ihn mit ihren dunkeln Augen flüchtig ſtreifend.
Da fielen ſeine Blicke auch auf ſie. „Bei Gott und
Jeſus,” ſprach er bei ſich ſelber, „ſie ſieht auch ſo
nicht döſig aus!”
Das Mädchen war hinausgegangen: „Ihr
wiſſet, Tede,” begann der Deichgraf wieder, „unſer
Herrgott hat mir einen Sohn verſagt!”
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin)… [mehr]
Zuerst erschienen in: Deutsche Rundschau (Berlin), April/Mai 1888. Erste Buchausgabe Berlin: Paetel 1888, diese wurde für das DTA zur Digitalisierung herangezogen.
Storm, Theodor: Der Schimmelreiter. Berlin, 1888, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_schimmelreiter_1888/51>, abgerufen am 23.07.2024.
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